Anleihen / AIF

Faire Chance für den Ausstieg? - Wölbern schlägt Anlegern Immobilienverkäufe vor

Das Hamburger Emissionshaus Wölbern Invest plant eine spektakuläre Maßnahme: es will mit einem Schlag aus seinem Immobilienportfolio Objekte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 1,4 Milliarden Euro verkaufen. Damit steht fast der gesamte Bestand der geschlossenen Immobilienfonds des Unternehmens zum Verkauf.

„Wir haben rund 40.000 Privatanlegern eine erste Information zukommen lassen, in der wir den Verkauf ihrer Fondsimmobilien anbieten“, erläutert Thomas Kühl, der Generalbevollmächtigte der Wölbern Invest KG. Kühl erklärt diese Pläne damit, dass sich die Markt- und Finanzierungsbedingungen in wesentlichen Immobilienmärkten stark verschlechtert hätten. „Im aktuellen und absehbaren wirtschaftlichem Umfeld hat sich das Risikoprofil unserer Fonds vollständig verändert, sogar ins Gegenteil verkehrt“, lautet seine Analyse. Er ergänzt: „Unseren Privatanlegern, die bislang keine Verluste kennen, bieten wir zum richtigen Zeitpunkt eine faire Chance, einen wirtschaftlich vernünftigen Exit umzusetzen.“

Wie der Generalbevollmächtigte der Wölbern Invest KG erläutert, belasten gleich mehrere Faktoren das europäische Immobiliengeschäft. So wirke sich die aktuelle Schulden- und Finanzkrise in Märkten Südeuropas, aber auch in weniger stark verschuldeten Ländern wie Frankreich und den Niederlanden aus. Die schleppende Wirtschaft erschwere die Vermietung von Büroimmobilen, aber auch die Finanzierung von derartigen Objekten. Deutsche Finanzierungsinstitute seien mittlerweile weniger bereit, im europäischen Ausland Immobilien zu finanzieren.

Kühl erläutert die Probleme am Beispiel des niederländischen Marktes. Zu einer Kernkompetenz von Wölbern Invest gehörten bislang Holland-Fonds, die in niederländische Büroimmobilien investieren. Laut unabhängiger Marktgutachten befindet sich die Wirtschaft der Niederlande bereits zum dritten Mal innerhalb von nur vier Jahren in einer Rezession. Der niederländische Vermietungsmarkt leide unter den unsicheren wirtschaftlichen Bedingungen. Zusätzlich hätten die Gemeinden Freiheiten bei der Stadtplanung und Baurechtschaffung dazu genutzt, über den tatsächlichen Bedarf hinaus Büroflächen auszuweisen. Das habe dazu geführt, dass in den Niederlanden schon heute rund 15 Prozent der Bürogebäude leer stehen. „Wenn derzeit überhaupt Mieter für Flächen zu interessieren sind, dann erwarten diese bis zu 15 Freimonatsmieten bei einer Laufzeit von lediglich fünf Jahren. Die Kosten für derartige Incentives haben sich verdoppelt “, so der Generalbevollmächtigte der Wölbern Invest KG hierzu.

„Das Risiko eines fortschreitenden und anhaltenden Verzehrs des investierten Kapitals der Anleger würde sich aufgrund der marktbedingten Veränderungen  im Falle der Fortführung der Fondsgesellschaft zukünftig nicht mehr ausschließen lassen“, bilanziert Kühl. Deswegen wolle Wölbern den Anlegern die Verkaufsstrategie unterbreiten. „Unser Angebot an die Anleger kann und soll sicherstellen, dass ihnen Kapitalerhöhungen oder Verluste erspart bleiben. In absehbarer Zukunft wird das nicht mehr zu leisten sein“, stellt er klar.

Wie aber will das Emissionshaus dabei vorgehen und die Anleger einbinden? Laut Kühl ermittelt eine bankenunabhängige Ratingagentur derzeit den Wert des aktuellen Immobilienbestandes. Dann werde der Erlös je Fonds so berechnet, dass sich das Verhältnis der Investition zum Gesamterlös darin widerspiegle. In der zweiten Aprilhälfte 2013 sollen die Anleger mit konkreten Angaben über die jeweilige Höhe des für sie zu erwartenden Verkaufserlöses und daraus resultierende Mittelrückflüsse informiert werden. Zudem sollen entsprechende Handlungsalternativen zur Abstimmung gestellt werden. „Wir werden vermeiden, dass ein hoher Preis für das eine Projekt einen geringen Verkaufspreis für ein anderes Projekt ausgleicht. Es wird also keine Umlage innerhalb des Gesamtpaketes geben, sondern eine faire Beteiligung jedes einzelnen Fonds am Erlös“, betont Kühl.

Jeder Anleger werde im April 2013 eine detaillierte Aufstellung der Berechnung erhalten und nicht nur dürre Angaben zum erwarteten Verkaufserlös. Außerdem werde Wölbern ein Alternativszenario für den Fall zur Verfügung stellen, dass der Verkauf nicht beschlossen werde und somit der jeweilige Fonds fortgeführt werden soll. Darin werde etwa der nach Berechnungen von Wölbern fortan zu erwartende Mittelrückfluss dargestellt. „Für jeden einzelnen Fonds werden die Anleger darüber abstimmen, ob sie unserer Analyse und dem Verkaufsangebot folgen wollen“, erläutert Kühl. Bis Ende Mai 2013 soll die Abstimmung erfolgen. Mindestens 25 Prozent der Anleger müssen sich daran beteiligen. Davon wiederum müssen sich 75 Prozent der abgegebenen Stimmen für den Verkauf aussprechen, damit Wölbern diesen einleiten kann.

Parallel zu den Abstimmungen will das Emissionshaus bereits Gespräche mit potenziellen Investoren über den Verkauf der betroffenen Immobilien führen und innerhalb eines Jahres nach der Abstimmung die Verkaufsphase abschließen. „Wie bei unserem Portfolioverkauf in 2007 stellen wir den Anlegern einen Vorratsbeschluss über einen Mindestverkaufspreis zur Abstimmung“, so Kühl. Sofern diesem zugestimmt wird, gelte er für ein Jahr. Wenn der Verkauf der Immobilien nicht in diesem Zeitraum abgeschlossen werde, würden die Fonds fortgeführt. Er sei aber zuversichtlich, dass der Verkauf rechtzeitig erfolge. Dann würden die entsprechenden Fondsgesellschaften voraussichtlich bis Ende des Jahres 2014 aufgelöst.

Wölbern will die Immobilien aus den Niederlanden, aus Frankreich, Deutschland, Österreich, Großbritannien und Polen in einem Portfolio oder auch in mehreren Portfolios anbieten. „Die Nachfrage von großen, international tätigen Investoren nach Immobilien konzentriert sich derzeit besonders auf große Volumina, wie sie durch die Bündelung einzelner Objekte in Portfolios oder Paketen erreicht wird“, sagt Kühl. Eine solche Bündelung von Immobilien ermögliche es institutionelle Investoren, die Anlagerisiken breit zu streuen. Zudem würden sie dafür günstigere Finanzierungskonditionen erhalten. Das wiederum erhöhe die Chance, beim Verkauf der Wölbern-Immobilien im Paket einen im Vergleich zum Einzelverkauf höheren Kaufpreis zu erzielen.

Wölbern hat in den letzten Jahren eine Reihe nachhaltiger Immobilienfonds auf den Markt gebracht. „Diese Fonds haben in Immobilien investiert, die nicht nur noch recht jung sind, sondern auch Energie und damit Kosten sparen. Auch in den Risikobewertungen der finanzierenden Banken schneiden die nachhaltigen Immobilien gut ab“, sagt Kühl dazu. Den Vertrieb zweier nachhaltiger Immobilienfonds hatte Wölbern im Herbst 2012 frühzeitig gestoppt (wir Opens external link in new windowberichteten). In diese Produkte sei kein Anlegerkapital geflossen, stellt Kühl hierzu fest.

Der Generalbevollmächtigte der Wölbern Invest KG verweist darauf, dass sein Unternehmen bereits in 2007 mit einem umfassenden Portfolioverkauf wichtige Erfahrungen gesammelt habe. Damals habe das Unternehmen 46 Holland-Fonds mit insgesamt 72 Immobilien im Gesamtwert von 1,2 Milliarden Euro verkauft. Seither wisse man im Unternehmen, mit welcher Sichtweise institutionelle Investoren Immobilien vor einem Investment betrachten und sei in der Lage, sich auf deren Bewertungsschemata einzustellen. Besonders gute Verkaufschancen sieht Kühl bei den nachhaltigen Immobilien im Bestand. Was die Großtransaktion die Anleger kosten könnte, kann Kühl aufgrund diverser „Variablen“ wie möglicher Vorfälligkeitsentschädigungen, Vermittlerhonorare oder Kosten für einen externen Wirtschaftsprüfer  zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht  genau beziffern. Ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer soll nach seinen Angaben nicht nur den Verkauf, sondern auch die anfallenden Kosten und Gebühren plausibilisieren und darüber einen Bericht vorlegen.
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