Fonds / ETF

Sogar nach Fukushima: Hohe Radioaktivität in nachhaltigen Fonds (Teil 1)

Das gilt sowohl für Atomkraft-Zulieferer wie General Electric (GE) und Siemens als auch für Energieversorger wie RWE und E.ON, die Atomstrom herstellen. Ein Beispiel: Im Nachhaltigkeitsindex Dow-Jones-Sustainability, aufgelegt von der Züricher SAM (Sustainable Asset Management) und Dow Jones, sind die deutschen Atomkonzerne E.ON und RWE enthalten, ebenso die spanische Iberdrola S.A. Im Asien-Unterindex DJSI APAC ist sogar der Fukushima-Kernkraftwerkbetreiber Tokio Electric Power (Tepco) vertreten.


Das bestätigte SAM-Sprecher Francois Vetri Anfang April gegenüber ECOreporter.de. Seit Jahren sind schwerste Vorwürfe gegen Tepco bekannt. SAM zufolge gehört das Unternehmen dennoch zu den Nachhaltigkeitsbesten 20 Prozent der asiatischen Branchenvertreter. Vetri: „Die DJSI-Familie wird nach dem Best-In-Class-Prinzip zusammengestellt. Das heißt, wir schließen keine Branche per se aus, auch nicht Elektrizitätsunternehmen oder andere kontroverse Industrien wie Öl und Gas.“


Selbst hauseigene Fonds von SAM enthalten Atomkraft-Aktien. Der Atomkraftdienstleister General Electric, der unter anderem für das Design des havarierten Fukushima-Reaktors verantwortlich war, ist beispielsweise im SAM Sustainable Global Fund (LU0175574911) enthalten. Dort finden sich auch die Papiere des Unternehmens Rio Tinto (Bergbau inklusive Uran) und von Siemens (Komponentenbau für Atomanlagen). Zu aktuellen oder beabsichtigten Transaktionen in Portfolio will sich SAM nicht äußern - „aus regulatorischen Gründen“, wie es heißt.

Klimastrategie: Atomkraft?

Die MEAG Fonds MEAG Nachhaltigkeit (DE0001619997) und MEAG Klima Strategie (LU0334944674) schließen Investments in Atomkonzerne nicht kategorisch aus. Nuklear-Zulieferer General Electric war mit 3,16 Prozent zum 28. Februar 2011 die größte Position im Fondsportfolio des MEAG Nachhaltigkeit. „Der MEAG Nachhaltigkeit setzt mit 80 Prozent seines Anlagekapitals auf den Dow Jones Sustainability Index ex All (DJSI ex All; der Index schließt Unternehmen der Sektoren Alkohol, Tabak, Glücksspiel sowie Rüstung und Waffen aus, Anm. d. Red.). „Unternehmen, die mit Atomkraft Umsatz machen, sind im DJ Sustainability World ex all enthalten und können Bestandteil des MEAG Nachhaltigkeit sein. Zudem können diese Unternehmen aufgrund von Umsätzen in Erneuerbare Energien im Segment Energieeffizienz enthalten sein und damit auch im MEAG Klimastrategie“, erklärt MEAG-Sprecher Dr. Josef Wild auf Nachfrage. „Zu Einzelaktien nehmen wir keine Stellung, wir kommentieren auch keine Transaktionen in einzelnen Aktien“, so Wild weiter.
Ein weiterer Fonds, der sich bei der Titelwahl auf den DJSI ex All stützt und weiter auf Aktien von General Electric setzt, ist der bereits 1990 aufgelegte Invesco Umwelt und Nachhaltigkeit (DE0008470477).

Atomkonzerne auch als Top-Klima-Aktien

Ein Klimafonds, der bis vor kurzem noch gleich mehrere Atomkonzerne als Top10-Investments führte, ist der HSBC GIF Climate Change (LU 032340290). Laut der Fondsinformation (Stand 28. Februar) war die größte Position zu diesem Zeitpunkt der italienische Energieriese Enel, der nach eigener Aussage weiterhin darauf setzt, dass Italien in den kommenden Jahren seine Atomkraftkapazität stark ausbaut. Andere Aktien: Siemens (4,5 % Fondsanteil), E.ON (3,87 %) – und Fukushima- Betreiber Tepco (2,38 %). Der Fonds basiert auf einem gleichnamigen Klima-Aktienindex, der all diese Atomkonzerne beinhaltete, zumindest bis Ende Februar. Für eine Stellungnahme zu möglichen Änderungen im Portfolio waren die Verantwortlichen bis Redaktionsschluss nicht erreichbar.



Auch der UBS (Lux) Ecuty Sicav – Sustainable Global Leaders (LU0456449528) setzt auf General  Electric. Mit 2,6 % gehört die Aktie zu den größten Positionen. Das bestätigte Portfoliomanager Jan Scherer auf Nachfrage von ECOreporter.de. „Die Reaktoren in Fukushima wurden 1971 erbaut. Man kann also nicht erwarten, dass es sich heute noch um das modernste Reaktordesign handelt“, erklärt Scherer. „Nach den uns vorliegenden Informationen sind die Beschädigungen am Reaktor nicht auf das General-Electric-Design zurückzuführen. Sollten wir anderslautende Informationen bekommen, werden wir die General-Electric-Aktien verkaufen“, so Scherer weiter. Grundsätzlich sei und bleibe General Electric bis auf Weiteres ein potenzieller Investment-Kandidat für den Fonds, denn das Unternehmen erziele weniger als 5 Prozent seines Umsatzes mit Atomkraft und sei somit für den Fonds investierbar.

„Kritische, aber tolerierbare Übergangstechnologie“

Auch der KBC ECO Fund World (BE0133741752) hält weiter General-Electric-Aktien und lässt laut Kriterienkatalog Atomkonzerne grundsätzlich zum Investment zu, sofern sie nicht mehr als die Hälfte ihrer Energieproduktion aus Atomenergie erzielen, es zu keinerlei nuklearen Störfällen kam, das Atomengagement transparent kommuniziert wird und sie auch Erneuerbare Energie herstellen. Fukushima-Betreiber Tepco wurde allerdings, wie andere japanische AKW-Betreiber auch, 2007 aus dem Investmentuniversum ausgeschlossen, so KBC gegenüber ECOreporter.de.


Zwar stehe KBC der Atomkraft als „umstrittene Technologie“ kritisch gegenüber. Dennoch sei das Unternehmen auch nach jüngsten Beratungen mit einem unabhängigen Anlagebeirat Mitte März 2011 der Meinung, Atomenergie sei als Brückentechnologie in ein neues Energiezeitalter tolerierbar, heißt es in einer KBC-Stellungnahme. Obwohl der Münchner Technologiekonzern Siemens weiterhin als Atomkraftzulieferer aktiv ist, setzt der Vontobel Fund Global Responsibility (LU0384407481) auf Siemens-Aktien. Siemens gehört nach Aussage von Sabine Döbeli, Leiterin Nachhaltigkeit bei der Bank Vontobel, zwar nicht mehr zu den Top-10-Investments des Fonds. Dennoch machte die Aktie im März immer noch 2,7 % des Portfolios aus. Die Herstellung von Reaktortechnologie sei ebenfalls kein unbedingtes Ausschlusskriterium für Vontobel, sondern werde in Zusammenhang mit dem Produktportfolio gestellt, so Döbeli. „Bei Siemens macht dieser Bereich deutlich weniger als 5 % des Umsatzes aus. Daneben hat Siemens zahlreiche Produkte, die einen wesentlichen Beitrag zu nachhaltigerer und energieeffizienterer Produktion, Mobilität und Gebäudetechnik liefern. Wir gewichten diese Aktivitäten höher als den Bereich Reaktortechnologie, der bei Siemens ebenfalls im Portfolio ist“, stellt sie klar.


Mit 2,4 % ist die Siemens-Aktie auch im Klimafonds DWS Invest Clean Tech (LU0298649426) vertreten. Das bestätigte die Frankfurter Fondsinitiatorin DWS Investment GmbH auf Anfrage. „Sollte sich Siemens jedoch für eine Gemeinschaftsunternehmung mit dem russischen Nuklearunternehmen Rosatom entscheiden, was derzeit diskutiert wird, werden wir unser Siemens-Investment in diesem Fonds überdenken“ ,so die DWS Investment GmbH. „Solange es keine zuverlässigen Alternativen im Bereich Energietechnologien gibt, die die Klimaveränderung nicht verstärken und eine Versorgungssicherheit gewährleisten, lehnen wir Unternehmen aus der vergleichsweise CO2-armen und kostengünstigen Nuklearindustrie nicht von vorn herein ab“, so Unternehmenssprecherin Sabina Díaz Duque.

Atomkraft-Betreiber: nein – Zulieferer: ja
Die Siemens-Aktie war zumindest bis vor kurzem auch im KCD Union Nachhaltigkeit Aktien (DE0005326532) enthalten. Einer Anlegerinformation zufolge steht Atomkraft auf der Liste der Negativ- und Ausschlusskriterien des Fonds. Laut der jüngsten verfügbaren Fondsinformation ist der KCD Union Nachhaltigkeit Aktien dennoch nicht kernkraftfrei. Der mit 2,9 % am stärksten vertretene Aktienwert im Portfolio war zum 28. Februar der Uranlieferant Rio Tinto, der noch im März 2011 auf der Lieferantenliste des Fukushima-Betreibers Tepco stand. Detaillierte aktuellere Informationen verweigerte das Unternehmen. Auf Nachfrage erklärte Union Investment, Betreiber von Atomkraftwerken seien vom Investment ausgeschlossen, nicht aber Zulieferer wie Siemens oder Rio Tinto.


Der französische Energieversorger GDF Suez S.A. ist mit 3,49 Prozent des Portfolios im Allianz Euroland Equity SRI (LU0542502157) enthalten. Derzeit plant das in Paris ansässige Unternehmen gemeinsam mit E.ON den Bau eines Atommeilers in Italien. Für den Best-In-Class-Fonds sei dies kein Ausschlussgrund, wie Marc Savani von der Frankfurter Allianz Global Investors Kapitalanlagegesellschaft mbH (AGI) bestätigt. GDF Suez biete aufgrund ihrer Gesamtaktivitäten interessante Perspektiven und habe nur 6 % Umsatz im Nuklearbereich, begründet der AGISprecher. „Insgesamt ist der Fonds stark im Gassektor investiert und hat das Thema Energieeffizienz mit 20 % des investierten Vermögens stark gewichtet“, so Savani. Letzteres sehe das Fondsmanagement als Langfrist-Thema und Antwort auf den Klimawandel.

Inwiefern die in den Nachhaltigkeitsfonds und -Indices enthaltenen Unternehmen mit Atomkraft zu tun haben, erfahren sie im zweiten Teil dieses Beitrages, der am Montag erscheint.
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