Fonds / ETF

Welche nachhaltigen Aktienindices jetzt ein Problem mit der Volkswagen-Aktie haben - und wie unterschiedliche Nachhaltigkeitsratingagenturen Volkswagen bewerten

Bei Volkswagen hat der aufgedeckte Betrug schnell zu Konsequenzen geführt. Der Konzernchef und einige Top-Manager müssen gehen. Doch wie reagiert das nachhaltige Investment darauf, dass der Autobauer im großen Stil Abgaswerte seiner Fahrzeuge systematisch mit Software manipuliert hat? Die Aktie von Volkswagen ist in etlichen großen Nachhaltigkeitsindices gelistet, an denen sich nachhaltige Fonds orientieren. ECOreporter.de hat nachgefragt.

Es sind vor allem die großen und bekannten Nachhaltigkeitsindices, in denen Volkswagen enthalten ist. Zum Beispiel die Indexfamilien des FTSE4GOOD vom Londoner Anbieter FTSE und des DJSI World, den Dow Jones betreut. Bei beiden folgt die Auswahl der Aktien dem so genannten Best-in-class-Ansatz. In Frage kommen also Unternehmen aus jeder Branche, doch muss es sich um die Nachhaltigkeitsbesten aus jedem Sektor handeln (mehr über dieses Nachhaltigkeitsansatz erfahren Sie auf unserer  Sonderseite (Link entfernt)). Für den Dow Jones Sustainability Index (DJSI) World und dessen regionale Tochterindices führt RobecoSAM aus Zürich die Nachhaltigkeitsbewertungen durch. Erst vor kurzem wurde die Zusammensetzung des DJSI World aktualisiert (wir  berichteten). RobecoSAM hatte nicht nur die Nachhaltigkeit von Volkswagen positiv bewertet, weshalb die Aktie im Weltindex und im Europaindex gelistet ist. RobecoSAM hat den Konzern aus Wolfsburg sogar als weltweiten Nachhaltigkeitsführer in der Branche der Autobauer gekürt, also besonders gelobt. Etliche nachhaltige Fonds und Großinvestoren orientieren sich am DJSI World und seinen Tochter-Indices.

Unternehmenssprecher François Vetri sagte auf Nachfrage von ECOreporter.de zu dem Betrugsskandal: „RobecoSAM ist sich der Situation bei der Volkswagen AG (VW) bewusst und nimmt die jüngsten Vorwürfe gegen das Unternehmen im Zusammenhang mit absichtlichen Manipulationen von Abgastests bei Dieselfahrzeugen in den USA seit 2009 sehr ernst. RobecoSAM verfolgt die Entwicklungen in diesem Fall sehr genau und hat bereits Kontakt zur Volkswagen AG aufgenommen, um bessere Einblicke in diesen Fall zu erhalten.“

Wie Vetri weiter erläuterte, wurde gegen Volkswagen jetzt „ein MSA-Verfahren eingeleitet“. MSA steht für Media & Stakeholder Analysis. Laut dem Unternehmenssprecher wird damit untersucht, wie gut ein Unternehmen mit einer solchen Krisensituation umgeht. Es würden hierbei Informationen von Verbraucherorganisationen oder Nichtregierungsorganisationen analysiert. Die Ergebnisse der Untersuchung seien wesentlicher Bestandteil der Gesamtbewertung der Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens. RobecoSAM werde bei der Einschätzung aber zugleich die bisherige Nachhaltigkeitsbilanz von Volkswagen berücksichtigen.

„Unentschuldbar und eine große Enttäuschung“

Auch oekom research, eine auf Nachhaltigkeitsratings spezialisierte Agentur aus München, verfolgt das Best-in-class-Prinzip. Die Agentur hat ebenfalls in diesem Jahr die Aktie von Volkswagen als besonders nachhaltig eingestuft, sogar als einen der drei nachhaltigsten Autobauer. In der Auswertung mit dem Titel 'Corporate Responsibility Review 2015' von oekom research erhielten die Wolfsburger den so genannten „Prime Status“. Damit hat die Nachhaltigkeitsratingagentur die Aktie für nachhaltige Investoren als investierbar eingestuft. Auch den Einschätzungen von oekom research folgen viele nachhaltige Fonds und Großinvestoren.

Dieter Niewierra, Unternehmenssprecher der oekom research AG bezeichnete gegenüber ECOreporter.de den Vorfall der Manipulation der Abgasmessung durch Volkswagen als "unentschuldbar und eine große Enttäuschung für Anleger und Verbraucher, die Volkswagen bislang als Hersteller mit hohem Umweltbewusstsein verstanden hatten.“ Niewierra stellte jedoch klar, dass oekom research den Autobauer insgesamt noch immer vergleichsweise positiv einschätzt: „Das oekom Corporate Rating von Volkswagen verschlechtert sich leicht, insgesamt aber behält das Unternehmen seinen Prime Status. Im Detail erhält Volkswagen einen Verstoß gegen das Ausschlusskriterium ‚kontroverse Wirtschaftspraktiken / Sonstiges‘. Es kommt zudem zu einer substantiellen Abwertung in den Bereichen ‚Customer and product responsibility‘ sowie ‚Business Ethics‘." Nach Einschätzung von oekom research sei der Konzern jedoch in anderen Bereichen wie etwa bei Produktionseffizienz oder Arbeitnehmerrechten weiter sehr gut. Deshalb würden sich die Abwertungen in den genannten Bereichen in der Gesamtbewertung nur bedingt bemerkbar machen, so der Unternehmenssprecher.

Niewierra räumte ein, dass die Vorkommnisse bei Volkswagen nachdenklich machen: „Wir können durch den Fall nochmal stärker sensibilisiert werden. Konkret wird oekom research die Entwicklung nicht nur bei Volkswagen, sondern auch bei anderen Automobilherstellern genau beobachten und seine Bewertung des Unternehmens gegebenenfalls weiter anpassen.“

Vigeo sah Volkswagen schon vorher kritisch

Die Nachhaltigkeitsratingagentur Vigeo mit Hauptsitz in Paris analysiert Konzerne für die Euronext Vigeo Indices. Diese Nachhaltigkeitsindices enthalten Unternehmen, die Vigeo als Nachhaltigkeitsführer ihrer Branche einschätzt. Volkswagen gehörte zuletzt nicht zu den Nachhaltigkeitsbesten und wurde jetzt von Vigeo noch weiter herabgestuft. Das teilte Fouad Benseddik für Vigeo mit. Ihm zufolge war der Konzern in der letzten Halbjahresanalyse der Nachhaltigkeitsratingagentur mit einem Durchschnittswert von 48 der 100 möglichen Punkte bewertet worden. Volkswagen habe damit deutlich hinter Konkurrenten wie dem Nachhaltigkeitsbesten der Branche rangiert, PSA  Peugeot Citroen mit durchschnittlich 60 Punkten in den einzelnen Bewertungskategorien. Aufgrund der nun bekannt gewordenen Vorfälle habe man die Einschätzung von Volkswagen überarbeitet. Die Deutschen erreichen demnach in der Bewertungskategorie ‚Umwelt‘ nur noch 5 von 100 möglichen Punkten. In Kategorien wie Fairness gegenüber Kunden‘ oder ‚gesellschaftliche Verantwortung‘ sank die Bewertung gar auf null Punkte ab. Positiv bewertet Vigeo bei Volkswagen laut Benseddik weiterhin den Umgang mit Mitarbeitern und die Leistungen im Bereich Menschenrechte.
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