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Institutionelle / Anlageprofis, Finanzdienstleister, Fonds / ETF, Interview
Ingo Speich (Deka) im Interview: "Massive Einschränkung der Aktionärsrechte nicht zu tolerieren!"
Wenn Unternehmen nachhaltiger werden sollen, ist ein mögliches Mittel das sogenannte Engagement. Mit solchem aktiven Aktionärstum können Fondsgesellschaften und andere professionelle Investoren Druck ausüben und nachhaltige Wirkung erzeugen – auch öffentlich, etwa auf Hauptversammlungen. Allerdings ist das in Corona-Zeiten nicht ganz einfach.
Ingo Speich leitet seit April 2019 die Abteilung „Nachhaltigkeit und Corporate Governance“ der Sparkassen-Tochter Deka Investment. In seine Zuständigkeit fallen alle Leistungen zur Nachhaltigkeit des Vermögensverwalters. Im ECOreporter-Interview erklärt Speich, wieso Manager ein Eigeninteresse an nachhaltiger Unternehmensführung haben, welche Schwierigkeiten die Pandemie gebracht hat und welche Entwicklung ihn selbst überrascht.
ECOreporter: Herr Speich, wie sieht modernes Engagement durch Fonds und Investoren aus?
Ingo Speich: Engagement zeichnet sich durch aktives Gestalten aus. Wir bei der Deka Investment haben die treuhänderische Pflicht, die Interessen unserer Kunden wahrzunehmen. Engagement ist essenzieller Bestandteil dieser Sorgfaltspflicht. Dabei nehmen wir eine aktive Rolle bei der Ausübung der uns anvertrauten Aktionärsrechte ein.
Was heißt das konkret?
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Wir gehen aktiv in den Dialog mit den Unternehmen, um auf Missstände hinzuweisen. Wir nutzen dabei auch die Möglichkeit, dies im Rahmen unserer Stimmrechtsausübung und der Wortmeldung auf der Hauptversammlung zu tun. Wir wirken also auf die Corporate Governance (Grundsätze der Unternehmensführung - Anm. d. Red.) von Unternehmen ein, um dadurch auch eine langfristige Wertsteigerung der Investments zu erreichen. Darüber hinaus beziehen wir ökologische und soziale Aspekte in unseren Dialog ein. Wenn Unternehmen auf unsere Forderungen nicht reagieren und wir perspektivisch das Geschäftsmodell kritisch sehen, ist eine Desinvestition für uns unausweichlich.
Aufgrund der Coronakrise haben Hauptversammlungen im letzten Jahr praktisch ausschließlich virtuell stattgefunden und tun dies noch. Vereinzelt gab es besonders von Verbänden auch Kritik, Unternehmen würden so kritische Fragen verhindern können. Hat das digitale Format den Dialog mit Unternehmen aus Ihrer Sicht erschwert?
Ein klares Ja, das digitale Format war durchweg enttäuschend. Es war eine einseitige Kommunikation, die dem Anspruch einer Präsenz-Hauptversammlung bei weitem nicht nachkommt. Die massive Einschränkung der Aktionärsrechte ist nicht zu tolerieren. Einzelne Unternehmen, wie die Deutsche Bank, hatten sich zwar bemüht, ein lebendigeres virtuelles Format umzusetzen, um den Aktionären auch die Möglichkeit zum Dialog zu geben. Leider war das aber die Ausnahme, und es zeigt sich, dass viele DAX-Unternehmen, wie beispielsweise Adidas, Beiersdorf, SAP oder Delivery Hero, noch enorme Lernkurven zu meistern haben. Wir können nur hoffen, dass die Hauptversammlungssaison 2022 in Deutschland wieder mehrheitlich vor Ort stattfinden kann. Glücklicherweise wurde die Pandemiegesetzgebung nicht ins Aktienrecht übernommen, auch wenn der eine oder andere Emittent das gerne gesehen hätte. Aber so einfach sollten es sich die Unternehmen nicht machen. Wichtig ist, dass die Aktionärsrechte gewahrt bleiben.
Wie ist es bei der Deka, bei welchen Themen haben Sie in der Pandemie besonderes Engagement gezeigt?
Neben den „Klassikern“ wie Dividendenausschüttung und Kapitalmaßnahmen ging es in diesem Jahr sehr intensiv um die Vergütung der Vorstände. Wir haben in diesem Jahr fast jeden vierten Tagesordnungspunkt abgelehnt, und auch der Entlastung der Vorstände beziehungsweise Aufsichtsräte haben wir – mit mehr als 20 Prozent – häufig widersprochen. Zentrale Fragen für uns sind, welche Nachhaltigkeitskompetenz Vorstand und Aufsichtsrat haben und wie nachhaltige Leistungsindikatoren in die Steuerung eingreifen und berichtet werden. Leider gibt es noch viel zu viele Lippenbekenntnisse ohne ausreichend inhaltliche Unterfütterung. Es zeigt sich, dass hier auch zukünftig noch vieles zu verbessern ist.
Wie wichtig ist die aktive Beteiligung und Kritik auf Hauptversammlungen? Wie stark ist die Stimme, mit der etwa die Deka spricht?
Eine Hauptversammlung ist die einzige Veranstaltung im Jahr, bei der der gesamte Vorstand und Aufsichtsrat anwesend sind und wir alle erreichen können. Mit Hilfe der Öffentlichkeit können wir unseren Forderungen noch mehr Nachdruck verleihen. Wir sehen das als eine wichtige Aufgabe.
Wie will die Deka als aktiver Aktionär konkret mehr Nachhaltigkeit erreichen?
Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Finanzwelt vollständig angekommen. Das überträgt sich auch auf die Realwirtschaft. Manager müssen Fragen, wie sie die Nachhaltigkeitsziele ihres Unternehmens erreichen wollen, klar beantworten. Können sie das nicht, werden sie früher oder später mit Sanktionen durch Investoren rechnen müssen. Die Ziele müssen über die Strategie, die internen Kontrollsysteme bis hin zur Vergütung integriert sein. Werden die Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht, kommen erhebliche Reputationsrisiken für das Unternehmen hinzu. Diese Risiken können Unternehmen und damit auch Investoren sehr teuer zu stehen kommen. Ich sage nur Hambacher Forst und Dieselskandal.
Viele Anbieter werben gerade im ETF-Bereich mit ihrem Nachhaltigkeitsprofil. Anlegerinnen und Anleger würden mit ihrem Geld bewirken, dass Unternehmen nachhaltiger werden. Woran erkennen Kundinnen und Kunden, ob ein Anbieter sich wirklich aktiv engagiert? Welche Informationen sollten dazu öffentlich einsehbar sein?
ESG-Investments lassen sich sowohl mit aktiven Fonds als auch mit ETFs umsetzen. Uns ist wichtig, dass bei ETFs die gleichen Governance-Regeln gelten wie bei aktiv gemanagten Fonds. Das heißt: Wir stimmen für unsere ETF-Aktienbestände genauso ab wie für die unserer aktiv gemanagten Fonds. Leider ist das bei Investoren bislang eher die Ausnahme. Am Kapitalmarkt besteht leider die Gefahr, dass zu viel passives Geld auch passiv bei Hauptversammlungen ist, mit allen negativen Folgen.
2012 haben Sie in einem Interview mit ECOreporter erklärt, sie sähen bei institutionellen Investoren einen Trend zu mehr aktivem Aktionärstum bei Nachhaltigkeitsthemen, dies sei aber ein „evolutionärer Prozess“. Wie ist der Stand heute?
Daran halte ich uneingeschränkt fest. Bei institutionellen Anlegern sind nachhaltige Investments längst Standard. Mit der Dynamik, die das Thema Nachhaltigkeit aktuell erfährt, hätte ich damals allerdings nicht gerechnet. Genau beobachten sollte man die recht neue Entwicklung des ESG-Aktivismus (ESG steht für die Kriterien Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung - Anm. d. Red.). Das bedeutet, dass zunehmend klassische Aktivisten auf den Nachhaltigkeitszug aufspringen und mit ihren Aktionärsrechten Druck machen. Losgelöst davon ist es der Dreiklang ESG, der den Trend so stark macht. Rückenwind kommt vom Gesetzgeber mit mehr Vorgaben und Regularien. Dadurch entsteht die Notwendigkeit, nachhaltige Faktoren noch stärker im Portfolio-Management zu berücksichtigen. Insofern hat sich das Anforderungsprofil des aktiven Aktionärs weiter geschärft und ist anspruchsvoller geworden.
Herr Speich, vielen Dank für Ihre Antworten!