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Nachhaltige Aktien, Meldungen, Anleihen / AIF
Wie investiere ich in nachhaltige Schoko-Aktien? – Teil I der ECOreporter-Serie
Weihnachtszeit ist Schokoladenzeit. Wer sich eine nachhaltige Leckerei gönnen will, achtet zum Beispiel auf ein Fair-Trade-Siegel oder kauft eine Bio-Marke. Aber wie sieht es eigentlich aus, wenn Anleger in nachhaltige Schokolade investieren wollen? Was sind die Kriterien für nachhaltige Produkte bzw. einen nachhaltigen Hersteller? Darüber berichten wir in Teil I unserer Serie. Der zweite Teil beantwortet die Fragen: Welche Möglichkeiten für ein Investment gibt es, und wie sieht es mit der Rendite aus?
Im dritten und letzten Teil unserer Schokoladen-Serie erfahren Sie, wie nachhaltig die Aktien der Schokoladen-Hersteller Lindt & Sprüngli und Hershey's sind. (Link entfernt)
Was heißt eigentlich "nachhaltige Schokolade"?
Rund 9,2 Kilo Schokolade verzehrt jeder Deutsche im Jahr, kakaohaltige Brotaufstriche und Getränke noch nicht mitgezählt. Aber: "Der Löwenanteil der Schokoladenprodukte in Deutschland wird konventionell hergestellt. Sofern sie kein Transfair- oder Bio-Siegel tragen, können Verbraucher auch bei Edel-Marken nicht ausschließen, dass die Kakaobohnen von Kindern geerntet wurden – und ebenso wenig, dass die verarbeitete Milch von Kühen aus Massentierhaltung stammt, die zudem noch genmanipuliertes Futter gefressen haben", warnt Greenpeace.
Für große Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé, Unilever oder Mondolez ist die Produktion nachhaltiger Schokoladen-Produkte eine Herausforderung: Sie müssen die Rohstoffe preiswert beschaffen und gleichzeitig durch den Einkauf möglichst geringe ökologische Schäden und soziale Konflikte verursachen. Kriterien für eine nachhaltige Beschaffung von Agrarrohstoffen hat der World Wide Fund for Nature (WWF) in seiner Machbarkeitsstudie "Ein Standard für die Standards" festgelegt: demnach müssen ökologische und soziale Prinzipien erfüllt werden, zum Beispiel die Sicherung der Wasserqualität, eine kontrollierte Verwendung von Düngemitteln und Pestiziden, keine Kinderarbeit und die Einhaltung der Rechte indigener Völker.
Um Schokolade herzustellen, braucht man Kakao: Zur Herstellung einer 100-Gramm-Tafel Schokolade werden etwa zwei Kakaoschoten benötigt. Mit 70 Prozent stammt der Großteil des weltweit angebauten Kakaos aus Westafrika: die wichtigsten Exporteure sind die Elfenbeinküste, Ghana und Nigeria. In diesen Ländern liegt der Kakaoanbau zu 90 Prozent in den Händen von kleinen Familienbetrieben mit weniger als 5 Hektar Anbaufläche, berichtet das Inkota-Netzwerk aus Berlin, das u. a. von kirchlichen Einrichtungen unterstützt wird und sich für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen von Kakaoproduzenten einsetzt. Der Kakaoanbau ist für über 5,5 Millionen Bauern die Haupteinnahmequelle und sichert weltweit den Lebensunterhalt von 14 Millionen Arbeitern und deren Familien. Mit einem Verdienst von teilweise unter 1,25 US-Dollar pro Tag leben viele dieser Kleinbauern deutlich unter der Armutsgrenze – ein Grund, warum auch die Kinderarbeit in diesen Ländern drastisch steigt.
Wie wird nachhaltige Schokolade zertifiziert?
Der Marktanteil zertifizierten Kakaos ist in den vergangenen fünf Jahren von 2 Prozent auf 16 Prozent gestiegen, zeigt der aktuelle Cacao Barometer. Dieser wird alle zwei Jahre von einem Netzwerk europäischer NGOs herausgegeben und bilanziert die Entwicklungen der bestehenden Nachhaltigkeitsinitiativen. Ein weniger positives Ergebnis des Cacao Barometers ist, dass sich für die schlecht entlohnten Kakaobauern nur wenig geändert hat: Sie können immer noch nicht von ihrer Arbeit leben. Zudem greifen Konsumenten in Industrieländern meist zu billigen Schoko-Produkten, die nicht fair und bio hergestellt wurden. Bisher stammen laut Greenpeace-Angaben nur etwa 0,5 Prozent der Welt-Kakaoernte aus Bio-Anbau. Der Anteil fair gehandelten Kakaos ist mit 0,1 Prozent noch geringer.

Die wichtigsten Initiativen und Zertifizierungen der Schokoladen-Produzenten sind Fair Trade, UTZ Certified sowie die Rainforest Alliance. Sie thematisieren und regeln nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Themen, wie die Festsetzung von Mindestlöhnen. Jedoch sind die Schwerpunkte unterschiedlich: Beispielweise hat UTZ einen stärkeren Fokus auf Qualität und nachhaltigen Anbau – auch aus der wirtschaftlichen Motivation heraus, die Baumbestände zu erhalten. Fair Trade legt hingegen einen stärkeren Schwerpunkt auf faire Bezahlung. Seit Mitte der 90er arbeitet UTZ daran, dass Kaffee, Kakao und Tee unter vernünftigen Arbeitsbedingungen angebaut werden. Inzwischen gibt es mehr als 20.000 Produkte, die das Siegel dieser Organisation tragen – allerdings muss beim Anbau nicht auf Pestizid- und Kunstdüngereinsatz verzichtet werden.
Bildhinweis: Wie nachhaltig ist das Produkt wirklich? Für Schokolade gibt es unterschiedlich strenge Siegel und Zertifizierungen – manchmal müssen Konsumenten und Anleger genauer hinschauen. / Foto: Pixabay
Weitere Nachhaltigkeitssiegel sind Naturland Fair (Ergänzung zum Naturland-Bio-Label), Rapunzel Hand in Hand Fairtrade (nur in Kombination mit dem Bio-Siegel) und Pro Planet für Rewe-Schokolade mit Kakao, der entweder nach den Standards von UTZ oder Fair Trade zertifiziert wurde. Ein Bio-Siegel bedeutet nicht automatisch, dass soziale Standards beim Kakaoanbau eingehalten werden.
Wo liegen beim Schokoladenanbau aus Nachhaltigkeitssicht die Risiken?
"Die größte Herausforderung liegt aus Nachhaltigkeitsperspektive ganz klar im Anbau der Kakaobohnen", sagt Silke Jolowicz, Analystin bei oekom research mit der Branchenverantwortung Food & Beverages. "In den Lieferketten der großen internationalen Schokoladenhersteller finden sich zehntausende Bauern, die Kakao anbauen." Häufige Probleme seien die bereits erwähnte Kinderarbeit, die Bezahlung mit Löhnen unterhalb des Existenzminimums und die schwankenden Preise, die ein unregelmäßiges Einkommen für die Bauern zur Folge haben.
Laut einer Studie der Tulane Universität in New Orleans arbeiten allein in Ghana knapp eine Million Kinder und in der Elfenbeinküste 820.000 Kinder auf Kakaoplantagen. Das bestätigt der Bericht "Nachhaltige Beschaffung von Agrarrohstoffen", den die Schweizer Bank J. Safra Sarasin 2014 veröffentlichte. Demnach ist Kinderarbeit beim Kakaoanbau nach wie vor verbreitet. Die größten Schokoladenhersteller hatten sich zwar im sogenannten "Harkin-Engel Protokoll" dazu verpflichtet, Kinderarbeit bis 2005 vollständig zu unterbinden. Das Ziel wurde jedoch auf 2020 verschoben, und es gibt keinerlei Sanktionen bei Verstößen.
Ein weiterer relevanter Punkt ist Jolowicz zufolge die hohe Marktkonzentration der Schokoladenfirmen und Weiterverarbeiter: Nur zwei Schokoladen-Weiterverarbeiter, nämlich Barry Callebaut aus der Schweiz und Cargill mit Hauptsitz in den USA, stellen insgesamt 70 bis 80 Prozent der weltweit produzierten Industrieschokolade her. Acht Händler und Vermahler von Kakao kontrollieren etwa 75 Prozent des Welthandels mit Kakao. Die Marktmacht der sechs größten Schokoladenfirmen, darunter bekannte Marken wie Kraft und Cadbury’s, liegt bei etwa 40 Prozent. "Umgerechnet kann man sagen: an einer Tafel Schokolade haben die Kakao-Bauern lediglich einen Umsatzanteil von 6 Prozent", erklärt die Analystin.
Noch dazu sind Kakaoproduzenten mit Ernterückgängen und Qualitätsproblemen konfrontiert, wie der Sarasin-Bericht zeigt. Die meisten Anbaugebiete liegen zwischen 10 Grad nördlich bzw. südlich des Äquators und die Wachstumsbedingungen sind anspruchsvoll. Das Wetter, politische Instabilität in den Produktionsländern, Schädlinge und Krankheiten können einen großen Einfluss auf das Angebot haben. Statt einen angemessenen Kakaopreis zu bezahlen, setzt die Schokoladenindustrie aber auf Produktivitätssteigerung: Nur wenn sie mehr Kakao ernten, können die Bauern ihr Einkommen erhöhen. Ein Teufelskreis, denn dafür sind erhebliche Investitionen nötig, weiß Evelyn Bahn, Koordinatorin der Initiative „Make Chocolate Fair!“: „Es müssen zum Beispiel Düngemittel, Pestizide und neue Setzlinge gekauft werden. Wenn Ernteerträge steigen, fällt zudem mehr Arbeit an. Die Bauern sind aber so arm, dass sie sich keine Erntehelfer leisten können – also müssen ihre Kinder einspringen“, sagte Bahn dem ForestFinance-Magazin.
Was tun die Schokoladenhersteller für mehr Nachhaltigkeit?
Unternehmen haben gute Gründe, auf nachhaltig produzierte Rohstoffe zurückzugreifen. Zuletzt musste der Süßwarenhersteller Ferrero einen PR-GAU erleben: Die britische Boulevardzeitung Sun hatte berichtet, dass für die Herstellung der beliebten Überraschungseier ("Kinder Überraschung") in Rumänien auf Kinderarbeit zurückgegriffen wird. Nicht nur leidet das Image unter solchen ökologischen und sozialen Verfehlungen, auch das Konsumverhalten der Kunden ändert sich: In vielen Märken achten die Endkonsumenten immer stärker darauf, ob die von ihnen gekauften Nahrungsmittel wirklich nachhaltig produziert wurden. Das wirkt sich direkt auf die Verkaufszahlen der betroffenen Produkte, den Gewinn und damit letztlich auf die Wertschöpfung für die Aktionäre aus. Auch können die Hersteller Kosten einsparen, wenn sie effizienter wirtschaften und etwa weniger Abfall produzieren und den Wasser- und Stromverbrauch reduzieren.
In den bisherigen Hauptanbauländern Ghana und in der Elfenbeinküste wird bis zum Jahr 2050 ein Temperaturanstieg von mindestens 2 Grad Celsius erwartet: Weil mehr Wasser durch Verdunstung an die Luft abgegeben wird, verringert sich der Ertrag der Bäume. Manche Hersteller reagieren darauf, indem sie den Anbau und die Produktion nach Lateinamerika und Asien verlagern, was dort potentiell neue Landnutzungskonflikte erzeugen kann. Allerdings bietet dieser Wandel auch die Chance, neue und grundsätzlich fairere Handelsbeziehungen aufzubauen. Zudem arbeiten in diesen Gebieten oft bereits zahlreiche Kaffeebauern. Die Ausweitung ihrer Erzeugungstätigkeit hin zu mehreren Fruchtkulturen würde sie zudem weniger anfällig bei Preisschwankungen machen.
"Darüber hinaus gibt es Ideen, an Bauern sogenannte Carbon Credits zu vergeben, wenn sie Anbaumethoden übernehmen, die zur Beschränkung des Klimawandels beitragen", erklärt oekom-Analystin Jolowicz. Jedoch sei unklar, ob hierfür Marktinteresse seitens der Unternehmen bestehe: "Sie sind in der Regel sehr weit von den einzelnen Bauern und ihren Lebens- und Arbeitsumständen entfernt und mit ihnen meist nur über Zwischenhändler und Zulieferer verbunden."
Die Alfred Ritter GmbH: Quadratisch, praktisch, nachhaltig?
Anders ist das bei der Alfred Ritter GmbH & Co. KG. mit Sitz in Waldenbuch, besser bekannt unter dem Markennamen und der quadratischen Schokolade "Ritter Sport". Das mittelständische Unternehmen gilt als Vorreiter in Sachen nachhaltig produzierter Schokolade. Allerdings können Anleger nicht in den Schokoladenhersteller investieren, weil er sich komplett im Besitz der Familie Ritter befindet. Diese legt großen Wert auf Nachhaltigkeit, und das hat seinen Grund: "Das Unglück von Tschernobyl im Jahr 1986 hat mir persönlich einen wichtigen zusätzlichen Denkanstoß gegeben. Damals konnten wir keine unverstrahlten Haselnüsse kaufen. Da habe ich gedacht: Das kann man unter gesundheitlichen und wirtschaftlichen Aspekten nicht so weiter laufen lassen", wird Unternehmenschef Alfred Ritter im Nachhaltigkeitsbericht 2014 des Unternehmens zitiert. Im Nachhaltigkeitsfahrplan sind zum Beispiel die CO2-neutrale Produktion und nachhaltige Rohstoffe als Ziele verankert: Auch die sozialen Bedingungen in der gesamten Produktionskette sollen ständig verbessert werden.

Konkret werden Ritters Pläne beim Kakao: Der Ankauf von Land und der Einstieg in den Anbau seien für ein mittelständisches Unternehmen der effektivste Weg, maximalen Einfluss auf Bedingungen im Kakaoanbau zu nehmen. 2012 hat Ritter deshalb im Osten Nicaraguas 2.500 Hektar Land erworben. Mit der Agroforst-Plantage "El Cacao" will das Unternehmen nun selbst nachhaltigen Kakao anbauen – unter Standards, die eine Zertifizierung nach UTZ oder Rainforest Alliance ermöglichen. "Im kommenden Jahr rechnen wir mit der ersten kleinen (Teil-)Ernte", teilte Ritter-Sprecherin Petra Fix ECOreporter mit. Das Projekt hat nicht nur Fans: Jan Urhahn von der gemeinnützigen Organisation Inkota sieht den Landkauf kritisch: "Gerade für Menschen in ländlichen Regionen der Länder des Südens ist der Zugang zu Land und anderen natürlichen Ressourcen existenziell. Aus diesem Grund sind Landverkäufe in solchen Dimensionen, wie der im Fall Ritter, immer kritisch zu sehen", sagt Urhahn dem Onlineportal Biomarkt-Info.
Bildhinweis: Nuss-Schokolade von Ritter Sport sorgt für ein Umdenken im Konzern, weil nach der Tschernobyl-Katastrophe keine unverstrahlten Haselnüsse mehr erhältlich waren. / Foto: Pixabay
Ritter kauft aber nicht nur Land, sondern setzt auch auf Kooperativen: 1990 gründete das Unternehmen zudem das Projekt "Cacaonica" in Nicaragua: 2014 arbeitete Ritter Sport in Nicaragua mit gut 3.500 Kakaobauern in rund 20 Kooperativen zusammen. Je nach Ernteertrag kommen damit 600 bis 1.000 Tonnen Kakaobohnen pro Jahr zusammen. Von 12.000 Tonnen benötigter Kakaomasse pro Jahr sollen bis 2023 rund 5.000 Tonnen mit nachhaltig hergestelltem Kakao von Kakaobauern aus Nicaragua und der eigenen Plantage gedeckt werden. „In der Umsetzung, nur noch nachhaltig erzeugten Kakao zu verwenden, kommen wir gut voran“, so Sprecherin Fix. Nach heutigem Stand sollte das Unternehmen das Ziel bis ca. 2020 erreichen.
Ritter gehört übrigens nicht zu den Schokoladenherstellern, die das Harkin-Engel-Protokoll gegen Kinderarbeit unterzeichnet haben: "Dies hat aber nichts mit den verfolgten Ziel zu tun", so Fix, sondern vielmehr mit der geringen Wahrnehmung von Ritter in Amerika. Man sei als Unternehmen auf diesem Markt lediglich als kleine europäische Marke präsent. Zwischenzeitlich aber hätten sich auch in Deutschland weitere Initiativen wie das Forum nachhaltiger Kakao gebildet, in dem Ritter aktiv ist. Das Forum richtet sich vor allem an deutsche Kakaoverarbeiter, Händler sowie an die Regierungen Deutschlands und der Elfenbeinküste und will die Bedingungen im Kakaoanbau an der Elfenbeinküste verbessern.
Anleger sollten Hersteller und Abnehmer von Schokoladen-Rohstoffen kritisch hinterfragen
Aber wie ist es um die Nachhaltigkeit anderer Schokoladen-Konzerne bestellt? Wer zählt zu den Besten bzw. den Schlechtesten? "Die Frage nach Gut oder Schlecht lässt sich gar nicht eindeutig beantworten", sagte Analystin Silke Jolowicz von der unabhängigen Rating-Agentur oecom research gegenüber ECOreporter. Zum Beispiel habe oekom research bei Nestlé Verstöße wegen Kinderarbeit in der Kakao-Zulieferkette festgestellt: "Das Unternehmen hat diese aber selbst transparent gemacht und Maßnahmen ergriffen, um die Problematik anzugehen", so die Expertin. Praktisch alle großen Unternehmen haben sich zudem verpflichtet, den Anteil an zertifiziertem Kakao deutlich zu erhöhen.
Aufgrund des niedrigen landwirtschaftlichen Entwicklungsgrads in den meisten afrikanischen Ländern seien Produzenten von Rohstoffen wie Kakao besonders anfällig für Kinderarbeit, weshalb alle Nutzer von sämtlichen Rohstoffen kritisch hinterfragt werden sollten, sagte Roman Limacher, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Hauck & Aufhäuser (Schweiz) AG. Zentral seien für Produktionsstandorte von Kakao gute Bedingungen für Farmer und Arbeiter, und für Kinder insbesondere Bildungs- und Freizeit-Angebote.
Wie können Anleger in nachhaltige Schokolade investieren? Diese Frage beantworten wir im kommenden Teil der ECOreporter "Schokoladen-Serie".
Noch mehr Informationen über nachhaltiges Investment und dessen Wirkung finden Sie auch in unserem "Gut erklärt: Nachhaltig anlegen". (Link entfernt)
Im dritten und letzten Teil unserer Schokoladen-Serie erfahren Sie, wie nachhaltig die Aktien der Schokoladen-Hersteller Lindt & Sprüngli und Hershey's sind. (Link entfernt)
Was heißt eigentlich "nachhaltige Schokolade"?
Rund 9,2 Kilo Schokolade verzehrt jeder Deutsche im Jahr, kakaohaltige Brotaufstriche und Getränke noch nicht mitgezählt. Aber: "Der Löwenanteil der Schokoladenprodukte in Deutschland wird konventionell hergestellt. Sofern sie kein Transfair- oder Bio-Siegel tragen, können Verbraucher auch bei Edel-Marken nicht ausschließen, dass die Kakaobohnen von Kindern geerntet wurden – und ebenso wenig, dass die verarbeitete Milch von Kühen aus Massentierhaltung stammt, die zudem noch genmanipuliertes Futter gefressen haben", warnt Greenpeace.
Für große Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé, Unilever oder Mondolez ist die Produktion nachhaltiger Schokoladen-Produkte eine Herausforderung: Sie müssen die Rohstoffe preiswert beschaffen und gleichzeitig durch den Einkauf möglichst geringe ökologische Schäden und soziale Konflikte verursachen. Kriterien für eine nachhaltige Beschaffung von Agrarrohstoffen hat der World Wide Fund for Nature (WWF) in seiner Machbarkeitsstudie "Ein Standard für die Standards" festgelegt: demnach müssen ökologische und soziale Prinzipien erfüllt werden, zum Beispiel die Sicherung der Wasserqualität, eine kontrollierte Verwendung von Düngemitteln und Pestiziden, keine Kinderarbeit und die Einhaltung der Rechte indigener Völker.
Um Schokolade herzustellen, braucht man Kakao: Zur Herstellung einer 100-Gramm-Tafel Schokolade werden etwa zwei Kakaoschoten benötigt. Mit 70 Prozent stammt der Großteil des weltweit angebauten Kakaos aus Westafrika: die wichtigsten Exporteure sind die Elfenbeinküste, Ghana und Nigeria. In diesen Ländern liegt der Kakaoanbau zu 90 Prozent in den Händen von kleinen Familienbetrieben mit weniger als 5 Hektar Anbaufläche, berichtet das Inkota-Netzwerk aus Berlin, das u. a. von kirchlichen Einrichtungen unterstützt wird und sich für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen von Kakaoproduzenten einsetzt. Der Kakaoanbau ist für über 5,5 Millionen Bauern die Haupteinnahmequelle und sichert weltweit den Lebensunterhalt von 14 Millionen Arbeitern und deren Familien. Mit einem Verdienst von teilweise unter 1,25 US-Dollar pro Tag leben viele dieser Kleinbauern deutlich unter der Armutsgrenze – ein Grund, warum auch die Kinderarbeit in diesen Ländern drastisch steigt.
Wie wird nachhaltige Schokolade zertifiziert?
Der Marktanteil zertifizierten Kakaos ist in den vergangenen fünf Jahren von 2 Prozent auf 16 Prozent gestiegen, zeigt der aktuelle Cacao Barometer. Dieser wird alle zwei Jahre von einem Netzwerk europäischer NGOs herausgegeben und bilanziert die Entwicklungen der bestehenden Nachhaltigkeitsinitiativen. Ein weniger positives Ergebnis des Cacao Barometers ist, dass sich für die schlecht entlohnten Kakaobauern nur wenig geändert hat: Sie können immer noch nicht von ihrer Arbeit leben. Zudem greifen Konsumenten in Industrieländern meist zu billigen Schoko-Produkten, die nicht fair und bio hergestellt wurden. Bisher stammen laut Greenpeace-Angaben nur etwa 0,5 Prozent der Welt-Kakaoernte aus Bio-Anbau. Der Anteil fair gehandelten Kakaos ist mit 0,1 Prozent noch geringer.

Die wichtigsten Initiativen und Zertifizierungen der Schokoladen-Produzenten sind Fair Trade, UTZ Certified sowie die Rainforest Alliance. Sie thematisieren und regeln nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Themen, wie die Festsetzung von Mindestlöhnen. Jedoch sind die Schwerpunkte unterschiedlich: Beispielweise hat UTZ einen stärkeren Fokus auf Qualität und nachhaltigen Anbau – auch aus der wirtschaftlichen Motivation heraus, die Baumbestände zu erhalten. Fair Trade legt hingegen einen stärkeren Schwerpunkt auf faire Bezahlung. Seit Mitte der 90er arbeitet UTZ daran, dass Kaffee, Kakao und Tee unter vernünftigen Arbeitsbedingungen angebaut werden. Inzwischen gibt es mehr als 20.000 Produkte, die das Siegel dieser Organisation tragen – allerdings muss beim Anbau nicht auf Pestizid- und Kunstdüngereinsatz verzichtet werden.
Bildhinweis: Wie nachhaltig ist das Produkt wirklich? Für Schokolade gibt es unterschiedlich strenge Siegel und Zertifizierungen – manchmal müssen Konsumenten und Anleger genauer hinschauen. / Foto: Pixabay
Weitere Nachhaltigkeitssiegel sind Naturland Fair (Ergänzung zum Naturland-Bio-Label), Rapunzel Hand in Hand Fairtrade (nur in Kombination mit dem Bio-Siegel) und Pro Planet für Rewe-Schokolade mit Kakao, der entweder nach den Standards von UTZ oder Fair Trade zertifiziert wurde. Ein Bio-Siegel bedeutet nicht automatisch, dass soziale Standards beim Kakaoanbau eingehalten werden.
Wo liegen beim Schokoladenanbau aus Nachhaltigkeitssicht die Risiken?
"Die größte Herausforderung liegt aus Nachhaltigkeitsperspektive ganz klar im Anbau der Kakaobohnen", sagt Silke Jolowicz, Analystin bei oekom research mit der Branchenverantwortung Food & Beverages. "In den Lieferketten der großen internationalen Schokoladenhersteller finden sich zehntausende Bauern, die Kakao anbauen." Häufige Probleme seien die bereits erwähnte Kinderarbeit, die Bezahlung mit Löhnen unterhalb des Existenzminimums und die schwankenden Preise, die ein unregelmäßiges Einkommen für die Bauern zur Folge haben.
Laut einer Studie der Tulane Universität in New Orleans arbeiten allein in Ghana knapp eine Million Kinder und in der Elfenbeinküste 820.000 Kinder auf Kakaoplantagen. Das bestätigt der Bericht "Nachhaltige Beschaffung von Agrarrohstoffen", den die Schweizer Bank J. Safra Sarasin 2014 veröffentlichte. Demnach ist Kinderarbeit beim Kakaoanbau nach wie vor verbreitet. Die größten Schokoladenhersteller hatten sich zwar im sogenannten "Harkin-Engel Protokoll" dazu verpflichtet, Kinderarbeit bis 2005 vollständig zu unterbinden. Das Ziel wurde jedoch auf 2020 verschoben, und es gibt keinerlei Sanktionen bei Verstößen.
Ein weiterer relevanter Punkt ist Jolowicz zufolge die hohe Marktkonzentration der Schokoladenfirmen und Weiterverarbeiter: Nur zwei Schokoladen-Weiterverarbeiter, nämlich Barry Callebaut aus der Schweiz und Cargill mit Hauptsitz in den USA, stellen insgesamt 70 bis 80 Prozent der weltweit produzierten Industrieschokolade her. Acht Händler und Vermahler von Kakao kontrollieren etwa 75 Prozent des Welthandels mit Kakao. Die Marktmacht der sechs größten Schokoladenfirmen, darunter bekannte Marken wie Kraft und Cadbury’s, liegt bei etwa 40 Prozent. "Umgerechnet kann man sagen: an einer Tafel Schokolade haben die Kakao-Bauern lediglich einen Umsatzanteil von 6 Prozent", erklärt die Analystin.
Noch dazu sind Kakaoproduzenten mit Ernterückgängen und Qualitätsproblemen konfrontiert, wie der Sarasin-Bericht zeigt. Die meisten Anbaugebiete liegen zwischen 10 Grad nördlich bzw. südlich des Äquators und die Wachstumsbedingungen sind anspruchsvoll. Das Wetter, politische Instabilität in den Produktionsländern, Schädlinge und Krankheiten können einen großen Einfluss auf das Angebot haben. Statt einen angemessenen Kakaopreis zu bezahlen, setzt die Schokoladenindustrie aber auf Produktivitätssteigerung: Nur wenn sie mehr Kakao ernten, können die Bauern ihr Einkommen erhöhen. Ein Teufelskreis, denn dafür sind erhebliche Investitionen nötig, weiß Evelyn Bahn, Koordinatorin der Initiative „Make Chocolate Fair!“: „Es müssen zum Beispiel Düngemittel, Pestizide und neue Setzlinge gekauft werden. Wenn Ernteerträge steigen, fällt zudem mehr Arbeit an. Die Bauern sind aber so arm, dass sie sich keine Erntehelfer leisten können – also müssen ihre Kinder einspringen“, sagte Bahn dem ForestFinance-Magazin.
Was tun die Schokoladenhersteller für mehr Nachhaltigkeit?
Unternehmen haben gute Gründe, auf nachhaltig produzierte Rohstoffe zurückzugreifen. Zuletzt musste der Süßwarenhersteller Ferrero einen PR-GAU erleben: Die britische Boulevardzeitung Sun hatte berichtet, dass für die Herstellung der beliebten Überraschungseier ("Kinder Überraschung") in Rumänien auf Kinderarbeit zurückgegriffen wird. Nicht nur leidet das Image unter solchen ökologischen und sozialen Verfehlungen, auch das Konsumverhalten der Kunden ändert sich: In vielen Märken achten die Endkonsumenten immer stärker darauf, ob die von ihnen gekauften Nahrungsmittel wirklich nachhaltig produziert wurden. Das wirkt sich direkt auf die Verkaufszahlen der betroffenen Produkte, den Gewinn und damit letztlich auf die Wertschöpfung für die Aktionäre aus. Auch können die Hersteller Kosten einsparen, wenn sie effizienter wirtschaften und etwa weniger Abfall produzieren und den Wasser- und Stromverbrauch reduzieren.
In den bisherigen Hauptanbauländern Ghana und in der Elfenbeinküste wird bis zum Jahr 2050 ein Temperaturanstieg von mindestens 2 Grad Celsius erwartet: Weil mehr Wasser durch Verdunstung an die Luft abgegeben wird, verringert sich der Ertrag der Bäume. Manche Hersteller reagieren darauf, indem sie den Anbau und die Produktion nach Lateinamerika und Asien verlagern, was dort potentiell neue Landnutzungskonflikte erzeugen kann. Allerdings bietet dieser Wandel auch die Chance, neue und grundsätzlich fairere Handelsbeziehungen aufzubauen. Zudem arbeiten in diesen Gebieten oft bereits zahlreiche Kaffeebauern. Die Ausweitung ihrer Erzeugungstätigkeit hin zu mehreren Fruchtkulturen würde sie zudem weniger anfällig bei Preisschwankungen machen.
"Darüber hinaus gibt es Ideen, an Bauern sogenannte Carbon Credits zu vergeben, wenn sie Anbaumethoden übernehmen, die zur Beschränkung des Klimawandels beitragen", erklärt oekom-Analystin Jolowicz. Jedoch sei unklar, ob hierfür Marktinteresse seitens der Unternehmen bestehe: "Sie sind in der Regel sehr weit von den einzelnen Bauern und ihren Lebens- und Arbeitsumständen entfernt und mit ihnen meist nur über Zwischenhändler und Zulieferer verbunden."
Die Alfred Ritter GmbH: Quadratisch, praktisch, nachhaltig?
Anders ist das bei der Alfred Ritter GmbH & Co. KG. mit Sitz in Waldenbuch, besser bekannt unter dem Markennamen und der quadratischen Schokolade "Ritter Sport". Das mittelständische Unternehmen gilt als Vorreiter in Sachen nachhaltig produzierter Schokolade. Allerdings können Anleger nicht in den Schokoladenhersteller investieren, weil er sich komplett im Besitz der Familie Ritter befindet. Diese legt großen Wert auf Nachhaltigkeit, und das hat seinen Grund: "Das Unglück von Tschernobyl im Jahr 1986 hat mir persönlich einen wichtigen zusätzlichen Denkanstoß gegeben. Damals konnten wir keine unverstrahlten Haselnüsse kaufen. Da habe ich gedacht: Das kann man unter gesundheitlichen und wirtschaftlichen Aspekten nicht so weiter laufen lassen", wird Unternehmenschef Alfred Ritter im Nachhaltigkeitsbericht 2014 des Unternehmens zitiert. Im Nachhaltigkeitsfahrplan sind zum Beispiel die CO2-neutrale Produktion und nachhaltige Rohstoffe als Ziele verankert: Auch die sozialen Bedingungen in der gesamten Produktionskette sollen ständig verbessert werden.

Konkret werden Ritters Pläne beim Kakao: Der Ankauf von Land und der Einstieg in den Anbau seien für ein mittelständisches Unternehmen der effektivste Weg, maximalen Einfluss auf Bedingungen im Kakaoanbau zu nehmen. 2012 hat Ritter deshalb im Osten Nicaraguas 2.500 Hektar Land erworben. Mit der Agroforst-Plantage "El Cacao" will das Unternehmen nun selbst nachhaltigen Kakao anbauen – unter Standards, die eine Zertifizierung nach UTZ oder Rainforest Alliance ermöglichen. "Im kommenden Jahr rechnen wir mit der ersten kleinen (Teil-)Ernte", teilte Ritter-Sprecherin Petra Fix ECOreporter mit. Das Projekt hat nicht nur Fans: Jan Urhahn von der gemeinnützigen Organisation Inkota sieht den Landkauf kritisch: "Gerade für Menschen in ländlichen Regionen der Länder des Südens ist der Zugang zu Land und anderen natürlichen Ressourcen existenziell. Aus diesem Grund sind Landverkäufe in solchen Dimensionen, wie der im Fall Ritter, immer kritisch zu sehen", sagt Urhahn dem Onlineportal Biomarkt-Info.
Bildhinweis: Nuss-Schokolade von Ritter Sport sorgt für ein Umdenken im Konzern, weil nach der Tschernobyl-Katastrophe keine unverstrahlten Haselnüsse mehr erhältlich waren. / Foto: Pixabay
Ritter kauft aber nicht nur Land, sondern setzt auch auf Kooperativen: 1990 gründete das Unternehmen zudem das Projekt "Cacaonica" in Nicaragua: 2014 arbeitete Ritter Sport in Nicaragua mit gut 3.500 Kakaobauern in rund 20 Kooperativen zusammen. Je nach Ernteertrag kommen damit 600 bis 1.000 Tonnen Kakaobohnen pro Jahr zusammen. Von 12.000 Tonnen benötigter Kakaomasse pro Jahr sollen bis 2023 rund 5.000 Tonnen mit nachhaltig hergestelltem Kakao von Kakaobauern aus Nicaragua und der eigenen Plantage gedeckt werden. „In der Umsetzung, nur noch nachhaltig erzeugten Kakao zu verwenden, kommen wir gut voran“, so Sprecherin Fix. Nach heutigem Stand sollte das Unternehmen das Ziel bis ca. 2020 erreichen.
Ritter gehört übrigens nicht zu den Schokoladenherstellern, die das Harkin-Engel-Protokoll gegen Kinderarbeit unterzeichnet haben: "Dies hat aber nichts mit den verfolgten Ziel zu tun", so Fix, sondern vielmehr mit der geringen Wahrnehmung von Ritter in Amerika. Man sei als Unternehmen auf diesem Markt lediglich als kleine europäische Marke präsent. Zwischenzeitlich aber hätten sich auch in Deutschland weitere Initiativen wie das Forum nachhaltiger Kakao gebildet, in dem Ritter aktiv ist. Das Forum richtet sich vor allem an deutsche Kakaoverarbeiter, Händler sowie an die Regierungen Deutschlands und der Elfenbeinküste und will die Bedingungen im Kakaoanbau an der Elfenbeinküste verbessern.
Anleger sollten Hersteller und Abnehmer von Schokoladen-Rohstoffen kritisch hinterfragen
Aber wie ist es um die Nachhaltigkeit anderer Schokoladen-Konzerne bestellt? Wer zählt zu den Besten bzw. den Schlechtesten? "Die Frage nach Gut oder Schlecht lässt sich gar nicht eindeutig beantworten", sagte Analystin Silke Jolowicz von der unabhängigen Rating-Agentur oecom research gegenüber ECOreporter. Zum Beispiel habe oekom research bei Nestlé Verstöße wegen Kinderarbeit in der Kakao-Zulieferkette festgestellt: "Das Unternehmen hat diese aber selbst transparent gemacht und Maßnahmen ergriffen, um die Problematik anzugehen", so die Expertin. Praktisch alle großen Unternehmen haben sich zudem verpflichtet, den Anteil an zertifiziertem Kakao deutlich zu erhöhen.
Aufgrund des niedrigen landwirtschaftlichen Entwicklungsgrads in den meisten afrikanischen Ländern seien Produzenten von Rohstoffen wie Kakao besonders anfällig für Kinderarbeit, weshalb alle Nutzer von sämtlichen Rohstoffen kritisch hinterfragt werden sollten, sagte Roman Limacher, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Hauck & Aufhäuser (Schweiz) AG. Zentral seien für Produktionsstandorte von Kakao gute Bedingungen für Farmer und Arbeiter, und für Kinder insbesondere Bildungs- und Freizeit-Angebote.
Wie können Anleger in nachhaltige Schokolade investieren? Diese Frage beantworten wir im kommenden Teil der ECOreporter "Schokoladen-Serie".
Noch mehr Informationen über nachhaltiges Investment und dessen Wirkung finden Sie auch in unserem "Gut erklärt: Nachhaltig anlegen". (Link entfernt)