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„Nicht Menschen, sondern Kilowattstunden arbeitslos machen“ – Interview mit Damian Ludewig, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), für eine Ökosteuerreform
ECOreporter.de: Herr Ludewig, was sind die Kernpunkte Ihres Konzeptes für eine Ökologische Finanzreform?
Damian Ludewig: Unsere Kernidee ist es, die Haushalts- und Klimakrise gemeinsam zu lösen. Die Chancen, unsere Wirtschaft über die Ausgabenseite zu ökologisieren sind im Rahmen der Konjunkturprogramme leider kaum genutzt worden. Nun müssen die entsprechenden Anreize auf der Einnahmenseite bei der Gegenfinanzierung gesetzt werden. Wichtige Maßnahmen sind beispielsweise der Abbau der Steuervorteile für Flugzeuge durch die Einführung der sogenannten Ticket-Tax und die Abschmelzung des Dienstwagenprivilegs.
ECOreporter.de: Warum braucht Deutschland Ihre Ökologische Finanzreform und wo liegen die größten Schwächen der „Ökosteuerpolitik“ wie sie aktuell betrieben wird?
Ludewig: Heutzutage gibt es de facto keine „Ökosteuerpolitik“, da der Anteil umweltbezogener Steuern, der nicht wie andere Steuern nominal mit wächst, am Gesamtaufkommen auf Grund von Inflation rückläufig ist. 2008 trugen umweltbezogene Steuern nur fünf Prozent zum gesamten Steueraufkommen bei, während noch immer fast zwei Drittel durch Leistungsbesteuerung und Sozialabgaben erwirtschaftet wurde.
ECOreporter.de: Wie viel Geld könnte der Steuerzahler ihrer Meinung damit bis wann sparen?
Ludewig: Es geht vor allem darum, Steuern zu erheben, die eine sinnvolle Lenkungswirkung haben, die also „nicht Menschen, sondern Kilowattstunden arbeitslos machen“. Um die gigantische Staatsverschuldung gegenzufinanzieren, sollten nicht Sozialversicherungsbeiträge und Mehrwertsteuern ansteigen, sondern umweltschädliche Subventionen abgebaut und ökologische Steuern angehoben werden. Das wird auf Grund der Verschuldung zwar vorerst zu keinen Einsparungen führen, dafür aber zu einer sinnvollen Gegenfinanzierung der Krisenkosten. Ein weiterer Vorteil ist aber, dass eine Ökologische Finanzreform Steuereinsparungen durch einen umweltfreundlichen Lebensstil möglich machen. Dann bedeuten höhere Preise nicht automatisch höhere Kosten für die Menschen, sondern im Ergebnis sogar mehr Lebensqualität.
ECOreporter.de: Auf welcher rechnerischen Grundlage basiert Ihr Konzept?
Ludewig: Wir haben 13 Maßnahmen vorgeschlagen. Die bisherige Bemessungsgrundlage haben wir mit den von uns vorgeschlagenen Steuersätzen verrechnet und einen Lenkungsabschlag kurzfristig bei 10 Prozent, mittelfristig bei 20 Prozent angenommen. Anhand dieser Rechnung ergeben sich kurzfristig 16 Milliarden, mittelfristig gut 50 Milliarden Euro an zusätzlichen finanziellen Spielräumen für den Staat.
ECOreporter.de: Welche konkreten Maßnahmen empfehlen Sie, um die Steuerersparnis zu erreichen? Wo liegen die größten Sparpotenziale?
Ludewig: Schon kleine Gewohnheitsänderungen im Alltag können Ersparnisse erzielen. Allein eine spritsparende Fahrweise spart bis zu 30 Prozent Kraftstoff und damit Mineralölsteuerkosten ein. Beim Neukauf eines Autos sollten sparsame Modelle bevorzugt werden. Oder man lässt das Auto gleich ganz stehen und geht zu Fuß oder nimmt das Fahrrad. Das ist nicht nur viel billiger, sondern auch gesünder. Für längere Strecken bieten sich Sparangebote der Bahn an. Auch effizientere Kühlschränke und niedriger gestellte Heizungen können viel bewirken.
ECOreporter.de: Steuersysteme werden auch an ihrer Sozialverträglichkeit gemessen. Oft wird kritisiert, dass Steuererhöhungen, wie Sie sie fordern zuerst die sozial Schwächeren treffen. Wie gerecht ist Ihr System und wie ist sichergestellt, dass diese Gerechtigkeit erhalten bleibt?
Ludewig: Ökologisch sinnvolle Steuern, wie die Dienst- und Firmenwagen-Besteuerung oder die Ticket-Tax betreffen kaum den ärmeren Teil der Bevölkerung und sind dadurch schon auf der Aufkommensseite sozial ausgestaltet. Mittelfristig können andere Steuern und Abgaben gesenkt, oder im Einzelfall Kompensationen gezahlt werden. Das Anheben von Umweltsteuern ist wesentlich sozialer als eine Mehrwertsteuer- oder Lohnnebenkostenerhöhung oder gar die Kürzung von sozialen Ausgaben.
ECOreporter.de: In vielen Fällen wollen Sie Steuern nach dem Verursacherprinzip erhöhen, Heizöl, Sprit, Fliegerei - welche Rolle spielt die Erneuerbare-Energien-Industrie, sind Mechanismen vorgesehen, den Ausbau Erneuerbarer Energien zu unterstützen (eventuell durch Entlastungen?
Ludewig: Direkt werden Erneuerbare Energien im Bereich der Stromerzeugung sehr wirksam durch das EEG gefördert. Indirekt werden Erneuerbare Energien aber auch gefördert, wenn fossile Energieträger verteuert und Subventionen, zum Beispiel für die Förderung von Kohle, abgebaut werden. Diese Entwicklungen helfen den Erneuerbaren Energien noch schneller wettbewerbsfähig zu werden. Da der Staat seine Neuverschuldung reduzieren muss, werden gerade die Mittel für das Marktanreizprogramm für Erneuerbare Energien im Wärmebereich gekürzt. Die Ökologische Finanzreform würde helfen Geld aufzutreiben, um diese Kürzungen vermeiden zu können.
ECOreporter.de: Wie realistisch ist es, dass Ihr Konzept bei der schwarz-gelben Regierung tatsächlich Gehör findet? Braucht es einen Machtwechsel in Berlin, damit es in die Tat umgesetzt wird?
Ludewig: Der Handlungsdruck, der auf der Regierung liegt, ist groß: das 40 Prozent-Ziel zur Reduktion der CO2-Ausstoßes ist im Koalitionsvertrag festgelegt und die Schuldenbremse hat sogar Verfassungsrang. Außerdem kommen ermutigende Signale vom Bundespräsidenten Horst Köhler und anderen namhaften Politikern, wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen und FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Auch Angela Merkel und Wolfgang Schäuble wissen um die Vorzüge einer Ökologischen Finanzreform - und nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen ist nun vieles wahrscheinlich, was vor einigen Wochen noch undenkbar war.
ECOreporter.de: Das Thema ökologische Finanzreform wird seit langem diskutiert, was war für Sie der Anlass, sich mit einem eigenen Konzept an der Debatte zu beteiligen? Wie ist das Konzept entstanden?
Ludewig: Das Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft war bereits im Vorfeld der Rot-Grünen Ökosteuerreform intensiv an der Debatte beteiligt. Nun bietet sich durch die Haushaltskrise und das steigende öffentliche Bewusstsein für den Klimawandel eine neue Chance, in diesem Bereich voran zu kommen. Unsere Studie haben wir im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung durchgeführt. Autoren waren Bettina Meyer, Mitglied im FÖS Vorstand; Kai Schlegelmilch, stellvertretender Vorsitzender des FÖS und ich selbst. Wir haben das Konzept vor Veröffentlichung in mehreren Runden mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden und Parteien diskutiert.
ECOreporter.de: Herzlichen Dank für das Gespräch!