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"Fingerabdruck der Wirklichkeit" mit Renditepotential - Fotografien als Geldanlage
Von Thomas Linden
Etwa zwanzig Jahre ist es her, da steckte ein Geschäftsmann, der gerade einen sehr befriedigenden Handel abgeschlossen hatte, einer Dame mit exquisitem Kunstgeschmack einige Tausend Dollar zu und forderte sie auf, dafür ein paar gute Fotografien zu kaufen. Jill Quasha kaufte, was ihr gefiel, und in kurzer Zeit trug sie für die Quillian Company – so heißt das private Investment-Unternehmen – ein kleines Konvolut zusammen, das Sothebys in New York in diesem Frühjahr versteigerte. Die 69 Fotografien der „Quillian Collection“ brachten knapp neun Millionen Dollar ein.
Ein Paukenschlag - aber ein erwarteter. Als Beobachter der internationalen Fotoszene wundert es mich, dass sich solche Ereignisse nicht öfter zutragen. Jährliche Wertsteigerungen von zehn bis 15 Prozent sind üblich. Der 1976 gestartete Kunstfotografieindex – Comparative Auction Index – der Zeitschrift „Photograph Collector“ weist sie beharrlich Jahr um Jahr aus.
Als Journalist und Ausstellungsmacher führt mich mein Weg immer wieder in die Foyers von Konzernzentralen oder in die Lounges großer Hotels, und ich denke insgeheim: Was für wundervolle Kunstwerke hält die Fotografie für solche Räume bereit. Große Formate mit irisierenden Blautönen amerikanischer Fotografen etwa. Die Mitarbeiter einer Firma, die morgens an solchen Kunstwerken vorbei in ihr Büro gehen, würde die Frische und Vitalität solcher Arbeiten nicht unberührt lassen. Ein Zahnarzt, der in seiner Praxis zwölf Fotografien eines deutschen Fotografen der Neuen Sachlichkeit präsentiert, die mit hoher Präzision die feinen Strukturen von Muscheln und Schneckengehäusen zeigen, berichtet, wie diese Bilder seine Patienten beruhigen. Eine Erfahrung, die eine Ärztin bestätigt, die sich auch nach über zehn Jahren nicht satt sehen kann an Martin Classens Fotografie eines Baumes, der durch das Tor einer fürstlichen toskanischen Residenz wächst.
Arbeiten von Julius Shulman, einem der großen amerikanischen Architekturfotografen, die 2000 noch für 500 DM zu haben waren, kosteten 2005 bereits 5.000 Euro. Im Vergleich zu den explosionsartigen Preisen, die heute für Malerei gezahlt werden, nehmen sich die Wertsteigerungen der Fotografie immer noch bescheiden aus. Und gerade darin liegt die Überzeugungskraft dieses Marktes, der eben nicht aufgepumpt ist wie eine Blase. Die fotografischen Arbeiten haben eine Wertschöpfungsgeschichte: Wenn ein Fotograf eine Arbeit für 50.000 Euro verkauft, werden die folgenden Arbeiten mit dieser Summe gedeckt, jeder weitere Käufer sichert den Wert. So gibt es im Bereich der Fotografie auch keine Flops, wie sie die Malerei kennt. Die entstehen entweder, weil der Preis zum Beispiel für einen jungen Künstler so schnell steigt, dass die Werke die Dotierung noch nicht eingelöst haben. Oder sie resultieren aus der Gier eines Künstlers, der zu viel produziert. Salvador Dalis Geschäftspraktiken genießen heute noch einen zwiespältigen Ruf, nachdem von überallher Werke mit Originalsignaturen auftauchten.
Die Welt der Fotografie ist eine andere. Letztlich kann man die Werte der Arbeiten nicht abwägen. Der Versuch, dieses Phänomen über den Markt begreifbar zu machen, wirkt immer wie ein übergestülptes System. Fotos haben nicht die Funktion von Aktien. Wenn die Kurse abstürzen, ist bei Aktien möglicherweise alles verloren. Der Wert eines Bildes bleibt oder wächst, wenn einem das Bild gefällt. Mit der Kunst verhält es sich ein bisschen so wie mit einem guten Whisky: Es ist vielleicht nicht der erste Schluck, der die Begeisterung auslöst, aber beim zweiten oder dritten Versuch packt einen unweigerlich eine eigenwillige Faszination. Geschmack prägt sich aus, es braucht nicht lange, dann unterscheidet man mit Leichtigkeit einen Single Malt von einem Schnäppchenkauf. In der Fotografie achtet man dann auf die Unterschiede zwischen Vintage Prints und Modern Prints und fällt auch nicht auf den durchaus weit verbreiteten Kitsch im fotografischen Sortiment herein.
Der Kauf einer Fotografie ist ein sehr emotionales Ereignis. Ich erinnere mich, wie ich mich 2000 in eine Fotografie von Gary Winogrand verliebte. Das Bild zeigt eine Frau in einem eleganten Kostüm, die sich in einem Moment vollkommener Versunkenheit auf einem Stuhl in einem Museum gesetzt hat und schreibt. Damals kostete das Bild 600 Mark; ich habe es nicht erworben. Inzwischen ist es im Wert auf 5.000 Euro gestiegen, wenn man es denn noch bekäme.

Fotografien geben etwas, das spürt man, wenn das Bild an der Wand hängt. Die Arbeiten strahlen Energie aus, sie verändern den Raum, sie verändern uns. Man darf nicht vergessen, Fotografien sind ein Stück Leben. Ein Gegenstand, sei es eine Muschel, ein menschlicher Körper, eine Landschaft oder ein Gesicht, sind im Moment der Aufnahme von den Lichtwellen abgetastet worden. Die Fotografie belegt ihre Existenz, sie ist ein Fingerabdruck der Wirklichkeit, und das sieht man einer Fotografie von Edward Weston, Araki, August Sander oder Piergiorgio Branzi an, und man vermeint es sogar zwischen den Fingerspitzen fühlen zu können.
Wo kauft man? Der Markt ist groß, ein guter Berater, der Zugang zu den Ateliers der Künstler hat, kann da nützlich sein. Etwa jemand wie Michael Staab (staab001@aol.com), der schon unzählige Ausstellungen für Kunst und Fotografie eingerichtet hat. Mitunter liegen die Preise dann beim Künstler um 20 bis 30 Prozent unter denen der Galerien.
Der Einstieg in das Sammeln von Fotografe ist leicht, und der Besuch in einer Galerie ist immer interessant. Junge Künstler sind vergleichsweise teurer als die modernen Klassiker. Das liegt zum Teil an den Materialschlachten, die von den Jungen angesichts ihrer großen Formate geschlagen werden. In einer Arbeit der Französin Marie Amar enthält der Preis von 9.000 Euro alleine 4.500 Euro Herstellungskosten. Großartige Arbeiten von Lee Friedlander, der heute schon zu den Legenden der Fotografie-Geschichte zählt, sind für 6.000 Euro zu haben. Aber auch für 1.500 Euro gibt es schon Werke zu kaufen, die Substanz für eine große Zukunft in sich tragen. Schwarzweiß-Fotografie lässt sich problemlos lagern, ein guter Schrank fasst hunderte Arbeiten, und es gibt fast keine Kosten für Restaurierung.
Für Unternehmen bietet sich der Einstieg mit Editionen der klassischen Moderne an. Die Stadtsparkasse Köln/Bonn hat das mit ihrer SK-Stiftung Kultur gezeigt, deren Name auf ewig mit dem Werk von August Sander, aber auch mit Bernd und Hilla Becher verbunden sein wird, drei der einflussreichsten Künstlerpersönlichkeiten der Fotografie des 20. Jahrhunderts. Ein Unternehmen kann sich auf diese Weise unsterblich machen, selbst wenn die Firma nicht mehr existiert, prangt ihr Name bei einer Ausstellung immer noch auf den Auszeichnungen der Werke.
Wer in das Sammeln von Fotografie einsteigen will, sollte darüber nachdenken, wofür Interesse besteht: Sind es Sujets, die eine Verbindung zur eigenen Person oder zum Profil des Unternehmens unterhalten, oder entscheidet man sich für Künstler, Genres wie Akte, Landschaften, Stillleben - oder Epochen. Es gibt Herrliches zu entdecken, mit ihren unglaublichen Farben und ihrer feinen Linienführung fordert die Fotografie die Malerei heraus. Sie hat heute vielleicht die Leitfunktion unter den bildenden Künsten übernommen, sicher ist sie die engagierteste Kunstrichtung, in der unsere Gegenwart mit analytischem Scharfblick betrachtet wird. Gehe ich wieder einmal durch eines jener wie in Marmor gehauenen Unternehmens-Foyers, denke ich, wie schnell sich hier mit einer einzigen Fotografie das Leben entfachen ließe. Für 100.000 Euro wäre der Stock für eine Sammlung gelegt. Nicht mit Dekoration, sondern mit Kunst, mit Bildern, die inspirieren und Kreativität wecken.
Zuverlässige Informationen über das Geschehen auf dem internationalen Auktionsmarkt bietet www.Artfact.com.
Bildhinweis: Martin Classen - Selbstportrait, Villa Massimo