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„Um das große Windkraftpotenzial Nordeuropas ausnützen zu können, müssen die Netze weiter ausgebaut werden“ - Interview mit Thomas Kammann, Swiss Re
ECOreporter.de: Was ist das Kerngeschäft der Swiss Re und seit wann, wie und warum spielen Investments in Erneuerbare Energien dabei eine Rolle?
Thomas Kammann: Kerngeschäft der Swiss Re ist Rückversicherung und Versicherung und in diesem Zusammenhang verfügen wir über langjährige Erfahrung in der Beurteilung von Wetterrisiken, beispielsweise in der Versicherung von Hurrikan-Risiken. Die Finanzierung erneuerbarer Energien wie Windkraft- und Solaranlagen ist Wetterrisiken wie etwa der Verfügbarkeit von Wind und Sonnenstrahlung ausgesetzt. Daraus ergibt sich unser natürliches Interesse. Swiss Re selbst investiert nicht in diesem Bereich, sondern unterstützt Projektgesellschaften und Investoren, mit geeigneten Wetterabsicherungsprodukten tragfähige Finanzierungsmodelle aufzustellen. Beispielsweise muss die Rückzahlung von Krediten auch für den Fall gewährleistet sein, wenn einmal nicht ausreichend Wind oder Sonne für die Stromproduktion vorhanden ist.
ECOreporter.de: Aus welchen Bereichen der Erneuerbaren Energien kommen die meisten Anfragen an Sie, Sonne, Wind, Bioenergie oder Wasserkraft?
Thomas Kammann: Die meisten Anfragen zur Wetterabsicherung kommen momentan aus dem Bereich der Windenergieerzeugung. Die regionalen Schwerpunkte werden von unseren Kunden gesetzt und konzentrieren sich zurzeit hauptsächlich auf Europa, die USA und Australien. Generell ist bei Neuanlagen ein starker Trend zu Offshore-Anlagen festzustellen. Es gibt auch Anfragen für bestehende Standorte, oft handelt es sich hierbei entweder um die Absicherung der Finanzierung von Ersatzinvestitionen oder Standorten mit tendenziell nachlassender Windaktivität. Der Bereich Wasserkraft wäre für unsere Dienstleistungen grundsätzlich sehr interessant, allerdings handelt es sich bei vielen Anlagen um Pumpspeicherkraftwerke, die Volumenschwankungen beim benötigten Wasser sehr gut selber ausgleichen können. Im Bereich Solarkraft sehen wir noch sehr wenig Anfragen, dies dürfte auch mit der jeweiligen Größe und dem Standort der Projekte zu tun haben.
ECOreporter.de: Wie funktioniert die Bewertung einer Wetterstruktur? Nach welchen Kriterien wird der Wert ermittelt?
Thomas Kammann: Die Kunden kommen mit einer Absicherungsanfrage zu uns, diese ist manchmal sehr gut vorstrukturiert, in anderen Fällen bedarf es noch intensiverer Beratung. Zur Bewertung benötigen wir immer die genaue Lokation der Anlage, abzusichernde installierte Leistung und Laufzeit. Auf Basis der historischen Wetterdaten und unserer Einschätzung über die künftige Klima- und Wetterentwicklung berechnen wir dann die Prämie für eine potentielle Windabsicherung. Eine solche Bewertung kann bei komplexeren Fällen schon mal einige Wochen dauern. Anschließend überprüft der Kunde dann zusammen mit dem Kreditgeber, ob diese Prämie in das Finanzierungskonzept passt.
ECOreporter.de: Wo liegen die größten Hemmnisse und Herausforderungen bei der Finanzierung und Projektierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben?
Thomas Kammann: Eine der größten Herausforderungen ist der relativ lange Refinanzierungszeitraum, gepaart mit der Unvorhersehbarkeit des Wetters. Dies führt dazu, dass Banken Kredite häufig nur auf Basis sehr konservativer Erzeugungsannahmen vergeben und ein wesentlicher Anteil der Investition durch signifikant teureres Eigenkapital getragen werden muss. Hier kommt der Einsatz von Wetterabsicherungen zum Zug. Dieser macht dann Sinn, wenn die Prämie für die Absicherung geringer ist als die Differenz von Eigenkapital- und Fremdkapitalzinsen. Eine weitere Herausforderung ist das technisch bedingte operative Ausfallrisiko einer Anlage. Wir bieten für diese Probleme im thermischen Bereich Lösungen an, bei Erneuebare-Energie-Anlagen haben wir das aber zumindest noch nicht gemacht.
ECOreporter.de: Grade in Deutschland ist der Atomausstieg wieder ein großes Thema. Bis wann und zu welchem Preis ist die Energiewende realistisch?
Thomas Kammann: Das hängt zum einen davon ab, wie man den Begriff Atomausstieg genau definiert. Eine komplette Abschaltung aller Atomkraftwerke in Deutschland bedeutet ja nicht, dass es in Deutschland keinen Atomstrom mehr gäbe, er könnte ja auch einfach von Nachbarländern importiert werden. Des Weiteren muss man sich überlegen, ob ein Teil der wegfallenden Erzeugung zum Beispiel durch neue thermische Kraftwerke kompensiert werden könnte- letzteres wäre jedoch vor dem Hintergrund der vermehrten CO2-Produktion auch nicht optimal. Vor der Krise in Japan habe ich mich mit den Erneuerbaren Energien nahestehenden Vertretern der Deutschen Energieindustrie unterhalten und Ihre Einschätzung für den Zeitpunkt eines tatsächlichen Komplettausstiegs lag eher bei 2050, das könnte sich heute aber eventuell anders darstellen. Der Preis wäre zu Beginn sicherlich signifikant höher, da sich beispielsweise größere Windkraftanlagen nur noch offshore realisieren lassen und man vor einer Komplettumstellung noch einige Innovationen im Stromspeicherbereich braucht. Es gibt aber auch im Nachfragebereich noch einiges Einsparpotential, zum Beispiel durch die verstärkte Nutzung von Smart Metering Systemen.
ECOreporter.de: Wie beurteilen Sie die aktuelle Marktlage für Erneuerbare Energien und was hat sie aktuell am stärksten beeinflusst?
Thomas Kammann: Sollten sich nach den Ereignissen in Japan ein nachhaltiger und international breit abgestützter Konsens über den mittel- bis langfristigen Ausstieg aus der nuklearen Stromerzeugung bilden, wird es zu einem Energiemix aus Kohle-, Gas- und Erneuerbare-Energie-Kraftwerken kommen. Abhängig davon, wie dann die politischen Vorgaben für den Emissionszertifikate-Markt aussehen, könnte das zu einer sehr positiven Entwicklung des Marktes für Erneuerbare Energien führen.
ECOreporter.de: In welchen Bereichen der Erneuerbaren Energien sehen Sie warum das größte Zukunftspotenzial? Was wird die zukünftige Entwicklung maßgeblich beeinflussen?
Thomas Kammann: Rein von der Verfügbarkeit sehe ich in Mittel-und Nordeuropa das größte Potential für Wasser- und vor allem Windkraftanlagen. Aufgrund der großen Lastschwankungen und damit verbundenen Belastungen der Leitungsnetze müssen aber vorher die Transportkapazitäten entsprechend ausgebaut werden. Für Südeuropa kann ich mir noch ein großes Potential für die Solarkrafterzeugung vorstellen, vor allem mit großflächigen Installationen im angrenzenden nordafrikanischen Raum. Diese Art von Projekten wird vermutlich vor allem von der politischen Stabilität in den entsprechenden Regionen beeinflusst.
ECOreporter: Herzlichen Dank für das Gespräch!