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„In der Tourismusindustrie gehen niedrige Preise meist zu Lasten der Umwelt“ – Interview mit Gerold Permoser, Erste Asset Management

Nachhaltigkeit spielt nicht nur in Branchen eine zunehmende Rolle, in denen die Bedeutung von Umweltaspekten oder sozialer Verantwortung auf den ersten Blick ersichtlich ist. Auch in Sektoren wie der Tourismusbranche ist es ein wichtiger Faktor, wie die Geschäftsaktivitäten die Umwelt und die Beschäftigten belasten. Wie bewerten Nachhaltigkeitsfonds soziale und Umweltfaktoren sowie Aspekte der Corporate Governance innerhalb der Tourismusindustrie? Dazu befragen wir Gerold Permoser, Chief Investment Officer der Erste Asset Management aus Wien, die eine Reihe von Nachhaltigkeitsfonds auf den deutschen Markt gebracht hat. Er erläutert Chancen und Herausforderungen für die Tourismusindustrie in Sachen Nachhaltigkeit.

ECOreporter:  Herr Permoser, wie bewerten Sie als nachhaltiger Investor die Tourismusindustrie?

Permoser:  Die Tourismusbranche spielt für die Weltwirtschaft eine große Rolle, daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Egal ob Reisen in den Urlaub oder aus beruflichen und persönlichen Gründen: Immer mehr Menschen reisen in immer kürzerer Zeit über größere Distanzen. Die gesamten Einkünfte der Branche lagen im vergangenen Jahr bei 1,4 Billionen US-Dollar. Weltweit entfallen knapp neun Prozent aller Jobs auf diese Branche. Gleichzeitig steigen das Angebot, und damit auch der Preisdruck, was oft nur auf Kosten der Umwelt zu erreichen ist. Denn niedrige Preise gehen meist zulasten der Umwelt sowie der sozialen Komponente. Die Beschäftigen werden von ihren Jobs bis hin zur ihrem emotionalen Kern in Anspruch genommen. Deswegen spielen gerade in der Tourismusindustrie ökologische, soziale und Unternehmensführungs-Aspekte eine große Rolle.

ECOreporter:  Welche ökologischen Aspekte sind in der Tourismusbranche zu beachten, um die Ansprüche von Anlegern an nachhaltige Investments zu befriedigen?

Permoser:  Wir konzentrieren uns darauf, Unternehmen zu finden, die langfristig und nachhaltig arbeiten. Das betrifft auch den Flugverkehr, eine der großen Quellen des weltweiten CO²-Austoßes. Unser Engagement mit Fluggesellschaften hat uns gezeigt, dass viele Unternehmen bereits intensiv am Thema Nachhaltigkeit arbeiten, nicht zuletzt, weil Kerosin einer der Hauptkostenfaktoren ist. Die Airlines versuchen in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen ihre Effizienz zu steigern, also den Kerosinverbrauch pro Fluggast zu reduzieren. Hier sind insbesondere KLM und Lufthansa auf einem guten Weg, bei beiden Fluggesellschaften liegt der durchschnittliche Kerosinverbrauch pro Fluggast auf 100 Kilometer deutlich unter dem globalen Durchschnittswert.
Aber auch Hotelketten achten aus Kostengründen auf ihre Ressourcennutzung. Solarbetriebene Hotelanlagen sind keine Seltenheit mehr, aber schon das regelmäßige Austauschen von Glühbirnen wirkt sich positiv auf den Stromverbrauch aus. Beim Wasserverbrauch ist die Sache komplexer. Hier haben sich viele Hotelketten Ziele gesetzt, die allerdings eine langfristige Implementierungsphase benötigen. Und die Zahl der touristisch genutzten Gebäude, die nach dem Öko-Standard LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) zertifiziert sind, ist noch sehr gering. Insgesamt sehen wir bei Hotelketten in allen ESG-Dimensionen noch großen Nachholbedarf.

Bildhinweis: Gerold Permoser leitet die Investmentsparte der Erste Asset Management. / Quelle: Unternehmen

ECOreporter:  Nachhaltigkeit bedeutet aber nicht nur effizienten Ressourceneinsatz?

Permoser:  Nein, ganz bestimmt nicht. So achten wir bei den Fluggesellschaften neben einem sparsamen Umgang mit Ressourcen auch stark auf eine ordnungsgemäße Unternehmensführung. So erweist sich beispielsweise die Lufthansa zwar als aktiver Engagement-Partner, allerdings ist die Aktie mit Blick auf zurückliegende Governance-Themen für uns derzeit noch nicht investierbar. 

ECOreporter:  Und wie sieht es mit sozialen und Governance-Aspekten im Hotelgewerbe aus?

Permoser:  Auch in Sachen Corporate Governance hat sich in der Hotelbranche einiges getan. Das liegt vor allem daran, dass die großen Hotelketten nur noch selten von Familien geführt werden, sondern in ihrer Eigentümerstruktur mittlerweile anderen Konzernen ähneln. Hier ist die Unternehmensführung vergleichbar mit anderen Industrien. Auffällig ist jedoch, dass die letzten familiengeführten Hotelketten wie Hilton oder Hyatt große Mängel in ihrer Corporate Governance aufweisen. Vor allem Beschäftigte der Hotelbranche leiden unter dem Kostendruck, denn ein großer Kostenblock sind die Mitarbeiterkosten. Und so sind lange Arbeitszeiten, Niedriglöhne und Saisonjobs an der Tagesordnung, insbesondere in den Entwicklungsländern.

ECOreporter:  Herr Permoser, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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