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"In den Schwellenländern ist ein Wandel zu nachhaltiger Entwicklung feststellbar." - ECOreporter.de-Interview mit Andreas Holzer, Bankhaus Sarasin



ECOreporter.de: Wie ist Nachhaltigkeit für die Studie definiert? Welches sind die konkreten Einschluss- und Ausschlusskriterien?

Andreas Holzer: Für die Analyse von Schwellenländer-Unternehmen nutzen wir die gleichen Nachhaltigkeitskriterien wie für Unternehmen aus Industriestaaten, die je nach Branche unterschiedlich gewichtet werden. Die Unternehmen werden im Rahmen unserer Nachhaltigkeits-Matrix mit den weltweiten Branchenvertretern verglichen. Die Positivkriterien decken alle relevanten Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte ab. Die Ausschlusskriterien sind ebenfalls gleich und decken unter anderem Geschäftsaktivitäten (weniger als 5 Prozent des Gesamtumsatzes) in den Bereichen Kernenergie, Waffen, Pestizidherstellung und der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ab.


ECOreporter.de: Welche Bedeutung haben Nachhaltigkeitsaspekte in Schwellenländern?


Holzer: Die letzten zwanzig Jahre brachten für Schwellenländer ein starkes wirtschaftliches Wachstum, das viele Umwelt- und Sozialprobleme akzentuiert hat. Es wurde ein Punkt erreicht, an dem weiteres gutes Wachstum nur noch mit einer besseren Berücksichtigung von nachhaltiger Entwicklung möglich ist. Und das Wachstum wird sich aus globaler Sicht auch in den nächsten Jahren vor allem in Schwellenländern abspielen; Nachhaltigkeit in Schwellenländern ist deshalb von sehr großer Bedeutung.


ECOreporter.de: Auf Basis welcher Informationen können Sie ein realistisches Bild von der Nachhaltigkeit von Unternehmen aus diesen Märkten gewinnen?

Holzer: Bis vor zwei, drei Jahren war die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in Schwellenländern mit einigen regionalen Ausnahmen deutlich unterentwickelt. Wie immer entwickeln sich die Dinge dort aber schnell und die Berichterstattung hat sich quantitativ und qualitativ verbessert. Aber natürlich gibt es noch zahlreiche Unternehmen, die nicht oder ungenügend Bericht erstatten. Dies wirkt sich auch auf die Bewertbarkeit und das Rating aus. Um unsere Datengrundlage zu verbessern, arbeiten wir seit rund zwei Jahren mit dem Research-Unternehmen Asset4 zusammen, das seine Abdeckung in den Schwellenländern ausgebaut hat. Daneben nutzen wir Informationen von NGOs (Non-Governmental Organization, deutsch: Nichtregierungsorganisation. Anm. d. Red.) und der Presse.


ECOreporter.de: Können Sie Beispiele für herausragende nachhaltige Unternehmen aus Schwellenländern nennen? Was zeichnet sie aus?

Holzer:
Unser Anlageuniversum ist bezüglich der Branchen breit diversifiziert. Ein Vorreiter ist beispielsweise das größte brasilianische Kosmetikunternehmen Natura Cosmeticos. Es setzt konsequent auf pflanzliche Rohstoffe und berücksichtigt bei der Beschaffung Umwelt- und Sozialaspekte. Das Unternehmen profitiert vom Trend zu natürlicherer Kosmetika. Das für die Schwellenländer sehr wichtige Thema der Gesundheitsversorgung reflektiert sich in der Geschäftstätigkeit des südafrikanischen Pharmaunternehmens Aspen Pharmacare. Es ist einer der größten Hersteller von generischen antiretroviralen Medikamenten (zur Behandlung von HIV/Aids). Daneben befinden sich in unserem Universum natürlich auch Umwelttechnologie-Unternehmen wie der indische Windturbinenhersteller Suzlon oder der chinesische Solarzellenhersteller Suntech Power. Den Wasserbereich vertreten unter anderem Hyflux und Jain Irrigation.


ECOreporter.de: Wie vergleichbar sind die sozialen und ökologischen Umstände beispielsweise asiatischer Unternehmen mit denen aus Südamerika? Wo sehen Sie markante Unterschiede bei den sozialen und bei den ökologischen Standards?

Holzer: Im Rahmen unserer Analyse hat sich die Meinung vertieft, dass unsere Nachhaltigkeitskriterien global anwendbar sind. Das Betreiben einer Mine in Südamerika und China birgt letztlich die nahezu gleichen Umwelt- und Sozialrisiken. Aber es ist richtig, dass es innerhalb der Schwellenländer Unterschiede gibt bezüglich des Umfelds für eine nachhaltige Entwicklung. Diesbezüglich ein relevanter Faktor ist die Gesetzgebung. Während beispielsweise in China die Gewerkschaftsfreiheit eingeschränkt ist, haben Gewerkschaften in Mexiko und Südafrika großen Einfluss auf zum Beispiel die Bergbaubranche.


ECOreporter.de: Wie konkret unterscheidet sich die soziale Nachhaltigkeit der Unternehmen?
Holzer: Gerade Unternehmen in einem solchen Umfeld können sich durch das Anbieten von guten Arbeitsbedingungen hervortun und sich so Wettbewerbsvorteile erarbeiten. In den Küstenregionen Chinas war Anfang dieses Jahres erstmalig ein großer Mangel an Arbeitskräften in der Industrie feststellbar. Gute Arbeitsbedingungen werden zu einem großen Vorteil in der Rekrutierung.


ECOreporter.de: Spielt die Währungsstabilität in den einzelnen Schwellenländern bei Ihrer Untersuchung eine Rolle?


Holzer: Im Rahmen der Nachhaltigkeitsanalyse von Unternehmen wird dies nicht berücksichtigt. Makroökonomische Aspekte werden aber unter anderem bei unserer Nachhaltigkeitsanalyse von Staaten berücksichtigt. Eine entsprechende Studie, die auch Schwellenländer behandelt, haben wir im März dieses Jahres veröffentlicht. Finanzanalytische Aspekte werden zusätzlich zu den Nachhaltigkeitsbewertungen bei der Erstellung von Portfolios berücksichtigt.


ECOreporter.de: Inwiefern unterscheiden sich die Herausforderungen für um Nachhaltigkeit bemühte Unternehmen dort von denen aus westlichen Ländern?

Holzer: Nachhaltigkeit im Unternehmen kann weitgehend in jedem Umfeld umgesetzt werden. Gerade in Staaten mit schwächer ausgeprägten politischen Rechten können Unternehmen eine Triebfeder für mehr Nachhaltigkeit sein. Natürlich gibt es in einem nicht-demokratischen Umfeld aber auch Situationen wo Unternehmen in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt werden.


ECOreporter.de: Wieso kann es sich für Unternehmen aus diesen Ländern lohnen, sich um mehr Nachhaltigkeit zu bemühen?

Holzer: Wir haben festgestellt, dass als Reaktion auf die diversen ökologischen und sozialen Herausforderungen in den Schwellenländern auf verschiedenen Ebenen ein Wandel zu nachhaltiger Entwicklung feststellbar ist. Regierungen ergreifen auf der gesetzlichen Ebene Maßnahmen und investieren in Umweltprogramme. Parallel beginnen sich auch die Konsumenten und der Finanzmarkt, dem Thema zu widmen. In diesem Umfeld entstehen für Unternehmen neue Risiken und Chancen, die finanziell relevant sind.


ECOreporter.de: Wie schätzen Sie die Korruption in den Schwellenländern ein und wie können Unternehmen gegenüber Nachhaltigkeitsexperten nachweisen, dass sie nicht auf Korruption setzen? Erleiden korruptionsferne Unternehmen eventuell Wettbewerbsnachteile, etwa bei der Auftragsvergabe?

Holzer: Korruption ist ein großes Problem in einigen Schwellenländern, das zeigen auch die Erhebungen von Transparency International. Das Prüfen von formalen Elementen der Korruptionsvermeidung in Unternehmen, wie zum Beispiel Verhaltenskodexe, Schulung und internen Kontrollprozessen ist die Basis unserer Analyse zu diesem Thema. Daneben prüfen wir Medienberichte. Natürlich werden auch wir von Korruptionsfällen überrascht, das Unternehmen wird dann zu diesem Punkt nochmal analysiert und die Bewertung gegebenenfalls angepasst; und dies kommt ja bekanntlich auch bei großen westlichen Unternehmen vor. Wir glauben, dass Korruption einem Unternehmen mittel- und langfristig mehr schadet als nützt.


ECOreporter.de: Inwiefern gibt es ein Interesse von Investoren, in nachhaltige Unternehmen aus diesen Ländern zu investieren? Werden derzeit bestimmte Märkte bevorzugt?

Holzer: Basierend auf der in der Studie beschriebenen Methodik haben wir im März dieses Jahres einen Fonds aufgelegt, der nachhaltig in Schwellenländer investiert (Sarasin Sustainable Equity - Global Emerging Markets). Wir haben in den letzten zwei Jahren ein zunehmendes Interesse von Seiten der Anleger an diesem Thema festgestellt. Da der Fonds vor kurzem aufgelegt wurde, lässt sich anhand des Volumens noch wenig über den Erfolg sagen.


ECOreporter.de: Wie wird sich nach Ihrer Einschätzung die Bedeutung von Nachhaltigkeit und nachhaltigem Investment in diesen Ländern entwickeln?

Holzer: Nach zwei Jahrzehnten starken, relativ ungeregelten Wachstums findet jetzt in den Schwellenländern ein Übergang zu einem verantwortungsvolleren Wachstum statt. Dafür gibt es in den relevanten Bereichen Gesetzgebung, Konsumentenverhalten und Finanzmarkt klare Hinweise. Es ist davon auszugehen, dass das Volumen nachhaltiger Investments analog zu der Entwicklung in den Industriestaaten in den nächsten Jahren substanziell ansteigen wird.

ECOreporter.de: Herr Holzer, herzlichen Dank für das Gespräch!
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