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Schockstarre oder Unbelehrbarkeit? - Deutsche Finanzdienstleister ignorieren weiter das Thema Nachhaltigkeit
In den strategischen Überlegungen der in Deutschland ansässigen Finanzdienstleistungsunternehmen spielt Nachhaltigkeit derzeit kaum eine Rolle. Das ist das Kernergebnis einer Befragung durch asset:vision in Kooperation mit den Unternehmensberatungen true assets und Carl-Ernst Müller Nachhaltigkeitsmanagement. Für die unabhängig durchgeführte Untersuchung wurden rund 600 Kommunikationsverantwortliche der deutschen Finanzindustrie kontaktiert. Bei der Erhebung ging es vor allem darum, wie die Finanzdienstleistungsunternehmen Nachhaltigkeit strategisch einschätzen, und welche Relevanz dieses für die Unternehmens- und die Kommunikationspolitik der jeweiligen Institute hat. Von einem Umdenken nach dem tiefen Einbruch infolge der Finanzkrise kann laut den Ergebnissen nicht die Rede sein.
Wie die Studie ermittelte, haben auf Nachhaltigkeit abzielende Strategien wie die Entwicklung und der Vertrieb nachhaltiger Produkte für die befragten Finanzdienstleister nur eine geringe Relevanz. Sie sei weitaus geringer (im Schnitt Faktor 2,6 auf einer Skala 1 bis 5) als etwa die Stärkung der Unternehmenskultur (3,4) oder die Sicherung der Kundenbasis (4,2). Das Thema Nachhaltigkeit wird nach Einschätzung der befragten Finanzdienstleister auch künftig nicht wesentlich an Bedeutung gewinnen, erläutert Asset:Vision. Mehr als die Hälfte ist der Befragten gehe davon aus, dass Nachhaltigkeit mäßig relevant bleibt oder sogar an Bedeutung verliert. Nur elf Prozent der Befragten gingen davon aus, dass Nachhaltigkeit das Leitprinzip des künftigen Wirtschaftens wird.
Weiter führt die Studie aus, dass nur sehr wenige der befragten Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Davon wiederum folge nur die Hälfte anerkannten Berichtsstandards, die ein Minimum an Transparenz hinsichtlich der Ziele und Strategien einfordern.
„Die in der Gesellschaft und in anderen Industrien intensiv geführte Debatte geht an der Finanzdienstleistungsbranche derzeit noch vorbei“, stellt Volker Weber fest, Inhaber von asset:vision So fänden Nachhaltigkeitsthemen in der Finanzindustrie offenbar vor allem dort statt, wo die Institute durch gesetzgeberische Initiativen oder Druck seitens des Marktes ohnehin gezwungen seien, transparenter zu agieren. „Dies zeugt nicht unbedingt für ein hohes Maß an Freiwilligkeit“, schließt Weber.
Dass die Finanzinstitute mit dieser Einstufung von Nachhaltigkeit gesellschaftliches Kapital, vor allem aber wirtschaftliches Potenzial verschenken, davon ist Carl-Ernst Müller, Inhaber der gleichnamigen Unternehmensberatung für Nachhaltigkeitsmanagement überzeugt: „Wir sehen durch die globale Wirtschaftskrise einen sehr deutlichen Wandel in den Erwartungen der Menschen an Unternehmen. Was bei den Lebensmitteln mit fairen Bio-Produkten angefangen und sich z.B. in der regenerativen Energiegewinnung fortgesetzt hat, wird alle Branchen und Dienstleistungsbereiche erfassen.“ Wer nicht nachweisen könne, dass er seine Erträge nachhaltig erwirtschaftet, riskiere nicht nur die gesellschaftliche Legitimation und damit seine Geschäftsgrundlage, sondern vor allem Marktpotenzial, so Müller „Wer sich heute als Finanzdienstleister erfolgreich im Bereich Nachhaltigkeit positioniert, kann nicht nur attraktive neue Märkte und Zielgruppen erschließen, sondern Vertrauen in bestehenden Märkten zurückgewinnen“, meint der Bankexperte.