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„Solaraktien werden wieder zunehmend interessant.“ – ECOreporter.de-Interview mit Hilmar Platz, Kayenburg AG
ECOreporter.de: Herr Platz, im letzten Jahr haben sich viele Anleger an Solaraktien die Finger verbrannt. Waren die Papiere zu hoch bewertet?
Hilmar Platz: Aus fundamentaler Sicht lässt sich rückblickend sagen, dass eine fundamentale Überbewertung vorlag. Allerdings bewegten sich insbesondere Solaraktien in 2008 aus fundamentaler Sicht in einem außergewöhnlichen Boomjahr. Etwa in Spanien; dieser Markt absorbierte gewaltige Mengen an Modulen und war in mehrerlei Hinsicht verantwortlich für den Segment-Boom und den daraus resultierenden Umsatz- und Ertragsschub zahlreicher Unternehmen. In der zweiten Jahreshälfte machten sich Bremsspuren in verschärfter Form bemerkbar. Faktisch bewertet die Börse die Zukunft von Unternehmen. Ein Teil der negativen Kursentwicklung ist auf die negative kurzfristige Zukunftseinschätzung zurückzuführen. Ein anderer Teil ist die Schwierigkeit für die Marktteilnehmer, die Perspektiven von Unternehmen nach der Beinahekernschmelze des weltweiten Finanzsystems einzuschätzen. Diese Verunsicherung dauert an, hat allerdings nichts mit der Solarindustrie zu tun, sondern ist übergeordneter Natur.
ECOreporter.de: Kann es für Solaraktien nicht noch schlimmer kommen oder droht nicht zumindest eine längere Stagnation? Schließlich haben Finanzinvestoren in den letzten Jahren stark zu dem Wachstum der Photovoltaik beigetragen und müssen sich nun aufgrund der anhaltenden Finanzkrise zurückhalten bzw. wurden vom Markt gefegt.
Platz: Gegenwärtig trifft die Refinanzierungsproblematik die Solarunternehmen ebenso wie die Unternehmen anderer Industrien. Die Auswirkungen der Finanzkrise, die mittlerweile zu einer Wirtschaftskrise mutiert ist, sind unverkennbar. Sie ist auch in der Solarbranche angekommen. Das zeigt die Liste der europäischen Unternehmen, die erste Anpassungen an das Nachfrageniveau vornehmen - z.B. Kurzarbeit, Reduktion des Leiharbeiterbestands -, so etwa Meyer Burger AG (CH), 3 S Swiss Solar Systems AG (CH), aber auch Spitzenunternehmen wie Q-Cells und natürlich auch die chinesischen Solarunternehmen, deren Produktion in den unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen stark zurückgefahren wurde. Interessant ist doch, dass der Margendruck, dem bisher die Solarprojektierungsgesellschaften ausgesetzt waren in Form hoher Modulpreise beim Einkauf, durch eine vorherrschende Modulknappheit bedingt war (Auswirkungen des Spanienbooms). Nun beobachten wir Angebotsüberhänge. Der Margendruck ist in den vorgelagerten Abschnitten der solaren Wertschöpfungskette angekommen. Hier gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Auswirkungen des Finanzbooms der Jahre 2007 und teilweise 2008, der zu Mammutinvestitionen in Solarwafer-, Solarzellen- und Solarmodulkapazitäten führte.
Zusammenfassend sind wir der Ansicht, dass der Marktbereinigungsprozess bereits läuft. Merger oder auch strategische Kooperationen sind die ersten Antworten darauf. Erste Unternehmen verlassen den Markt oder nehmen Repositionierungen vor, darunter auch der große Erneuerbare Energienkonzern Gamesa, der aus dem Solargeschäft aussteigt und sich komplett auf die Windenergietechnologie konzentrieren will. In Summe rechnen wir erst ab Mitte 2010 mit einer nachhaltigen Belebung der Konjunktur.
ECOreporter.de: Täuscht der Eindruck, dass diese Investoren noch keinen allzu tiefen Einblick in den Photovoltaik-Sektor haben und eher kurzfristig agieren?
Platz: Hier sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Viele Investoren verfügen weder über die entsprechende technologische Kompetenz, noch über das industrielle Verständnis, investieren aber trotzdem in PV-Unternehmen. Der Mangel an Verständnis für wissenschaftliche, technologische und industrielle Zusammenhänge der PV-Industrie führt sehr schnell zu Fehlurteilen. Wir stellen uns dieser Herausforderung grundsätzlich damit, dass wir bei Solaranalysen für Venture Capital-, Private Equity-Unternehmen oder Bewertungsgutachten konsequent den Weg gehen, interdisziplinär vorzugehen, unter Berücksichtigung von Ingenieuren, Physikern und der Unternehmensanalyse.
ECOreporter.de: Was spricht für eine Kurserholung von Aktien aus der Photovoltaikbranche – kurzfristig, mittelfristig?
Platz: Mittel- und langfristig sind wir auf dem Weg in das Zeitalter nach dem EEG. Sollten die Energiepläne in Europa umgesetzt werden, dass die Erneuerbaren Energien bis ca. 2020/2025 ca. 20% bis 30% der Energiequellen darstellen sollen, dann entspricht dies allein in Deutschland ca. 70 Gigawatt an Stromleistung. Dies zeigt die Potenziale der PV-Industrie auf. Die Unternehmen werden jedoch nicht in gleichem Maße davon profitieren. Wir rechnen damit, dass eine Reihe von Solarunternehmen den dynamischen Konsolidierungsprozess nicht selbständig überleben werden.
Im derzeitigen Umfeld raten wir nach wie vor zu einer vorsichtigen Strategie mit dem Fokus auf Unternehmen mit guter Bilanzqualität, etablierten Technologien, internationalen Beschaffungsplattformen und Produktionsstandorten und einer integrativen Kompetenz. Wir sind der Ansicht, dass sich die Solaraktien mittlerweile fundamental im unteren Drittel des Bewertungsniveaus befinden und wieder zunehmend interessant werden.
ECOreporter.de: Welche Solaraktien empfehlen Sie, von welchen raten Sie ab?

ECOreporter.de: Wie beurteilen Sie die Aussichten von Ausrüstern wie Centrotherm, Manz, Roth & Rau, einem Projektierer wie Phoenix Solar und einem Hersteller von Solarprodukten wie SolarWorld?
Platz: Mittel- und langfristig positiv. Dies gilt insbesondere für SolarWorld und Phoenix Solar. Im Bereich der Solarmaschinenbauunternehmen sollte auch ein Blick auf die weiteren Technologietrends und auf deren Akquisitionsstrategien geworfen werden. Wir sehen hier gewisse Risiken hinsichtlich der vorhandenen Managementkapazitäten und der Aufgabenfülle, was die realisierten Technologieakquistionen und deren Integration in mittelständische Strukturen betrifft. Hier sehen wir die Herausforderung organisationale Anpassungen vornehmen zu müssen. Dies könnte insbesondere für die eigentümergeführten Unternehmen gelten.
ECOreporter.de: Unterscheiden sich die Aussichten einzelner Bereiche, etwa die Aussichten von Solarausrüstern, von Projektierern und verschiedenen Hersteller-Segmenten wie Module oder Wafer?
Platz: Hier sind wir ganz klar der Meinung, dass es zwei Gruppen von Unternehmen gibt. In der einen Gruppe dieser Teilsegmente befinden sich die Unternehmen mit einer geringen Nettoverschuldung bzw. sie sind schuldenfrei und verfügen über die international erforderliche kritische Masse. Hierzu zählen wir Unternehmen im Bereich Solarmaschinenbau wie Centrotherm Photovoltaics AG, Roth & Rau AG und Manz-Automation AG. Im Bereich der vollständig integrierten Solarkonzerne hat sich das Geschäftsmodell der SolarWorld als belastbarer erwiesen, als das von Q-Cells, betrachtet man bilanzielle Parameter. In der Gruppe der Projektierer zeichnet sich die Phoenix Solar aus. Das Management hat es rechtzeitig verstanden, die Kooperation mit der KGAL in eine langjährige Kooperation mit strategischem Charakter zu formen. In der anderen Gruppe befinden sich diejenigen Unternehmen, die es in der Phase des Booms, aus welchen Gründen auch immer, nicht geschafft haben ein hohes Profitabilitätsniveau zu erreichen. Diesen Unternehmen fehlen im derzeitigen Umfeld unter Umständen genau diese Reserven, die nicht aufgebaut werden konnten.
ECOreporter.de: Was muss ein Solarunternehmen gegenwärtig vorweisen, damit seine Aktie für Anleger interessant ist? Welche Faktoren sollten nach Ihrer Einschätzung ein Investments ausschließen?

Ansonsten sollten die Unternehmen weiterhin erfolgreich neue Projekte akquirieren können, neue Technologien entwickeln und etablieren. Die Fülle der Anforderungen macht deutlich, mit welchen Aufgabenbergen die Manager der Unternehmen derzeit konfrontiert sind. Das eine beschleunigte Marktkonsolidierung stattfindet, ist eine Folge der gegenwärtigen Gesamtmarktverwerfungen.
ECOreporter.de: Herr Platz, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Bildhinweis: Hilmar Platz / Quelle: Kayenburg AG; Einblick in die Produktion von Q-Cells / Quelle: Unternehmen; Solarprojekt von Centrosolar / Quelle: Unternehmen