Viele ETFs sind neblige Konstrukte: Für Anleger ist schwer zu durchschauen, was drin steckt. / Foto: Jörg Lantelme, Fotolia

  Fonds / ETF, ECOreporter-Magazin

Nachhaltige ETFs sind undurchsichtige Konstrukte

Günstiger, aber ebenso leistungsstark wie ein Aktienfonds soll ein ETF sein. Stimmt das Werbeversprechen für die Indexfonds? Wie nachhaltig sind ETFs?

Exchange-traded funds, kurz ETFs, bilden die Wertentwicklung eines Börsenindex möglichst exakt nach. Zum Beispiel den deutschen Leitindex Dax: Steigt dieser um zwei Prozent, sollte auch ein ETF auf den Dax zwei Prozent zulegen. Denn im ETF müssten anteilig die im Index enthaltenen Wertpapiere stecken.

Im Falle des Dax wären das die Aktien aller aktuellen Dax-Konzerne – im Verhältnis ihres jeweiligen Börsenwertes. Soweit die Theorie. Die übliche Schlussfolgerung daraus: Wer einen Index nachbaut, der benötigt kein echtes Fondsmanagement und kein Analyse-Team, das sich über die Aktienauswahl Gedanken macht. Einfach abschreiben, das war‘s. Das spart Kosten, und damit werben die Anbieter massiv.

Bei ETFs liegen die Jahresgebühren meist unter 0,5 Prozent pro Jahr, bei Aktienfonds meist bei 1,5 Prozent und mehr pro Jahr. Außerdem: Für konventionelle Aktienfonds gibt es nur einmal pro Tag einen festgestellten Wert. Dagegen werden ETFs wie Aktien fortlaufend gehandelt. So weit, so plausibel.

Das steckt drin in ETFs

Einfach gestrickt sind ETFs jedoch nicht. Um den Index nachzubauen, nutzen die Anbieter beispielsweise zwei sehr verschiedene Verfahren: Die einen bauen den Index nach und kaufen alle enthaltenen Aktien. Das läuft unter dem Fachbegriff „volle (physische) Replikation“. Immerhin ist dann drin, was draufsteht. Viele ETF-Anbieter setzen aber auf die „synthetische Replikation“. Sie bilden dann einen Index nach, den sie auch nennen – aber im ETF muss keine einzige Aktie enthalten sein, die im Index ist. Der ETF muss nur die Wertentwicklung des Index nachbilden.

Wie sicher ist ein ETF?

ETFs sind immer Sondervermögen, genauso wie Fonds: Das Sondervermögen ist das Anlagekapital der Fondsanleger, das vom Vermögen der Investmentgesellschaft getrennt ist. Im Fall einer Insolvenz des Anbieters bleibt es also unangetastet. Trotzdem gibt es Risiken, vor allem bei den sogenannten synthetischen Swap-ETFs. „Hier ergibt sich ein Kontrahentenrisiko“, erklärt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Partner des ETF können pleitegehen. Aber auch ETFs, die komplett „physisch“ abbilden, können Ausfallrisiken in sich bergen – insbesondere, wenn sie Leihgeschäfte tätigen.

Denn oft sucht sich die Fondsgesellschaft einen Partner, der die Wertpapiere aus dem ETF für kurze Zeit ausleihen möchte. Wenn die vereinbarte Laufzeit zu Ende ist, erhält der Verleiher die Wertpapiere zurück und zusätzlich eine zuvor ausgehandelte Leihgebühr. Die  meisten ETFs nutzen die Wertpapierleihe, um Extra-Erträge zu erzielen. Die Leihgeschäfte werden in der Regel täglich ausgeglichen und sind mit Staatsanleihen besichert. Jedoch könnten auch die platzen oder an Wert verlieren. Mit realer Wirtschaft hat das alles wenig zu tun. Undurchsichtig wirkt es auch. Und selbst Fachleute haben Probleme, die Geschäfte, die hinter ETFs stecken, im Detail zu erklären.

Wie nachhaltig kann ein ETF sein?

Nachhaltige ETFs bilden nachhaltige Aktienindizes ab. ECOreporter beobachtet derzeit 13 nachhaltige ETFs verschiedener Anbieter (Stand: August 2017). Von diesen sind drei synthetisch. Also sind nicht zwingend auch nachhaltige Aktien bzw. Anleihen in diesen Indexfonds enthalten. „Wer in einen nachhaltigen ETF investieren will, muss bei synthetisch replizierenden ETFs darauf achten, was tatsächlich drin steckt“, rät daher Heike Fürpaß-Peter von Lyxor, dem drittgrößten ETF-Anbieter Europas.

Acht der von ECOreporter beobachteten ETFs bilden einen MSCI-Index ab. Der US-Finanzdienstleister MSCI ist einer der größten Indexanbieter weltweit. Ein ETF folgt zum Beispiel der Zusammensetzung des MSCI World Socially Responsible Investment (SRI), einem Index mit nachhaltigen Aktien. Diese werden nach dem Best-in-Class-Ansatz ausgewählt. Es handelt sich also um Aktien von Konzernen, die innerhalb ihrer Branche die besten bzw. die am wenigsten schlechten Nachhaltigkeitsleistungen zeigen. Im Index vertreten ist deshalb auch der französische Ölkonzern Total, obgleich Erdöl alles andere als ökologisch ist.

Die Nachhaltigkeit überprüft MSCI ESG Research, eine Tochter des Indexanbieters. Aus dem herkömmlichen Aktienindex von MSCI filtert sie die 25 Prozent mit den besten Nachhaltigkeitsleistungen in ihrer Branche heraus. Zudem greifen einige Ausschlusskriterien wie Gentechnik, Kernenergie, Pornographie, Glücksspiel und Rüstung. Wobei es wiederum toleriert wird, wenn ein Konzern in diesen Bereichen weniger als 5 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet.

Wird die Welt friedlicher, wenn ein Anleger 10.000 Euro in einen nachhaltigen ETF steckt, der nicht in Rüstung investiert? Die Chance ist verschwindend gering. Auch im Vergleich zu einem nachhaltigen Aktienfonds: Der setzt vielleicht Stimmrechte ein, um auf Hauptversammlungen abzustimmen. Engagierte Fonds veröffentlichen auch, wenn sie eine Aktie verkaufen müssen, weil das Unternehmen beispielsweise im Bereich Rüstung aktiv geworden ist.

Fazit:

ETF-Anbieter werben vor allem mit den niedrigen Kosten. Doch günstig heißt natürlich nicht risikolos. Synthetische ETFs sind oft weniger transparent und haben eine geringe sozial-ökologische Wirkung, weil nicht wirklich drin steckt, was der Index verspricht. Die meisten nachhaltigen physischen ETFs basieren auf Varianten des MSCI-Index mit dem wenig strengen Best-in-Class-Ansatz. Bei ETFs findet außerdem – anders als bei manchen Aktienfonds – kein aktives Engagement für mehr Nachhaltigkeit statt. Wer möchte, dass sein Geld  die Welt nachhaltiger macht, wird sein Ziel nicht mit nachhaltigen ETFs erreichen.

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