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Notwendige Abkühlung? – Marktakteure reagieren gelassen auf die Solarstrompläne in Tschechien



„Über die genaue Ausgestaltung der Kürzungen wird noch diskutiert“, sagt Antje Stephan von der Conergy AG aus Hamburg. Im Raum steht der Wegfall der Förderung für Anlagen auf Ackerflächen zum 1. März 2011. Zudem könnte noch im Oktober beschlossen werden, die Tarife für Kleinanlagen bis 30 kW peak von 44 auf 28 Cent pro Kilowattstunde zu senken. Große Photovoltaikanlagen über 30 kW peak sollen dann nicht mehr mit 44 sondern nur noch mit 20 Cent pro Kilowattstunde vergütet werden. „Dieser Einschnitt könnte schon zum 1. Januar 2011 in Kraft treten“, fasst die Sprecherin zusammen. Auf die jüngsten Großprojekte der Conergy AG werde die geplante Tarifkürzung allerdings keine Auswirkung haben. „Die Kürzungen sollen Solarkraftwerke betreffen, die bis zum Jahresende 2010 noch nicht ans Stromnetz gebracht worden sind“, erläutert Stephan.


Sowohl ein Freiflächen-Solarprojekt mit 1,48 Megawatt (MW) in Velký Týnec als auch ein weiterer 1,1 MW großer Solarpark nahe Prag würden bis Jahresfrist in Betrieb genommen.
„Bislang ist nur ein Entwurf der Regierung bekannt, der vom Parlament noch bestätigt werden muss, und nachdem der Entwurf noch nicht einmal die erste Lesung im Parlament passiert hat, ist die Diskussion zu diesem Zeitpunkt sicher verfrüht“, sagt Dr. Karl Kuhlmann, Unternehnenschef der S.A.G. Solarstrom AG aus Freiburg, die ebenfalls Projekte in Tschechien realisiert.


„Tschechien hatte in den letzten Jahren als kleines Land sehr hohe Wachstumsraten im Photovoltaik-Markt. Das führte zu Spekulation mit Grundstücken und Rechten. Die großzügige Solarförderung in der Tschechischen Republik ist derzeit die weltweit höchste. Das hat Tschechien 2009 zum drittgrößten Markt für Photovoltaik in Europa werden lassen“, erklärt Viet-Dúc Nguyen, Marketingleiter der Münchner MEP Group, Projektierer und Fondsinitiator im Bereich Erneuerbare Energien. „Es ist nur verständlich, dass man über eine drastische Absenkung der Förderungen diskutiert“, sagt er. „Eine drastische Kürzung wird den Markt stark abkühlen“, so Nguyen weiter.
Der zur MEP Group gehörige Fondsinitiator Strasser Capital hatte über einen geschlossenen Fonds die Errichtung des 12 Millionen Euro Solarparks „Hovorany“ in unmittelbarer Nähe der Stadt Sardice mitfinanziert. Das Großprojekt mit 3,55 MW Leistung ist seit Mai 2010 am Stromnetz.


Fokus auf Dachanlagen statt Rückzug aus Tschechien

Ein Rückzug aus dem tschechischen Markt aufgrund der bevorstehenden Kappung komme bis auf Weiteres weder für Conergy noch für S.A.G. Solarstrom oder für die MEP Group in Frage. „Wir müssen abwarten, was letztendlich beschlossen wird, aber wir planen unsere Präsenz vor Ort und unsere lokalen Netzwerke in Tschechien weiter auszubauen“, sagt Stephan. Tschechien bleibe für Conergy auch mit deutlich niedrigerer Einspeisevergütung ein attraktiver Solarmarkt. „Der Trend geht weg von Freiflächenanlagen und hin zu Dachanlagen, darauf haben wir uns vorbereitet“, so Stephan weiter.


Für die S.A.G. Solarstrom stellt sich die künftige Situation am Tschechischen Markt ähnlich dar. „Im kleineren Dachanlagenbereich sind massive Kürzungen eher unwahrscheinlich“, so Kuhlmann. Die Marktsituation werde mit der in Deutschland vergleichbar sein, die der S.A.G. Solarstrom AG gut vertraut sei.


Auch die MEP Group will im Falle der Kappung am tschechischen Markt aktiv bleiben – allerdings mit Einschränkungen. Nguyen: „Sollten die Tarife stark sinken und das Preiseniveau für Komponenten wie Module, Wechselrichter oder die Unterkonstruktion nur geringfügig nachgeben, würden wir uns auf Anlagen konzentrieren, die bereits in Betrieb sind. Derzeit haben wir mehrere solcher Solarparks im Fokus.“ Den kommenden Einschnitt habe die MEP Group in verschiedenen Szenario-Analysen zur Projektfinanzierung berücksichtigt. Zudem seien frühzeitig Verträge mit Preissenkungs-Klauseln abgeschlossen worden, erläutert Nguyen. Für das Jahr 2011 liege das Hauptaugenmerk der MEP Group jedoch mehr auf dem französischen Markt und verstärkt auf Italien.
Ebendort sieht auch die Conergy AG große Wachstumspotenziale: In Italien sei die Tarifsenkung moderat ausgefallen. Zudem interessant seien Frankreich und Griechenland. Letzteres Land habe angekündigt, der Finanz- und Wirtschaftskrise zum Trotz an der Förderung der Photovoltaik festzuhalten. „Allein schon wegen der guten natürlichen Rahmenbedingungen“, so Unternehmenssprecherin Stephan.


Neben Tschechien sei die Ukraine ein sehr vielversprechendes Solarland im Osten Europas. „Die Ukraine hat mit 46 Cent pro Kilowattstunde bis zum Jahr 2030 eine sehr interessante Einspeisevergütung. Um Währungsschwankungen zu vermeiden, ist sie an den Euro gekoppelt“ so Stephan. Ob mit einem Markteintritt der Conergy in dem Euro-Schwellenland zu rechnen ist, sei noch offen. Auch die MEP Group hat weitere Märkte in Osteuropa im Blick: Nguyen nennt Bulgarien und die Slowakei.

Weitere Kürzungen, schärfere Konkurrenz und großes Marktpotenzial

Für das kommende Jahr und darüber hinaus hat sich die Branche auf weitere Einschnitte in die Solarstromförderung vorbereitet. „Es wird eine Absenkung der Tarife im europäischen Kontext geben. Italien und Deutschland senken die Tarife für 2011 nochmal deutlich ab“, sagt Nguyen „Als drittgrößter Photovoltaik-Markt 2010 in Europa, wird auch Tschechien dies tun. Die Verantwortlichen fürchten einen Anstieg der Energiepreise, sowie künftig Instabilität Ihrer Übertragungsnetze. Diese Maßnahme könnte auch die tschechische Solarindustrie mit derzeit knapp 2000 Arbeitsplätzen gefährden, wenn sie umgesetzt wird.“ Europaweit werde der Konkurrenzkampf unter den Herstellern an Schärfe zunehmen. Hohe Renditechancen seien für Anleger bislang vor allem in wenig erschlossenen Märkten zu erwarten.

„Momentan liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix in Deutschland bei 16  Prozent - weit höher als in den meisten anderen europäischen Ländern. Wenn dieser Anteil bis auf 20 beziehungsweise 50 Prozent in den nächsten Jahrzenten ausgebaut werden soll, sieht man, welches enormes Marktpotenzial noch da ist“, sagt Kuhlmann. Es sei weiterhin mit einem deutlichen Marktwachstum in der Solarbrancher zu rechnen, „auch wenn dieses sicher je nach regulatorischem Umfeld und sonstigen Rahmenbedingungen von Land zu Land unterschiedlich groß ausfallen wird“, so der Chef der S.A.G. Solarstrom.
Bildnachweis: Der nahe Prag gelegene Solarpark Hovorany der Münchner MEP Group. / Quelle Unternehmen
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