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Trotz Schattenseiten große Position in Nachhaltigkeitsfonds: Die Nestlé-Aktie

Bedenkliche Werbung für Babynahrung brachte dem Nahrungsmittelriesen Nestlé jetzt einen Schmähpreis der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch ein. Zudem droht der US-Sparte von Nestlé eine Klage, weil es 2009 auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste zu Zwangsarbeit gekommen sein soll. Das sind nur die jüngsten Kratzer im „grünen“ Image der Schweizer – doch offenbar kein Grund für Nachhaltigkeitsfonds, auf die Aktien des Unternehmens zu verzichten.


Nestle tut viel für sein Image als ethischer und ökologischer Vorreiter in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Davon zeugen unter anderem regelmäßige Nachhaltigkeitsberichte, die das Engagement dokumentieren und so dazu beigetragen haben, dass die Nestlé-Aktie inzwischen in vielen Nachhaltigkeitsfonds vertreten ist. Doch Nestlé zeigt auch immer wieder seine Schattenseiten.

Das jüngste Beispiel ist der Goldene Windbeutel 2014. Diesen Schmähpreis der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch erhielt Nestle für die Werbung, die der Konzern für seine „Alete Trinkmahlzeiten ab dem 10. Monat“ macht. Vergeben wird der Goldene Windbeutel per Online-Voting. Nestlé gewann mit weitem Abstand vor Unilever, Coca Cola, Mondelez und Coop. Foodwatch prangert die Werbung für die Alete-Babynahrung als „dreisteste Werbelüge des Jahres“ an. Der Vorwurf: Nestlé verleihe dem Produkt mit Aussagen wie „reich an Calcium und Vitamin D für gesundes Knochenwachstum“ einen gesunden Anstrich, obwohl Kinderärzte schon seit Jahren vor Gesundheitsrisiken warnten.

Nach Ansicht von Foodwatch sind die Alete-Trinkmahlzeiten keine Vollwertnahrung für Säuglinge, sondern fördern Karies und Überfütterung. Foodwatch zufolge hatte die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) Trinkbreie wie den von Nestlé mit diesen Argumenten bereits 2007 als „unverantwortlich“ bezeichnet und einen Vermarktungsstopp gefordert. Nestlé verweist seinerseits darauf, dass man 2007 auf die Kritik reagiert und die Kennzeichnung der Babynahrung angepasst habe. Die Kritik sei „nicht nachvollziehbar“. Die  Alete Mahlzeiten zum Trinken entsprächen zu 100 Prozent den gesetzlichen Vorgaben für Babyprodukte. „Bereits vor Jahren wurde das Produkt umfassend überarbeitet. Die Änderungen wurden von der deutschen Gesellschaft der Kinder- und Jugendmediziner begrüßt“, stellt Nestlé dazu fest. Die Verbraucherschützer fordern, dass der Brei vom Markt genommen wird. Allerdings wird sich Nestlé wohl nicht mehr allzu lange mit derartiger Kritik an diesen Babyprodukten auseinandersetzen müssen. Die Schweizer verkauften die Sparte Säuglingsnahrung (konkret die beiden Marken Alete und Milsan) an die Kapitalbeteiligungsgesellschaft BWK GmbH mit Sitz in Stuttgart und den privaten Investor Horst Jostock. Das Geschäft soll nach Angaben der BWK GmbH zum Jahreswechsel vollzogen werden.

Rechtsstreit wegen mutmaßlicher Kinderzwangsarbeit bei einem Rohstofflieferanten

Gegen das, was auf die US-Sparte von Nestlé im Verbund anderen Lebensmittelkonzernen mit anderen  zukommen könnte, erscheint der Goldene Windbeutel ohnehin eher marginal: Ein US-Gericht in San Francisco sprach ehemaligen Arbeitern einer Kakaoplantage in der Elfenbeinküste Anfang September 2014 das Recht zu, den Konzern zu verklagen. Das zeigt die Datenbank der RepRisk AG aus Zürich. Dieser Informationsdienstleister ist auf die Analyse von Reputationsrisiken spezialisiert. Die weltweit angelegte RepRisk-Datenbank fasst kritische Unternehmensberichterstattung von Medien, Nichtregierungsorganisationen sowie Behörden und Verbänden  zusammen. Daraus erstellt ein Analysten-Team einen Index – den RepRisk-Index RRI. Stand Ende September 2014 wird Nestlé dort mit 52 Punkten geführt. Damit fällt das Unternehmen in die zweithöchste von vier Risikoklassen („erhöhtes Reputationsrisiko“) des RepRisk-Index. Nur Unternehmen, die zwischen 75 und 100 Punkten erreichen, liegen höher. Das mit 82 Punkten im RepRisk-Index aktuell schmutzigste Unternehmen kommt ebenfalls aus der Lebensmittelbranche. Es ist die Chang Guann Co Ltd. aus Taiwan. Der Konzern steht in seiner Heimat im Mittelpunkt eines Lebensmittelskandals, der im September 2014 publik wurde. Chang Guann Co Ltd soll Speiseöl und Schmalz mit Recycling-Öl aus der Industrie, anderen Industrieabfällen und auch Tiernahrung gestreckt haben.

Der Rechtsstreit der ehemaligen Kakao-Plantagenarbeiter gegen die US-Sparte von Nestlé geht zurück ins Jahr 2009 und die betroffenen Arbeiter werden seither von der Menschenrechtsgruppe „Global Exchange“ unterstützt. Die Betroffenen sollen auf der Plantage im Kindesalter zu täglich zu 14-stündigen Arbeitseinsetzen gezwungen worden sein. Dabei werfen sie Nestlé vor, von den Verhältnissen auf der Plantage gewusst zu haben und sie ignoriert zu haben, um so Kosten zu sparen und den Profit zu steigern. Eine aktuelle Studie der Bank J. Safra Sarasin wirft ohnehin kein gutes Licht auf die Kakao-Zulieferer von Nestlé, Unilever und Co. Demnach ist Kinderarbeit auf den Kakaoplantagen wichtiger Produzenten-Länder wie der Elfenbeinküste bis heute „weit verbreitet“. Zudem attestiert die Studie der gesamten Branche in Sachen „nachhaltige Rohstoffbeschaffung“ ein mäßiges Zeugnis. Und Nestlé selbst sticht in der J.Safra-Sarasin-Sustainabillity-Matrix im Vergleich zu anderen nicht als besonders positiv heraus.

Kritik wegen „exzessivem Wasserverbrauch“ in den USA

Nestlé ist nach eigenen Angaben der weltgrößte Anbieter von in Flaschen abgefülltem Trinkwasser. Dies bringt seit langem Umwelt- und Verbraucherschützer als Kritiker auf den Plan. Zum einen, weil sich der Konzern vielerorts Wasserrechte gesichert hat. Zum anderen gab es Klagen von Anwohnern gegen die Abfüllwerke von Nestlé, weil der Grundwasserspiegel in deren Umgebung gesunken ist. Nach Angaben der US-Nichtregierungsorganisation „Stop Nestlé Waters“ von September 2014 soll es an 50 Standorten in den USA Indizien dafür geben, dass die Abfüllstationen Mensch und Umwelt schaden, weil sie Dürreperioden befördern. Dies sei auf den „exzessiven Verbrauch“ des Konzerns zurückzuführen. So entnehme Nestlé allein aus dem Arkansas River jährlich 246 Millionen Liter (65 Millionen Gallonen) Wasser, um es in Flaschen abzufüllen. Dies betreffe damit die Bundesstaaten Colorado, Kansas, Oklahoma und Arkansas.

Nachhaltigkeitsfonds setzen dennoch stark auf Nestlé

Für zahlreiche  Aktienfonds, deren Management soziale, ethische  und ökologische Kriterien berücksichtigen, ist die Nestlé-Aktie dennoch ein wichtiger Bestandteil im Anlageportfolio. Nach den jüngsten verfügbaren Informationen gilt dies zum Beispiel für den weltweit investierenden Aktienfonds Deka-Nachhaltigkeit Aktien CF. Laut der Fondsinformation für September 2014 (Stichtag 31.8.) zählte die Nestlé-Aktie hier mit 1,2 Prozent Anteil am Gesamtportfolio zu den zehn größten Positionen. Im Portfolio des KCD-Union Nachhaltig AKTIEN war die Nestlé-Aktie zum gleichen Zeitpunkt mit 2,7 Prozent auf Position fünf der zehn wichtigsten Aktienpositionen vertreten.  Für die Analysten von RobecoSAM aus der Schweiz, die auch für den Dow Jones Sustainabillity Index verantwortlich sind, ist Nestlé in Sachen Nachhaltigkeit sogar ein Vorreiterunternehmen. Im Portfolio des RobecoSAM Sustainable European Equities Fund D war Nestlé-Aktie die größte Position vor dem Pharmariesen Roché.

Umweltsünden wie Erdölförderung und Bergbau kein Tabu für Nachhaltigkeitsfonds

Für viele Fonds, die auf Nestlé-Aktien setzen sind ethisch und ökologisch fragwürdige Branchen kein Tabu. Zu finden sind beispielsweise Öl- und Bergbauaktien. Das gilt etwa für die Fonds RobecoSAM Sustainable European Equities Fund D und Meag Nachhaltigkeit. Neben Nestlé sind hier unter anderen Aktien des französischen Ölkonzerns Total stark vertreten. Während der RobecoSAM Sustainable European Equities Fund D laut  Fondsinformation unter den zehn größten Positionen auch BP führt, finden sich im Portfolio des Meag Nachhaltigkeit Aktien des Bergbauriesen BHP Billiton.

Die Aktien der Bergbaukonzerne BHP Billiton  Rio Tinto spielten im September 2014 auch im Portfolio des Fonds Allianz Global Sustainabillity A  eine größere Rolle. Während auf die Nestlé-Aktie  knapp vier Prozent des Gesamtportfolios entfielen, machten die Anteilsscheine BHP Billiton und Rio Tinto in diesem Fonds je rund 2,2 Prozent aus.  Im Portfolio des Candriam Sustainable Europe war die Nestlé-Aktie mit knapp 5,9 Prozent sogar die größte Position im Portfolio. Der Fonds setzte außerdem stark auf Aktien des italienischen Ölkonzerns ENI S.P.A.

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