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“Wir finden Wege, Nachhaltigkeitsthemen auf Hauptversammlungen zur Sprache zu bringen“ – ECOreporter.de-Interview mit Ingo Speich von Union Investment zum aktiven Aktionärstum

Ein neuer Trend im Bereich des Nachhaltigen Investments ist das so genannte Engagement. Mit solchem „aktiven Aktionärstum“ wollen Fonds und Investoren durch direkten Kontakt bei Unternehmen auf mehr Nachhaltigkeit hinwirken. Nur wenige gehen dabei auch in die Öffentlichkeit, verlangen etwa in Reden auf Hauptversammlungen eine bessere Klimaschutzstrategie und verweigern dort Vorständen wegen Mängeln bei der Nachhaltigkeit die Entlastung.
Die Union Investment ist im Bereich Nachhaltigkeit der größte institutionelle Anleger und auch der größte Vermögensverwalter in Deutschland überhaupt. Die Investmentgesellschaft der DZ BANK-Gruppe betreut die Investmentfonds von über 1200 Volks- & Raiffeisenbanken. Gegenüber ECOreporter.de hat Ingo Speich für Union Investment erläutert, wie diese ihren Engagement-Ansatz in der Praxis verwirklicht. Er verantwortet als Senior Portfoliomanager den Bereich Nachhaltige Investments und aktives Aktionärstum.

ECOreporter: Wie hat die Spitze von RWE reagiert, als die Union Investment 2011 auf der Hauptversammlung den Kraftwerkspark als zu CO2-lastig kritisierte?

Ingo Speich: Vergleichsweise unspektakulär. Sie müssen wissen, dass wir das Thema schon 2009 auf der Hauptversammlung angesprochen und damals auch explizit das Kernkraftprojekt Belene in Bulgarien kritisiert haben, das sich in einer potenziell erdbebengefährdeten Region befindet und aus dem RWE sich ja dann später auch zurückgezogen hat. Auf diese Kritik haben wir eine sehr deutliche Reaktion vom RWE-Vorstand bekommen. Man kann sagen, dass dieser Auftritt auf der RWE-Hauptversammlung ein Wendepunkt war. Er hat intensive Diskussionen mit dem Vorstand ausgelöst, seither haben wir für unsere Nachhaltigkeitsanliegen einen guten Zugang zur Vorstandsspitze, so gab es gegenseitige Besuche. Der neue Vorstandschef Peter Terium hat uns bereits im Frühjahr gesprochen und einen Strategieschwenk angekündigt. Natürlich ist das nicht nur ein Effekt, der durch unser Engagement und das anderer Investoren angestoßen wurde. Unternehmen wie RWE reagieren auch darauf, dass insgesamt die äußeren Zwänge zunehmen, nachhaltiger zu wirtschaften. Im Bereich der Energiekonzerne wäre hier etwa anzuführen, dass die Regeln für den EU-weiten Emissionshandel sehr viel strenger werden und ein hoher CO2-Ausstoß zunehmend Kosten verursacht. Das gefährdet die Profitabilität und damit auch die Erträge der Aktionäre.

ECOreporter: Wie wichtig ist solche offene Kritik auf der Hauptversammlung? Warum hat sich Union Investment in 2011 insgesamt nur auf neun Hauptversammlungen mit Redebeiträgen kritisch zu Wort gemeldet?

Speich: Nicht nur bei RWE, auch bei den Hauptversammlungen von Unternehmen wie E.on und Daimler haben wir Nachhaltigkeitskriterien kritisch hinterfragt, bei anderen, etwa bei MAN und Infineon, Umweltthemen und Aspekte der Corporate Governance offen angesprochen. Zudem haben wir an 278 Stimmrechtsausübungen teilgenommen und werden in diesem Jahr bei rund 1000 Hauptversammlungen abstimmen, die meisten davon in Deutschland und Europa, aber auch in den USA und Japan.
Auftritte und Abstimmungen auf Hauptversammlungen sind zudem nur ein Teil dessen, was wir im Bereich des aktiven Aktionärstums unternehmen. Sehr wichtig sind auch direkte Begegnungen. Um es am Beispiel von RWE zu zeigen. Hier kommen wir quartalsweise mit Vorstandsmitgliedern in Kontakt, um unsere Anliegen zu besprechen, einmal im Jahr sogar meistens mit dem Vorstandsvorsitzenden. Hinzu kommen Meetings mit Fachleuten des Unternehmens. Nicht selten laden uns Firmen zu ihren Strategiesitzungen ein, um mit uns über unsere Ideen zur Nachhaltigkeit zu diskutieren.
Wir legen aber großen Wert darauf, auf Hauptversammlungen aufzutreten und waren in diesem Jahr mit zwölf Redebeiträgen vertreten. Auch weil man sonst kaum eine Chance hat, auf den Aufsichtsrat eines Unternehmens einzuwirken, der ja den Vorstand kontrolliert. Nur wenige Aufsichtsräte sprechen mit Investoren. Meist begnügen sie sich mit den gefilterten Informationen, die sie von den Vorständen oder Investor-Relations-Abteilungen bekommen. Wenn wir auf der Hauptversammlung sprechen, können wir diese Kommunikationslücke überbrücken.

ECOreporter: Selbst die Union Investment verfügt auf Hauptversammlungen nur über wenige Prozent der Stimmrechte. Wie können Sie da etwas bewirken?

Speich: Zum einen müssen Sie bedenken, dass es in Deutschland zum guten Ton gehört, dass der Vorstand auf der Hauptversammlung Zustimmungsraten von 99 Prozent erreicht. Da können wenige Prozent Ablehnung schon für Aufmerksamkeit bei der Unternehmensführung sorgen, denn deren Reputation wird schon damit angekratzt. Vorstände wollen das natürlich vermeiden. Ohnehin reagieren Vorstände und Aufsichtsräte heute viel sensibler auf solche kritischen Strömungen. Schließlich sitzen sie heute längst nicht mehr so sicher auf ihren Stühlen wie früher und müssen stärker auf die Belange der Aktionäre eingehen, um so aufkommende Diskussionen möglichst früh in geordnete Bahnen zu lenken. Schließlich können andere Investoren auf solche Forderungen für mehr Nachhaltigkeit, wie wir sie stellen, aufspringen. Zudem reagieren auch die Medien darauf, wenn Initiativen wie unsere dazu führen, dass der Vorstand weniger Zustimmung erfährt als es üblich ist.

ECOreporter: Inwiefern können Sie auf Hauptversammlungen Stimmrechte bündeln, um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen, und geschieht dies auch?

Speich: Wir bündeln für viele unserer institutionellen Kunden die Stimmrechte und vertreten diese gemeinsam mit den Stimmen unserer 4,4 Millionen Privatanleger. Dadurch haben wir die Möglichkeit, mit mehr Stimmen mehr zu erreichen.

ECOreporter: Wie stark ist denn die Stimme, mit der Union Investment auf Hauptversammlungen für Nachhaltigkeit eintreten kann? Welchen Umfang hat das nachhaltig investierte Kapital, das Sie verwalten?

Speich: Als Vermögensverwalter betreuen wir rund fünf Milliarden Euro, die nach strengen Nachhaltigkeitskriterien investiert sind. Dabei handelt es sich um Aktien- und Rentenfonds. Unsere Immobilienfonds, die in neue Projekte nur noch investieren, wenn sie nachhaltigen Qualitätsansprüchen genügen, sind bei dieser Summe noch nicht erfasst. Insgesamt verwaltet Union Investment rund 180 Milliarden Euro.

ECOreporter: Wie groß ist der Anteil der ablehnenden Voten von Union Investment auf den Hauptversammlungen?

Speich: Das kommt durchaus häufiger vor, auch wenn der Anteil der Zustimmungen deutlich größer ist. Nachhaltige Aspekte berühren ja meist nur wenige Tagesordnungspunkte. Unsere  Kritik muss sowohl sachlich als auch mit Fakten belegt vorgetragen werden, um ihr besonderen Nachdruck zu verleihen.  Übrigens kommen Enthaltungen für uns nicht in Frage: wir beziehen klar Stellung.

ECOreporter: Was will die Union Investment mit ihrem aktiven Aktionärstum konkret für mehr Nachhaltigkeit erreichen, welche Schwerpunkte setzen Sie?

Speich: Wir verfolgen einerseits unternehmensspezifische Ziele, andererseits setzen wir uns in jedem Jahr besondere Ziele, die wir branchenübergreifend verfolgen. In 2011 zum Beispiel lag unser allgemeiner Schwerpunkt auf der Vorstandsvergütung, in diesem Jahr steht die Ressourceneffizienz im Fokus. Dabei gibt es natürlich Überschneidungen. Etwa im Bereich des Klimaschutzes. In 2010 haben wir uns generell für mehr Klimaschutz eingesetzt, ein Thema, dass wir bei einzelnen Unternehmen schon länger aktiv verfolgen. Dabei gehen wir strategisch vor. So gehen wir davon aus, dass die Verschärfung der Klimaschutzvorgaben durch die EU für die Autobauer ein frühzeitiges Handeln erfordert. Sie tritt zwar erst 2015 in Kraft, aber schon mit großem zeitlichen Vorlauf haben wir begonnen, die betroffenen Unternehmen darauf anzusprechen, dass sie den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeuge verringern müssen.

Bildhinweis: Daimler hat diesen emissionsfreien Smart schon 2004 präsentiert. Kritische Aktionäre drängen die Autobauer dazu, mehr für den Klimaschutz zu tun. / Quelle: ECOreporter.de


ECOreporter: In den Richtlinien der Union Investment für das Abstimmungsverhalten auf Hauptversammlungen spielen soziale, ethische  und Umweltaspekte nur eine Nebenrolle. Fast ausschließlich behandeln Sie darin Aspekte der Corporate Governance. Warum ist das so?

Speich: Sie müssen beachten, dass Nachhaltigkeitsthemen nicht direkt auf der Tagesordnung von Hauptversammlungen stehen. Wir sind daher gezwungen, sie sozusagen über einen Seitenweg zur Sprache zu bringen. Indem wir Aspekte der Corporate Governance ansprechen, können wir Nachhaltigkeitsthemen indirekt ansprechen. Zum Beispiel, indem wir vorschlagen, die Vorstandsvergütung an das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen zu koppeln. Wir können also über den Tagesordnungspunkt zur Vorstandsvergütung eine Argumentation zu  Nachhaltigkeitsthemen und Klimaschutzzielen aufbauen. Nur so kann es funktionieren, auf Hauptversammlungen solche Themen einzubringen.
Der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält leider keine nachhaltigen Inhalte. Das sehen wir als Makel. Doch wir finden Wege, sie auf Hauptversammlungen zur Sprache zu bringen, gegenüber Vorstand, Aufsichtsrat und den anderen Aktionären.

ECOreporter: Was kann man mit ihrem aktiven Aktionärstum überhaupt für mehr Nachhaltigkeit erreichen, inwiefern lohnt sich das Engagement für die Anleger?

Speich: Wir merken, dass wir Einfluss haben. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Vorstände reagieren und den Austausch mit uns suchen. Unsere vorrangige Aufgabe ist es, im Sinne der Investoren Ereignisrisiken zu mindern und den langfristigen Unternehmenswert für die Aktionäre positiv zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang rechnet es sich für die Investoren, wenn wir darauf drängen, Nachhaltigkeitsrisiken wirksam zu verringern.

ECOreporter: Inwiefern informiert Union Investment über ihr aktives Aktionärstum?

Speich: Privatanleger können sich bei uns online informieren, etwa unseren Engagement-Jahresbericht 2011 herunterladen. Institutionellen Investoren bieten wir zudem die Möglichkeit, sich über die Serviceleistung UniEngagement aktiv mit eigenen Inhalten einzubringen – und das sogar unabhängig davon, ob die Aktien bei uns oder bei Dritten gehalten werden. Die Investoren bekommen dann eine detaillierte Berichterstattung, die auch die individuellen Abstimmungsergebnisse für die jeweilige Hauptversammlung enthält.

ECOreporter: Welche weitere Entwicklung erwarten Sie für den Bereich des aktiven Aktionärstums?

Speich: Wir gehen davon aus, dass weitere Investoren einen ähnlichen Weg einschlagen werden. Etwa durch die letzten Skandale in der Finanzbranche ist für viele offenkundig geworden, wie wichtig Fragen der Corporate Governance sind. Man wird verstärkt auch auf Hauptversammlungen hier auf Verbesserungen drängen. Aber das wird ein evolutionärer Prozess sein. So war es ja auch bei uns. Die Union Investment hat schon vor rund zehn Jahren begonnen, sich konkret als Investor für mehr Nachhaltigkeit zu engagieren. Dies geschah aber zunächst nur vereinzelt, nachdem ab 2008 der Bereich Nachhaltiges Investment aufgebaut wurde, dann zunehmend systematisch. Seit 2010 erfahren wir eine zunehmende Nachfrage von institutionellen Investoren für aktives Aktionärstum.

ECOreporter: Herr Speich, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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