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KTG Agrar AG: Landwirte drücken als Energiewirte aufs Wachstumstempo
Dieser Vertrauensbeweis ist spektakulär: Ursprünglich wollte die KTG Agrar AG Anfang September am Kapitalmarkt 25 Millionen Euro durch die Emission einer Anleihe mit fünf Jahren Laufzeit einsammeln. Bereits drei Tage nach Zeichnungsbeginn war dieses Emissionsvolumen am 8. September 2010 erreicht. Als zwei Wochen später das Angebot geschlossen wurde, verzeichnete die AG ein platziertes Volumen von 50 Millionen Euro. Zum Vergleich: diese Summe entspricht einem Drittel der Bilanzsumme und liegt weit über dem letzten Jahresumsatz des Unternehmens. Es will mit der Hälfte des Erlöses Verbindlichkeiten begleichen und so seine Zinskosten verringern. Für den Ausbau der Geschäfte stehen dann immer noch 25 Millionen Euro zur Verfügung.
Im Vorfeld der Emission hatte die KTG Agrar mit starken Halbjahreszahlen aufgewartet, unter anderem mit einem Anstieg des operativen Gewinns um über 20 Prozent auf 4,6 Millionen Euro. Dabei fällt das Halbjahresergebnis bei einem Agrarunternehmen naturbedingt immer schwächer aus als in der zweiten Jahreshälfte. Auch dürfte der strenge Winter zu Ernteausfällen von 10 bis 15 Prozent führen, wie der Agrarkonzern selbst kalkuliert. Doch dies wird mehr als ausgeglichen durch den enormen Preisanstieg für Getreide. Die Preise für Weizen, Raps und Mais sind seit Jahresanfang um mehr als 50 Prozent gestiegen. Es werden weltweit weniger Agrarrohstoffe geerntet als verbraucht, denn die Anbauflächen schrumpfen bei einer gleichzeitig steigenden Weltbevölkerung. In diesem Jahr kommen noch Naturkatastrophen wie die Brände auf russischen Feldern hinzu. Vor diesem Hintergrund konnte die Führung der KTG Agrar AG überzeugend für das Gesamtjahr einen deutlichen Zuwachs ankündigen. „Alles deutet auf ein Rekordjahr hin“, so Vorstandschef Siegfried Hofreiter.
Mauerfall als Glücksfall
Zudem ist das Geschäftsmodell des Agrarkonzerns, dessen Sitz sich mit Hamburg in der Hauptstadt des deutschen Getreidehandels befindet, für Investoren leicht zu verstehen. Er erwirbt und betreibt riesige Anbauflächen, die sich unter dem vereinheitlichten Management besonders effizient und kostengünstiger bewirtschaften lassen. Siegfried Hofreiter ist Agrarökonom und hat nach seiner Ausbildung die auf große Anbauflächen ausgerichtete Landwirtschaft in den USA kennen und schätzen gelernt. Mit dem Zusammenbruch der DDR eröffnete sich Hofreiter die Möglichkeit, auch in Europa im großen Maßstab Ackerflächen zu bewirtschaften. Denn in Ostdeutschland waren Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften - so genannte LPGs – einerseits mit riesigen Feldern ausgestattet, nach dem Mauerfall aber wirtschaftlich selten überlebensfähig. So bot sich Hofreiter die Gelegenheit, vergleichsweise günstig in Großbetriebe einzusteigen. Dass Hofreiters Lebensgefährtin und Geschäftspartnerin Beatrice Ams selbst aus Ostdeutschland stammte, erleichterte die meist von ihr geführten Verhandlungen. Dritter im Bunde war von Beginn an Hofreiters jüngerer Bruder Werner. Beide stammen von einem bayrischen Bauernhof, der vom ältesten Bruder übernommen wurde. Mit der gelernte Gärtnerin Ams hatten sie 1994 mit einem Eigenkapital von 100.000 Euro den Start als Unternehmer gewagt.
Binnen weniger Jahre gelang es ihnen, die KTG Agrar durch Käufe und Pachtverträge zu einem der größten Agrarproduzenten in Europa zu machen. Der auf Getreide, Mais und Raps spezialisierten Gesellschaft standen für die Erntesaison 2010 über 30.000 Hektar zur Verfügung – eine Fläche so groß wie rund 41.000 Fußballfelder. Von der Gesamtfläche befinden sich 5.700 im Eigentum von KTG Agrar.

Bildhinweis: Vorstandschef Siegfried Hofreiter. / Quelle: Unternehmen
Seit 2005 erwirbt das Unternehmen auch in Litauen Länderein. Dort startet die Erntezeit erst, nachdem sie in Ostdeutschland beendet ist, so dass die KTG Agrar über die Ostsee ihre Landmaschinen verschiffen und auf den ausländischen Ackern weiter gewinnbringend einsetzen kann. Außerdem liegen nach Angaben Hofreiters die Bodenpreise in Litauen mit rund 3.000 Euro je Hektar noch deutlich unter dem Niveau in Ostdeutschland (10.000 Euro) und Westdeutschland (26.000 Euro). Derzeit bewirtschafte KTG Agrar in baltischen EU-Staat rund 6.200 Hektar, davon 3.900 Hektar als Eigentum. „Mit guten Böden, hohen Niederschlagsmengen, Rechtssicherheit und kurzen Wasserwegen zu den bedeutenden Absatzmärkten verfügt Litauen über ideale Bedingungen für die Landwirtschaft. Daher sehen wir dort auch seit Jahren steigende Bodenpreise“, so Hofreiter zu dieser Expansion. Er sieht ein großes Wertsteigerungspotenzial für Agrarflächen in Litauen und den neuen Bundesländern. Daher wolle KTG Agrar den Eigentumsanteil bei ihren Ackerflächen in den kommenden Jahren von derzeit 18,5 Prozent auf mehr als 20 Prozent erhöhen.
Pioniere des Öko-Landbaus
Neben dem zügigen Ausbau der Agrarflächen sieht die Firmenstrategie vor, den Anteil des ökologischen Landbaus an der Landwirtschaft der KTG Agrar zu erhöhen. Der trug 2009 nur die Hälfte ihres mit konventioneller Landwirtschaft erzielten Umsatzes bei, allerdings mit stark steigender Tendenz. Die zugekauften Agrarflächen können nur allmählich auf ökologischen Landbau neu ausgerichtet werden. Die drei Gründer haben von Anfang an stark auf die Biolandwirtschaft gesetzt und erzielten ihre ersten Erfolge gerade weil sie auf diese Marktlücke setzen. Sie gelten in Deutschland als Pioniere des Sektors. Heute ist ihr Unternehmen nach eigenen Angaben bundesweit der größte deutsche Ökogetreideanbauer und baut aktuell auf rund 15.000 Hektar Anbaufläche Getreide, Mais und Raps nach ökologischen Richtlinien an.
„All unsere Betriebe im Öko-Bereich erfüllen die EU-Öko-Richtlinien“, stellt Hofreiter dazu fest. „Je nach Betrieb erfüllen wir darüber hinaus die Vorgaben namhafter Verbände und Institutionen wie der "guten Herstellungspraxis" (GMP), USDA organic, Verbund Ökohöfe oder Bioland. Alle Betriebe werden mehrmals im Jahr von unabhängigen Prüfern geprüft.“ Im Bio-Landbau wie im konventionellen Bereich sei die Produktion der KTG Agrar grundsätzlich genfrei. Das werde auch von den Zulieferern (Saatgutherstellern) verlangt. Monokulturen seien ebenfalls tabu. Siegfried Hofreiter streicht die guten Marktchancen für Biolebensmittel heraus. So sei der Umsatz im deutschen Bio-Fachhandel trotz Krise im Jahr 2009 um sieben Prozent. Das Wachstum der Öko-Branche werde auch in den kommenden Jahren europaweit anhalten. Hofreiter: „Wir wollen auch in Zukunft unsere Öko-Anbaufläche erweitern, denn Agrarrohstoffe sind der limitierende Faktor der Branche.“ Hier sei die Nachfrage weitaus höher als das Angebot.
Landwirte als Energiewirte

Ein großes Plus des Geschäfts mit Biogas ist die auf 20 Jahre im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgeschrieben Einspeisevergütung, die Biogasproduzenten für die Einspeisung ins Stromnetz gezahlt wird. Die Einnahmen können daher fest einkalkuliert werden, zudem verpflichtet das EEG die Stromversorger zur Abnahme. Es fördert damit die CO2-neutrale Produktion von Energie aus der Vergärung von nachwachsenden Rohstoffen. Und im Gegensatz zur Wind- oder Sonnenenergie arbeiten Biogasanlagen unabhängig von der Witterung, ist das Gas speicherbar und steht damit ständig zur Verfügung.
Weil KTG Agrar die Biogasanlagen auf ihren Landwirtschaftsbetrieben errichtet, erzielt sie zudem Kostenvorteile beim Betrieb der Projekte. Denn die Einsatzstoffe können in direkter Umgebung angebaut werden. Neben Energiemais werden auch wie Gras und Stroh verwendet. An Bedeutung gewinnt zudem der Zweitfruchtanbau. Nach der Getreideernte im Sommer werden Hirse und Kleegras ausgesät und im November geerntet. Durch diese zwei Ernten pro Jahr können die teuren Maschinen wesentlich länger genutzt werden. Schon in wenigen Jahren sollen die Biogasanlagen ganz überwiegend mit Gras und Zweitfrüchten „gefüttert“ werden. Aufgrund des sensiblen Gärprozesses sei es nur schrittweise möglich, den Anteil von Zweitfrüchten zu erhöhen, erläutert Siegfried Hofreiter. Derzeit liege der Anteil bei 30 Prozent. In den kommenden Jahren werde er auf über 50 Prozent gesteigert. Durch diese Verbindung von Marktfruchtanbau und Biogasproduktion erziele das Unternehmen erhebliche Synergien.
Zuversicht bei Analysten
Heinz Müller ist Analyst der DZ Bank und rät zum Kauf der Aktie von KTG Agrar. Neben dem „soliden Geschäftsmodell und der herausgehobene Marktstellung“ sprechen nach seiner Einschätzung vor allem die guten Wachstumsaussichten im Biogasgeschäft für das Unternehmen. Positiv vermerkt er ferner, dass die Gesellschaft im Sommer erstmals eine Dividende ausschütten konnte – 0,10 Euro je Aktie. Auch Independent Research aus Hamburg rechnet mit einem weiteren Kursanstieg der Aktie des Agrarkonzerns. Das Unternehmen habe auf Basis des derzeit hohen Preisniveaus bereits Verkaufsverträge über ein Viertel der Ernte von 2011 abgeschlossen, zugleich aber Inputstoffe wie Treibstoff für den Maschinenpark zu günstigen Konditionen gesichert. Das Hamburger Analysehaus prognostiziert für 2010 eine Gewinnmarge von über 16 Prozent bei einem EBIT-Sprung um rund 10 Prozent. Der Betriebsgewinn werde sich von 2009 bis 2012 auf über 18 Millionen Euro verdoppeln und die Gewinnmarge auf 20 Prozent wachsen.
Fazit
Mit einem Ausgabepreis von 17,5 Euro war der KTG Agrar AG im November 2007 ein erfolgreiches Börsendebüt gelungen. Die Nachfrage für die Aktien des Unternehmens war größer gewesen als das Angebot. Vor dem Börsencrash im Herbst 2008 hatte der Kurs dann an der Marke von 20 Euro gekratzt, um dann im allgemeinen Abwärtstrend auf unter 10 Euro abzustürzen. Seit Ende 2009 ging es jedoch insgesamt deutlich aufwärts, in 18 Monaten verteuerte sich der Anteilsschein des Agrarunternehmens um etwa 50 Prozent auf rund 15 Euro. Ein weiterer Zuwachs auf 20 Euro erscheint sehr wahrscheinlich - angesichts des Potentials im Biogasgeschäft und der weiter positiven Nachfrageperspektive für die Agrarprodukte der Gesellschaft. Auch mit weiteren und wohl steigenden Dividendenzahlungen ist zu rechnen, was die Attraktivität der Aktie zusätzlich erhöht.
KTG Agrar AG
ISIN: DE000A0DN1J4
Umsatz 2009: 32,2 Millionen Euro
Gewinn 2009: 9,2 Millionen Euro
Marktkapitalisierung: 83,2 Millionen Euro
Aktienkurs (Frankfurt, 8.10.2010): 14,7 Euro
Bildhinweis: Biogasanlage der KTG Agrar AG. / Quelle: Unternehmen