Fonds / ETF

Mikrofinanzen - neue Marktbedingungen nach der Finanzkrise



Juanita Guiterrez aus Mexiko muss ihre vier Kinder alleine durchbringen.  Lange Zeit lebte sie als Müllsammlerin, durchforstete mit ihren Kindern die Müllkippen nach etwas, das sich zu Geld machen ließ. 2007 wendete sich ihr Schicksal: Juanita bekam einen Kleinkredit vom regionalen Mikrofinanzinstitut (MFI), kaufte einen großen Ofen und eröffnete eine Tortilla-Bäckerei.


Nur zwei Jahre später hätte man der Mexikanerin womöglich den Kreditwunsch abgeschlagen. Denn 2009 griff die Finanzkrise auch auf den Markt für Kleinkredite über. Einigen Mikrofinanzinstituten gingen vorübergehend die Mittel aus. In der Regel bekommen sie diese von den Mikrofinanzfonds. Die wiederum sammeln Kapital bei den Investoren in Industriestaaten ein. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise und noch Monate danach hielten sich die Anleger zurück – auch bei Mikrofinanzfonds.

Vertrieb läuft vor allem über Kirchenbanken

Dabei gelten Mikrofinanzfonds als attraktiver Baustein im Anlagemix. Bis 2008 waren Fondsrenditen von 7 Prozent die Regel, die zuweilen noch übertroffen wurde. Vermögensberater mischen sie gern den Depots zur Risikostreuung bei, weil sich die Fonds weitgehend unabhängig von den großen Aktien- und Anleihemärkten entwickeln.

Deutsche Produkte gibt es jedoch bislang nicht, weil das Investmentgesetz von 2007 den Fondsgesellschaften zu strenge Vorgaben macht. Zum Beispiel dürfen nur 15 Prozent des Fondswertes in Wertpapiere von MFI investiert werden. Für deutsche Privatanleger kommen aber einige wenige ausländische Mikrofinanzfonds in Frage. Sie werden unter anderem von Kirchenbanken vertrieben, dürfen allerdings als ausländische Produkte nicht aktiv vermarktet werden.

Der responsAbility Global Microfinance Fund und der Dexia Micro-Credit Funds haben sieben bzw. zwölf Jahre nach ihrem Start ein Volumen von jeweils rund 500 Millionen US-Dollar erreicht. Der erst 2008 gestartete Wallberg Global Microfinance Fund sammelte bis Ende August 2010 rund 41 Millionen Euro ein. Auf etwa das gleiche Volumen kommt der Triodos Microfinance Fund, der im März 2009 aufgelegt wurde.  


Mangelnde Kreditnachfrage setzt die Fonds unter Druck

Von 2004 bis 2008 stiegen die Investitionen in Mikrofinanzen jährlich um über 100 Prozent. Die Finanzkrise bremste den Boom. Michael P. Sommer ist bei der Bank im Bistum Essen Experte für dieses Anlagesegment. Er rechnet für die Zukunft mit einem jährlichen Zuwachs von 15 bis 20 Prozent. Er verweist darauf, dass sich manche Finanzinvestoren aus der Mikrofinanz ganz oder teilweise zurückgezogen haben, weil ihre Hoffnungen auf kurzfristig hohe Renditen enttäuscht worden seien. Dabei habe sich der Sektor insgesamt in der globalen Krise als robust erwiesen, auch wenn es bei den Kleinkrediten im weltweiten Durchschnitt zu einer Verdoppelung der Ausfälle gekommen sei. „Aber im Vergleich zu anderen Kreditmärkten ist die Ausfallquote mit in der Regel unter fünf Prozent immer noch sehr gering“, betont Sommer. „Das hat die MFI nicht wirklich gefährdet, da sie in der Regel über eine gute Eigenkapitalausstattung verfügen. Sie mussten aber verstärkt Kredite von Kunden stunden oder umschulden.“


Hoher Barbestand mindert Rendite

Nicht nur die Rückzahlungsprobleme einiger Kunden minderten die Rendite von MFI und damit auch die der Mikrofinanzfonds. Belastender wirkte sich aus, dass infolge der Finanzkrise die Nachfrage für Mikrodarlehen stark gesunken ist. Weil viele potentielle Kreditnehmer lieber ein besseres Marktumfeld abwarten, um eine Geschäftsidee zu verwirklichen oder weil die Geschäfte zu schlecht laufen, um für Investitionen oder Expansionen ein Kleindarlehen aufzunehmen. Weniger Kreditnachfrage bedeutet auch weniger  Refinanzierungsbedarf durch Mikrofinanzfonds. Die verzeichnen 2010 bereits wieder rege Zuflüsse von Anlegerkapital. Da die Erholung der Mikrokreditmärkte sich hinzieht, lassen sich diese Mittel nicht direkt in Kredite umsetzen. Die Fonds häufen daher verstärkt Barmittel an, wie Christian Rauscher, Geschäftsführer der Wallberg Invest S.A. aus Luxembourg, bestätigt. Der Wallberg-Fonds hatte Mitte September eine Barquote von 30 Prozent. Nur wenn die Mittel für Kredite eingesetzt würden, könnten sie auch attraktive Verzinsungen einbringen, erklärt responsAbility-Geschäftsführer Tischhauser. Der Fonds aus der Schweiz musste im Frühjahr 2010 - wie andere auch - die Ausgabe von Anteilen vorübergehend aussetzen. Tischhauser hofft, dass es gegen Ende dieses Jahres wieder möglich ist, den Fonds für Investoren zu öffnen. Es gebe bereits einen leichten Aufschwung im globalen Mikrofinanzmarkt. Die Nachfrage nach Kleinkrediten und damit der Refinanzierungsbedarf von MFI nehme allmählich wieder zu.


2010 dürfte die Wertentwicklung der Mikrofinanzfonds jedenfalls weit hinter der Rendite früherer Jahre zurückbleiben. Ob responsAbility Globale Microfinance, Dexia Micro-Credit Funds oder Wallberg Global Microfinance – die drei  Fonds erzielten in den ersten acht Monaten 2010 nur noch Renditen von höchstens ein Prozent. 2009 deckte der Wertzuwachs allenfalls die Managementgebühren von 1,5 bis 2,2 Prozent ab. Immerhin verzeichneten die Fonds auch in der Krise keinen Wertverlust.


Im morgigen zweiten Teil des Beitrags lesen Sie unter anderem, wie sich die Marktakteure für die Zukunft positionieren.
Bildnachweis: Mikrokreditnehmerinnen aus Ecuador. / Quelle: responsAbility Social Investments AG
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