Anleihen / AIF

Prokon: Neuer Rückenwind für Genossenschaftsmodell? – Naturstrom mit Exit-Angebot

Mit der Naturstrom AG schaltet sich ein weiteres prominentes Unternehmen aus Deutschlands Energiewende-Mittelstand ins Ringen um die Zukunft von Prokon ein. Der Ökostrombetreiber aus Düsseldorf will verkaufswilligen Genussrechtsinhabern buchstäblich in letzter Minute eine Ausstiegsmöglichkeit anbieten, die trotzdem das Genossenschaftsmodell unterstützt. Unterdessen brachte die Kampagne der GLS Treuhand und der „Freunde von Prokon“ in nur zehn Tagen einen zweistelligen Millionenbetrag zusammen, der Prokon im Falle der Wandlung in eine Genossenschaft als Eigenkapital zur Verfügung stehen soll. Möglicherweise könnte auch der Streik der Post den Befürwortern der Genossenschaftsvariante in die Hände spielen.

Schon bis zum morgigen 26. Juni sollten die Prokon-Anleger eine wegweisende Vorentscheidung über die Zukunft von Prokon treffen: Damit das insolvente Windkraftunternehmen in eine Genossenschaft umgewandelt werden kann, sind 161 Millionen Euro Eigenkapital nötig. So schreibt es der Genossenschaftsverband vor. Um diesen Betrag zusammen zu bekommen, müsste sich ein Teil der Genussrechte-Gläubiger von Prokon eigentlich bis morgen verbindlich dazu bereiterklären, Teile ihres Investments im Unternehmen zu belassen. Weil die Prokon-Anleger jeweils nur einen Teil ihrer Geldanlage zur Verfügung stellen sollen, bräuchten die Befürworter des Genossenschaftsmodells die verbindliche Zusage von Anlegern, die zusammen 660 Millionen Euro Genussrechtskapital investiert haben. Nach Schätzung des Insolvenzverwalters Dietmar Penzlin wären das rund 30.000 der 75.000 gesamt betroffenen Genussrechte-Gläubiger.

Frist für Einverständniserklärungen aufgeweicht? – Zusätzliche Finanzspritze


Nach Angaben des Anlegervereins „Die Freunde von Prokon“ hat der Insolvenzverwalter nun signalisiert, dass diese Frist für Einverständniserklärungen auf dem Postweg wohl bis zum kommenden Mittwoch, den 1.7. 2015, verlängert werde. Grund sei der Streik der Post. Zudem solle den Gläubigern beim Einlass zur entscheidenden Gläubigerversammlung am Donnerstag 2.7. in Hamburg die Möglichkeit gewährt werden, ihre Einverständniserklärungen abzugeben, so der Anlegerverein weiter. Gemeinsam mit der GLS Treuhand arbeiten „Die Freunde von Prokon“ zudem daran, zusätzliches Eigenkapital für den Fall der Wandlung von Prokon in eine Genossenschaft zu sammeln. In nur zehn Tagen sei es gelungen, 15 Millionen Euro bei 1.500 Menschen zu sammeln, die auf einem Treuhandkonto der GLS Treuhand lägen und Prokon nach der Wandlung als zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung gestellt werden sollen – unabhängig von den nötigen Einverständniserklärungen, wie der Anlegerverein betont.

Naturstrom schaltet sich mit Kaufangebot in die Debatte ein


Kurz vor dem Zieleinlauf hat sich zudem die Naturstrom AG als ein weiterer prominenter Unterstützer des Prokon-Genossenschaftsmodells positioniert. Naturstrom wolle Prokon-Genosse werden und sei daher bereit, die Genussrechte ausstiegswilliger Anleger aufzukaufen, gab der Ökostromanbieter aus Düsseldorf jetzt bekannt. „Es gibt etliche Genussrechteinhaber, die sich neben den finanziellen auch aus inhaltlichen Erwägungen für Prokon entschieden haben. Sie möchten die Energiewende voranbringen - möglichst dezentral und bürgernah. Ich finde es daher sehr verständlich, dass viele Genussrechteinhaber und besonders die Mitarbeiter das Unternehmen nicht einem der alten Energiekonzerne überlassen wollen“, erklärte Naturstrom-Vorstandschef Dr. Thomas E. Banning, der auch Vorstandschef der Interessenvertretung Bündnis Bürgerenergie ist. Genossenschaften hätten sich als Träger der Energiewende bewährt und würden streng kontrolliert, so der Naturstrom-Vorstand weiter.

Zum Rennen um die Einverständniserklärungen der Genussrechteinhaber sagt Banning: „Ich hoffe sehr, dass die Quote zustande kommt und biete an, dass Genussrechtsinhaber, die sich positiv entscheiden, dann aber doch lieber aussteigen wollen, sich an Naturstrom wenden und ihre Anteile an uns verkaufen können.“ Der Anlegerschutzverein Deutsche Schutzvereinigung Wertpapierbesitz (DSW) ist im Prokon-Gläubigerauschuss vertreten. Der Verein sprach sich jüngst dafür aus, die Offerte von EnBW anzunehmen (ECOreporter.de  berichtete). Wie viele Anleger vor diesem Hintergrund von Angebot dem speziellen Naturstrom-Exit-Angebot Gebrauch machen, und welche Rolle Naturstrom dann als potenzieller Prokon-Genossenschaftler spielen könnte, bleibt bis auf weiteres eine spannende Frage.

Über die Variante, dass der Energiekonzern EnBW den Kern von Prokon für 550 Millionen Euro übernimmt, soll nach Angaben von Insolvenzverwalter Penzlin bei der Versammlung am 2.7. in Hamburg erst in einer zweiten Runde abgestimmt werden – wenn die Mehrheit für das Genossenschaftsmodell nicht zustande kommen sollte. 
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