Erneuerbare Energie

Schließen die Asiaten bald zu Europas Photovoltaik-Nationen auf? – EEG-Debatte in Deutschland vor Entscheidung



Speziell in China und Indien könnte der Ausbau der Solarenergie bis 2016 so rasant verlaufen, dass die asiatischen Staaten Europas Photovoltaik-Nationen an der Weltspitze ablösen. So prognostiziert es zumindest eine neue Marktanalyse des Europäischen Branchenverbandes der Photovoltaik-Industrie EPIA (European Photovoltaic Industry Association).

Dabei gehen die Experten der EPIA davon aus, dass alle derzeit weltweit installierten Photovoltaikanlagen zusammen auf 90.000 bis 110.000 Megawatt (MW) oder 110 Gigawatt (GW) Leistungskapazität kommen. Das entspräche der Leistung von 90 bis 110 Atomkraftwerken. Bis 2016 dürften laut der EPIA Solaranlagen mit einer Gesamtkapazität zwischen 207.000 und 343.000 MW in Betrieb sein. Welchen Level der Ausbau tatsächlich erreicht, hänge davon ab, wie die Energiepolitik in den einzelnen Staaten ausgerichtet sei, so die Experten. Je nachdem wie stark der Ausbau gefördert werde, könne die weltweite Photovoltaikleistung bis Jahresende 2012 um 4.500 bis 10.000 MW anwachsen. Danach soll der Zubau stetig an Dynamik gewinnen. 2013 könnte soll sich die neu installierte Leistung zwischen 20.600 und 41.000 MW liegen 2016 sollen weltweit Solaranlagen mit bis zu 77.300 MW hinzu kommen.

2011 waren EPIA zufolge Photovoltaikanlagen mit 69.000 MW am Stromnetz. 75 Prozent aller in 2011 neu in Betrieb genommenen Photovoltaik-Kraftwerke wurden demnach in Europa installiert. Hier liegen Deutschland und Italien an der Spitze, weit vor den übrigen EU-Staaten. In Italien belief sich die Photovoltaikleistung Ende 2011 auf 12.500 MW. In Deutschland waren zu diesem Zeitpunkt Photovoltaikanlagen mit rund 24.000 MW installiert. Die Bundesrepublik hat in 2010 und 2011 mit zusammen knapp 15.000 MW Rekorde bei den Neuinstallationen aufgestelt (ECOreporter.de Opens external link in new windowberichtete).  Mit den neuerlichen Einschnitten in die Vergütungssysteme, wie sie inden bislang weltweit führenden Photovoltaikstaaten Italien und Deutschland anstehen, wird sich dieses Kräfteverhältnis der EPIA-Prognose zufolge ab 2013 aber verschieben: Weil China und Indien die Installation neuer Solaranlagen im Vergleich dazu weiterhin stärker fördern, werde der Ausbau der Solarenergie dort deutlich an Tempo gewinnen. Die EPIA erwartet, dass die Photovoltaikleistung Chinas bis zum Jahresende 2012 zwischen 3.000 und 5.000 MW zunehmen wird. Bis 2016 werde China insgesamt 39.100 MW Photovoltaik-Leistungskapazität erreichen und damit neben den Europäern auch die USA überflügeln, wo dann Solaranlagen mit 37.100 MW installiert sein dürften, so die EPIA.

Dem Verband zufolge werden allerdings auch in Italien und Deutschland - den Kürzungen zum Trotz - in den nächsten Jahren zahlreiche Solaranlagen in Betrieb gehen. Das Wachstum werde allerdings nicht mehr so stark erfolgen wie in der jüngeren Vergangenheit: In Italien werde bis 2016 über Photovoltaik-Kraftwerke mit 23.000 bis 31.000 MW Kapazität verfügen. Für Deutschland prognostiziert EPIA für 2016 mindestens 39.700 MW installierte Leistungskapazität aus Solaranlagen.


Für die Solarhersteller bleibt die Lage trotz dieser Aussichten wohl prekär. Die EPIA-Experten gehen davon aus, dass die Preise entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Photovoltaik weiter fallen. Nachdem sie im Jahresverlauf 2011 um 60 Prozent einbrachen, sollen die Preise durchschnittlich um weitere 10 bis 15 Prozent fallen.

Die Pleitewelle, die derzeit die Solarbranche heimsucht, forderte auch bereits prominente deutsche Opfer Q-Cells SE aus Bitterfeld oder Solon SE aus Berlin. Am kommenden Freitag, 11. April, berät der Bundesrat über die Einberufung eines Vermittlungsausschusses, zur aktuellen Novelle des Erneuerbare Energie-Gesetzes (EEG). Diese Neuregelung würde die Einspeisevergütung für Solarstrom in Deutschland rückwirkend zum 1. April drastisch kürzen (mehr dazu lesen Sie Opens external link in new windowhier).
Bildnachweis: Q, Cells, einst ein Flaggschiff der deutschen Solarbranche,ist insolvent. / Quelle: Unternehmen

Branche läuft weiter Sturm gegen EEG-Kürzung – „
Schwerer Schaden“
Der deutsche Photovoltaik-Branchenverband Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) läuft weiter Sturm gegen das Gesetz. Er fürchtet, dass die EEG-Novelle in seiner aktuellen Form die Krise weiter verschärfen wird. Deshalb appelliert der Verband an den Bundesrat, die EEG-Neuerung noch deutlich abzumildern. „Die von der Bundesregierung geplanten harten Einschnitte der Solarstrom-Förderung haben bereits großen Schaden in der Solarstrom-Branche verursacht“, mahnt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. Deutschlands Solarstrom-Unternehmen hätten allein im April rund 50 Prozent Umsatzeinbrüche erlitten. „In den nächsten Monaten und auch für das Jahre 2013 wird mit einem weiteren Auftragsrückgang gerechnet. Schon jetzt entlassen über der Hälfte der Solarstromunternehmen Mitarbeiter“, erklärt im Körnig im Hinblick auf eine aktuelle Umfrage des BSW Solar unter 555 Unternehmen der Branche.

Diese Welle von massenhafter Entlassungen werde sich fortsetzen: „Bis Jahresende werden es 65 Prozent der Solarunternehmen sein, wenn die Kürzungen der Solarförderung so, wie vom Bundestag beschlossen, umgesetzt werden. Auch die Umsätze sollen weiter einbrechen. Nach mehr als 50 Prozent Umsatzeinbuße in 2012 könnten es 2013 nochmal 60 Prozent sein. Gegenwertig werde in Deutschland ohne nachvollziehbaren Grund eine ganze Zukunftsbranche aufs Spiel gesetzt, kritisiert der Geschäftsführer. „Nur die Bundesländer können den Schaden jetzt noch begrenzen. Ihr Widerstand muss die Bundesregierung jetzt zum Einlenken bewegen“, so Körnig.

Der Bundesrat stimmt am 11. Mai über die Neuregelung der Solarstromvergütung ab. Dass er sie ablehnt, ist möglich. Denn auch die CDU-Ministerpräsidenten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gehören zu den Kritikern. Bei einer Ablehnung würde es zu einem Vermittlungsverfahren kommen, in der Vertreter von Bundestag und Bundesrat über Änderungen der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes diskutieren. Das würde die Neuregelung deutlich verzögern.

„Vermittlungsausschuss wäre Blamage für Umweltminister Röttgen“

„Dass Umweltminister Röttgen alles tut, um diesen Vermittlungsausschuss zu verhindern, ist klar“, sagt Hans-Josef Fell, Energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen. Der CDU-Minister hatte sich mit den drei skeptischen Ministerpräsidenten aus dem eigenen Lager getroffen, um diese umzustimmen. Dazu bot er ihnen an, einen zusätzlichen Etat zur Förderung von Forschung und Entwicklung in der Solarbranche zu schaffen. (ECOreporter.de Opens external link in new windowberichtete). „Das wäre aber in der derzeitigen Lage nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein und als Maßnahme viel zu spät. Heute eine Aufstockung der Solarforschung zu beschließen, ist zwar wichtig und notwendig, kann aber die aktuelle Insolvenzwelle in der deutschen Solarindustrie nicht aufhalten“, sagt Fell. „Wir brauchen Staatsbürgschaften für die nötigen Investitionen der Unternehmen, um die Kreditklemmen der Banken für die Solarwirtschaft zu überwinden und die Branche gegen die Chinesen wieder wettbewerbsfähig zu machen“, so Fell weiter. Darüber hinaus müsse das Bundeswirtschaftsministerium endlich ein Industrieprogramm für die Solarbranche vorlegen, fordert der Energiepolitiker.
Bildnachweis: Hans-Josef Fell, MdB/ Quelle: Bündnis 90/ Die Grünen.

Für Röttgen, der zwei Tage nach der Beratung über das EEG im Bundesrat als CDU-Spitzenkandidat zum Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen gewählt werden möchte, wäre die Anrufung Fell zufolge eine Blamage, zumal das Gesetz, dass er gemeinsam mit Wirtschaftsminister Philip Rösler auf den Weg gebracht hatte, auch beim Gang durch den Bundestag massiv nachgebessert worden sei. Nun bleibe abzuwarten, ob die CDU-Ministerpräsidenten sich am 11. Mai tatsächlich weiter gegen Röttgen stellen werden.
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