Fonds / ETF

Gewinn schlägt Gewissen – Ölaktien in nachhaltigen Fonds



Vor gut zwei Jahren verursachte BP die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Noch sind die Schäden bei weitem nicht beseitigt, da schickt sich ein weiterer Erdöl-Konzern an, in einem der empfindlichsten Ökosysteme der Welt nach Öl zu suchen: Shell nimmt die Arktis nördlich von Alaska ins Visier. Aufgrund der tiefen Temperaturen dort wären die Folgen einer Ölkatastrophe nicht nur Jahre zu sehen, sondern Jahrzehnte oder Jahrhunderte. Und Shell steht auch beispielsweise bei Umweltschützern wegen Menschenrechtsverstößen in Nigeria am Pranger. Das alles kann nicht nachhaltig sein. Warum ist dann die Aktie von Shell in etlichen nachhaltigen Fonds enthalten, wieso zählt sie bei einigen sogar zu den größten Positionen?

Ein Beispiel sind die nachhaltigen Fonds Dexia Sustainable Europe Fonds von Dexia Asset Management aus Brüssel. Isabelle Cabie, Global Head of SRI bei Dexia Asset Management, rechtfertigt das Investment in die Shell-Aktie mit dem „Best-in-class- Ansatz“ dieser Fonds: Dexia wähle aus jeder Branche die Unternehmen mit der besten Nachhaltigkeitsleistung aus. Auf diese Weise käme nur jede dritte Ölaktie für die nachhaltigen Dexia-Fonds in Frage, so Cabie. Die Nachhaltigkeitsanalysen von Dexia hätten ergeben, dass Shell und Exxon zu dem oberen Drittel – also zu den besten – in puncto Nachhaltigkeit zählten. Dexia analysiert bei seinen Untersuchungen, wie sich die Tätigkeiten von Unternehmen auf das Klima auswirken, auf natürliche Ressourcen und auf Anwohner. Dennoch: Auch die Aktie des US-Ölkonzerns ExxonMobil ist in den Dexia-Fonds enthalten. Der Konzern treibt massiv Lobbyarbeit gegen den Klimaschutz.

Öl-Aktien mit Diktatoren-Touch sind nicht tabu


Natürlich, es gibt Ölkonzerne, die noch bedenklicher erscheinen als Shell und Exxon. Dazu zählt das russische Unternehmen Rosneft. Die Aktie ist aber eine der größten Positionen in dem nachhaltigen Fonds LGT Sustainable Impact Emerging Europe Equity Fund der LGT Capital Management aus Pfäffikon in der Schweiz. Ebenso wie die Aktie der russischen OAO Gazprom, des weltweit größten Gaskonzerns, der sich auch stark im Ölgeschäft engagiert. Die beiden Firmen gelten als verbunden mit dem Putin-Regime, das seine Wirtschaftspolitik auf den massiven Abbau fossiler Brennstoffe gründet. Igor Setschin, der Aufsichtsratsvorsitzende der Rosneft Oil Company, war stellvertretender Leiter der russischen Präsidialadministration unter Wladmir Putin. Wie Gazprom zeichnet sich Rosneft durch Intransparenz aus. Egon Vavrek, Portfolio Manager Equities bei LGT Capital Management, betont allerdings, dass die Rosneft-Aktie nicht von den Negativkriterien seines nachhaltigen Fonds betroffen sei. Ausgeschlossen seien nur Themen wie Spielwetten, Pornographie, Waffen, Tabak und Kinderarbeit. Aber er sagt auch, bei dem Fonds spiele es bei der Aktienauswahl eine Rolle, ob ein Unternehmen sich Umwelt und Sozialem gegenüber korrekt verhalte. LGT wolle im Nachhaltigkeitsbereich Titel auswählen, „die langfristig und nachhaltig das menschliche Wohlbefinden steigern“. Wie Rosneft dazu beiträgt, bleibt offen.

Bildhinweis: Ölkonzerne aus westlichen Ländern haben das Problem, dass dort die Presse über ihre Umweltbelastung berichtet. Russische Ölkonzerne müssen das kaum fürchten. / Quelle: Greenpeace



Der russische Ölkonzern Lukoil gilt ebenfalls als undurchsichtig. Angeblich übernimmt sein Oligarch Yagit Alekperow Medien, die kritisch berichten, und er lässt sie schließen. Dennoch zählte die Aktie noch vor kurzem zu den Top 10 im Portfolio des BankInvest-Fonds BankInvest – BI SICAV Global Emerging Markets Equities SRI, wie Henrietta Schröder für BankInvest aus Luxemburg bestätigt. Nach ihren Angaben folgt der Fonds den UN-Prinzipien für nachhaltiges Investieren, die recht vage formuliert sind und allgemein ein Engagement für soziale und ökologische Nachhaltigkeit verlangen. Zwei weitere Aktien von Firmen, die zu den größten Ölkonzernen der Welt zählen, sind immer noch unter den größten zehn Positionen in dem Fonds: Petrobras aus Brasilien und Cnooc (China Offshore Oil Company) aus China. Cnooc ist eng mit dem Regime in Peking verbunden und ganz auf die ökologisch bedenkliche Tiefseebohrung ausgerichtet.

Schröder verteidigt die Investments mit dem Argument, dass man keine Schwarz-Weiß-Malerei betreiben dürfe. Anstatt die problematischen Akteure des Ölsektors zu bannen, sei es wirkungsvoller, als Investor Einfluss darauf zu nehmen, dass diese Unternehmen nachhaltiger werden. Allerdings: Da Gespräche mit Unternehmensvertretern vertraulich seien, könne sie keine konkreten Beispiele nennen. BankInvest stehe aber im Austausch mit den Firmen.

Die Best-in-class-Rechtfertigung

Der französische Ölkonzern Total steht seit jeher bei Korruptionswächtern in der Kritik – nachgewiesen wurde nichts. Doch schon der Umstand, dass Total sich in Myanmar (vormals Birma), einer Militärdiktatur, den Zugriff auf die Ölvorkommen des Landes sichern konnte, wirft ein schlechtes Licht auf das Unternehmen. Im Frühjahr 2012 sorgte Total für Negativschlagzeilen, als der Konzern ein Gasleck auf einer Plattform in der Nordsee nicht unter Kontrolle bekam. Dennoch ist die Aktie in nachhaltigen Aktienfonds wie dem Pictet Funds (LUX) European Sustainable Equities enthalten, zählt sogar zu den größten Positionen. Christoph Butz, Nachhaltigkeitsexperte bei Pictet & Cie, verweist auf den Best-in-class-Ansatz: Damit wolle Pictet Investoren ansprechen, die sich näher an einer konventionellen Anlagestrategie ausrichteten. Total zeige im Branchenvergleich eine überdurchschnittliche Nachhaltigkeitsleistung, betont Butz. Er verweist darauf, dass Pictet nicht nur solche „hellgrünen“ Fonds anbietet. „Bei unseren Umweltthemenfonds sind aufgrund der engen Themendefinition Ölfirmen von vornherein ausgeschlossen“, so Butz.

Bildhinweis: Christoph Butz. / Quelle: Pictet

Einen Best-in-class-Ansatz verfolgt auch die unabhängige Nachhaltigkeitsrating-Agentur oekom research aus München. Kristina Rüter sieht Investitionen in Ölaktien jedoch kritisch: „Die Hauptaktivitäten von Ölkonzernen liegen nach wie vor in der Förderung, Aufbereitung und Vermarktung endlicher fossiler Rohstoffe. Angesichts der fortschreitenden Erschöpfung leicht zugänglicher Vorkommen sind immer aufwändigere Förder- und Aufbereitungstechnologien nötig, um Energiereserven wie Ölsände, Schiefergas oder Ölvorkommen in schwer zugänglichen oder ökologisch sensiblen Regionen wie der Arktis oder der Tiefsee zu erschließen.“ Dabei, so die Expertin, würden wachsende Risiken und Umweltbelastungen in Kauf genommen. Sie begrüßt zwar, dass Ölkonzerne vereinzelt in alternative Energien investierten. So hat etwa Total eine Photovoltaik- Sparte aufgebaut, und Petrobras investiert auch in Windparks. Dergleichen könne aber „noch nicht als klarer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gewertet werden“, sagt Rüter.

Lieber dicke Gewinne als satte Nachhaltigkeit

Auch in Nachhaltigkeitsfonds der Bank Sarasin aus Basel sind Ölaktien zu finden. So ist die Aktie des norwegischen Ölkonzerns Statoil eine der größten Positionen des Sarasin Sustainable Equity – Europe. Laut Sarasin-Experte Erol Bilecen sollte man über den Finanzmarkt Ölgesellschaften Anreize geben, „die Wertschöpfungskette verstärkt hin zu mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln“. Sarasin stelle an die Nachhaltigkeit von Ölaktien besonders hohe Ansprüche. „Die wichtigste Frage ist, ob die Öl-Unternehmen ihr Kerngeschäft aus Umwelt- und Sozialsicht im Branchenvergleich verantwortungsvoll ausüben“, so Bilecen. Das hauseigene Nachhaltigkeitsresearch untersuche etwa die Umwelt- und Klimabelastung, Unfallzahlen, den Umgang mit Korruption und mit Menschenrechten. Bilecen betont aber auch: „Trotz der offensichtlichen Risiken vor allem auf der Umweltseite bieten Öl-Unternehmen einen nicht zu unterschätzenden, sozioökonomischen Nutzen.“

Hier setzt die Kritik von Silke Stremlau an. Sie ist Nachhaltigkeitsexpertin bei imug aus Hannover, einer unabhängigen Nachhaltigkeitsrating- Agentur. Viele nachhaltige Fonds investierten in Öl-Aktien, weil diese gegenwärtig eine gute Wertentwicklung versprächen, sagt sie. „Auch wenn einige Öl-Unternehmen dazu gelernt und angefangen haben, ihre Nachhaltigkeit zu verbessern: vom imug bekommt kein Öl-Unternehmen eine Top-Note für Nachhaltigkeit“, erklärt Strelau. Sie zähle die Branche weiter zu den problematischen Sektoren. Es gebe dort keine Vorreiter. Und die Ölförderung sei eine hochriskante Technologie. Stremlau: „Wenn man nach Öl bohrt, kann es immer Katastrophen geben. Hinzu kommt das bei Öl-Projekten weiterhin große Problem der Korruption.“

Bildhinweis: Silke Stremlau. / Quelle: imug

Das US-Magazin Forbes hat für 2011 eine Liste der gewinnstärksten Unternehmen der Welt erstellt. Unter den sechs Konzernen, die an der Spitze stehen, sind fünf Unternehmen aus der Ölbranche: Exxon, Gazprom, Shell, BP und Chevron. Die dicken Gewinne der Erdölgesellschaften bedeuten für etliche nachhaltige Fonds gute Aussichten auf schöne Wertzuwächse – und auf den Verlust der Glaubwürdigkeit.
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