Anleihen / AIF

Bremst EU-Recht Deutschlands Energiegenossenschaften aus?

Geraten Bürgerenergieprojekte in Deutschland nun doch ins Abseits? Das ist nach der ersten Beratung über den Entwurf des neuen Kleinanlegerschutzgesetzes im Bundestag jetzt wieder wahrscheinlicher. Eine intensive Diskussion über mögliche Ausnahmeregelungen ist entbrannt.
Die Bundesregierung nimmt die spektakuläre Pleite von Prokon, von der 75.000 Kleinanleger betroffen sind, zum Anlass, ein „Kleinanlegerschutzgesetz“ auf den Weg zu bringen. Kern sind strengere Regeln für Nachrangdarlehen und vergleichbare Direktbeteiligungen (Näheres zu den geplanten Neuerungen lesen Sie  hier). Speziell kleine Mittelständler wie Energiegenossenschaften und Akteure aus der Sozialökonomie kritisieren den Gesetzentwurf. Problematisch wird unter anderem die BaFin-Prospektpflicht für diese Form der Beteiligung gesehen. Dies sei mit zu hohen Kosten verbunden, lautet ein Kernargument der Kritiker.

Der Bundesrat hatte bei seiner ersten Beschäftigung mit dem Gesetz auf die Kritik reagiert: Mit Rücksicht auf den enormen Beitrag, den Bürgergenossenschaften in den vergangenen Jahren für die Energiewende geleistet haben, empfahl die Länderkammer, Genossenschaften zu großen Teilen vom Kleinanlegerschutzgesetz auszuklammern  (ECOreporter.de  berichtete).
Diejenigen Kritiker des Gesetzes, die deshalb aufatmeten, erleben jetzt einen Dämpfer für ihre Hoffnungen: Der Finanzausschuss des Bundestags kam in  seiner ersten Lesung zum Kleinanlegerschutzgesetz zu dem Schluss, eine solche Ausnahme für Bürgergenossenschaften sei nicht vereinbar mit europäischem Recht und damit unmöglich. Das Problem: EU-Recht lasse keine Unterschiede zwischen der Rechtsform von Kapitalgesellschaften zu. Das bedeutet: Der Finanzausschuss ist der Ansicht, EU-Recht verlangt die Gleichbehandlung von allen Unternehmen, die Kapitalanlagen herausgeben, egal ob es Genossenschaften sind GmbHs, KGs, AGs  oder andere.

Schwierige Diskussion über Ausnahme-Alternativen für Energiegenossen

Der Finanzausschuss diskutierte allerdings auch mögliche Alternativen, um Bürgerenergiegenossenschaften doch noch entgegen zu kommen. Unter anderem wurden mögliche Ausnahmen von der Prospektpflicht diskutiert. Während die Fraktion der Linken sich dafür aussprach, positionierten sich die Grünen dagegen. Sie verlangen mehr Transparenz am Kapitalmarkt für Kleinanleger.  Die SPD-Fraktion signalisierte ebenfalls Bereitschaft zum Entgegenkommen gegenüber Genossenschaften, von ihrer Seite fiel das Stichwort Schwarmfinanzierung (auch Crowdfunding genannt). Die Linke wiederum sprach erneut sich für eine inhaltliche Prüfung von Finanzprodukten durch die BaFin und eine Ampel-Kennzeichnung aus. Dies stieß bei CDU/CSU auf Ablehnung. Die Beratungen sollen in dieser Woche fortgesetzt werden. Für den 16. März ist zudem eine öffentliche Anhörung zum Gesetz anberaumt. Bevor das Gesetz tatsächlich ratifiziert werden kann, geht es auch nochmals in den Bundesrat.  Allerdings plant die Regierung, auch die Gesellschaft für deutsche Sprache in die endgültige Formulierung des Gesetzes einzubinden, um es allgemein verständlicher zu machen.

Genossenschaftsverband erneuert Kritik am Kurs der Bundesregierung

Die Bürgergenossenschaften sind indes verunsichert. Der Neugründungsboom bei Energiegenossenschaften ist 2014 deutlich eingebrochen. 2014 sind nach Angaben des Bündnisses Bürgerenergie lediglich noch 29 neue Energiegenossenschaften gegründet worden. Das sind 85 Prozent weniger als noch 2011. Der Verein macht vor allem die aktuelle Politik und auch das Kleinanlegerschutzgesetz dafür mitverantwortlich. „Die Energiewende lebt von vielen dezentralen Anlagen, die über ganz Deutschland verteilt sind. Diese Anlagen müssen von den Menschen vor Ort akzeptiert werden. Das funktioniert am besten, wenn sich Bürger direkt beteiligen können“, erklärt Kai Hock, Aufsichtsrat des Bündnis Bürgerenergie. Der aktuelle politische Kurs der Bundesregierung und auch das Kleinanlegerschutzgesetz bremse Bürgerbeteiligungen aus.

„Rund 1,4 Milliarden Euro haben alleine die knapp 1.000 Energiegenossenschaften bisher in Erneuerbare Energien investiert. Viele tausend Menschen haben dabei wertvolle Erfahrungen mit der Energieerzeugung gesammelt. Es wäre ein gravierender energiepolitischer Fehler, diesen Nährboden nicht zu nutzen“, so Hock weiter. Die Bundesregierung nehme mit ihrer energiepolitischen Marschroute indes weiter die Perspektive von Großhandelsmärkten ein und das Kleinanlegerschutzgesetz sorge für „große Verunsicherung“ bei den Genossenschaften. Karl Heinz Remmers, Vorstand der Berliner Solarpraxis AG, die am 27. März eine Konferenz zum Thema Bürgerenergie in Oberbayern abhält, findet ebenfalls deutliche Worte: Nur das Zusammenspiel aus dezentraler Energieerzeugung und -vermarktung hat das Potenzial, die Energiewende in der gesamten Gesellschaft zu verankern“, so Remmers.
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