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Vorstandschef von Q-Cells wirft das Handtuch - Experte nennt Rücktritt überfällig

Das ist ein Paukenschlag! In seiner heutigen Sitzung hat der Aufsichtsrat der Q-Cells SE den Rücktritt des bisherigen Vorstandsvorsitzenden Anton Milner entgegengenommen. Wie das Unternehmen mitteilt, wird Milner "mit sofortiger Wirkung aus dem Vorstand ausscheiden". Er stehe dem Solarkonzern "aber weiterhin als Berater zur Verfügung". Der Aufsichtsrat dankte Milner "ausdrücklich für die hervorragende Arbeit der letzten Jahre".

Der Finanzvorstand von Q-Cells, Nedim Cen,wurde zum Vorstandsvorsitzenden ernannt. Er soll nun beide Ämter in Personalunion führen. Der Geschäftsführer beim Restrukturierungsberater Alvarez&Marsal (A&M) hatte den CFO-Posten bei der Q-Cells SE im Juni 2009 übernommen - "übergangsweise", wie es damals hieß. Damals hatte Finanzvorstand Dr. Hartmut Schüning unmittelbar nach der Hauptversammlung um die vorzeitige Auflösung seines Vertrages gebeten.

Cen soll nun solange im Amt bleiben, "bis die  Basis für die Neuausrichtung geschaffen ist", wie der Solarkonzern mitteilte. Gleichzeitig sei seine Firma A&M dazu mandatiert worden, Cen bei der operativen Führung des Restrukturierungsprogramms Q-Cells Reloaded zu unterstützen. In seiner Funktion als CFO werde Nedim Cen durch Carsten Simon entlastet, seit dem 1. Januar 2010 Leiter des Finanzbereichs. Die Umsetzung aller Maßnahmen werde voraussichtlich bis zum Jahresende 2010 dauern.

Weiter gab Q-Cells bekannt, dass der turnusgemäß zur Erneuerung anstehende Vertrag von Gerhard Rauter, im Vorstand für Produktion und Technologie verantwortlich, um weitere drei Jahre verlängert wurde.

Wir sprachen mit Philipp Spitz, Geschäftsführer von Murphy&Spitz aus Bonn, über den Fürhungswechsel bei Q-Cells. Sein Unternehmen ist seit 1999 im Bereich nachhaltigen Investments tätig und betreut unter anderem die Umwelt Aktiendepots und die Murphy&Spitz Umweltfonds. Laut Spitz ist der Rücktritt von Milner angesichts der Ergebnisse von Q-Cells im vergangenen Jahr "keine Überraschung". Er komme nur viel zu spät. Im Februar hatte Q-Cells vorläufigen Zahlen für 2009 veröffentlicht. Beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) wurde ein Fehlbetrag in Höhe von 481 Millionen Euro ausgewiesen. Der Nettoverlust betrug fast 1,4 Milliarden Euro. Darin enthalten sind Buchverluste und Abschreibungen auf Beteiligungen in Höhe von rund 952 Millionen Euro (wir Opens external link in new windowberichteten).

Spitz verwies gegenüber ECOreporter.de darauf, dass der Solarkonzern etliche Fehlinvestitionen getätigt habe, die zu den hohen Abschreibungen geführt hätten. "Mehrere Technologietöchter haben den Break-even nicht geschafft", stellte er fest. Milner habe als Vorstandschef dafür die Verantwortung, Konsequenzen daraus zu ziehen sei daher nur zwangsläufig. Spitz führte aus, dass es bei Milner bis zu dieser Einsicht wohl sehr lange gebraucht habe. Noch vor wenigen Monaten sei er auf einer Konferenz dadurch aufgefallen, die Schuld an den Problemen von Q-Cells bei anderen zu suchen, "anstatt sich an die eigene Nase zu fassen".


Ben Lynch, Analyst bei Bryan, Garnier & Co. aus London vermutet den Aufsichtsrat als treibende Kraft hinter dem Abschied von Milner. Der Investor Good Energies verfüge nicht nur über 44 Prozentder Anteile an Q-Cells, sondern besetze auch drei der acht Posten im Aufsichtsrat. Dieser Einfluss habe im Sommer letzten Jahres auch zum Ausscheiden des früheren Finanzvorstands geführt.


In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz erklärte der neue Vorstandschef Cen den Rücktritt seines Vorgängers als Reaktion auf den "Vertrauensverlust im Kapitalmarkt". Milner habe hier dem Unternehmen den Weg für einen Neuanfang frei machen wollen. Es habe keinen Konflikt über die zukünftige Strategie gegeben. Wie Cen weiter mitteilte, wurde sein bis Mitte 2010 befristetes Mandat zunächst bis zum Jahresende verlängert. Er betrachte es als seine Aufgabe, die eingeleitete Restrukturierung von Q-Cells voranzutreiben. Dabei machte er klar, dass es hierbei nicht nur um die eine oder andere Umstrukturierung gehe, sondern um eine Neuausrichtung des Unternehmens. Neue Technlogien, die noch keine Marktreife erlangt hätten, gehören ihm zufolge fortan nicht mehr zum Kerngeschäft von Q-Cells.

Der neue Vorstandschef des TecDax-Unternehmens betonte, dass die Finanzierung für das laufende Geschäftsjahr gesichert sei. Er deutete auch bereits erste Akzentverschiebungen an. So will er im Projektgeschäft weniger stark auf große Solareparks setzen. Projekt um 50 Megawatt (MW) oder gar mehr seien zwar sehr attraktiv, so Cen. Sie seien aber auch mit höheren Risiken behaftet und schwerer zu finanzieren als kleinere Solarprojekte. Daher soll ihm zufolge der Anteil kleinerer Solarparks am Projektgeschäft von Q-Cells größer ausfallen als bislang angekündigt. "Unser Geschäftsmodell wird auf Wachstum mit nachhaltigeren Erträgen und einer besseren Risikogewichtung ausgerichtet, indem wir das Wachstum von Großprojekten zugunsten eines Einstiegs in das Modul- und Kleinanlagengeschäft umschichten", so der neue Vorstandschef.


Q-Cells SE: WKN 555866 / ISIN DE0005558662


Bildhinweis: Philipp Spitz / Quelle: Murphy&Spitz
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