Erneuerbare Energie

Experten sehen die deutsche Windkraft auf der Überholspur - doch es gibt Risiken

Die Windkraft in Deutschland boomt und steuert in diesem Jahr auf einen Installationsrekord zu. Experten haben dazu Zahlen und Prognosen genannt. Sie weisen aber auch auf Risiken hin, die das weitere Wachstum gefährden können.

Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wurden in den ersten acht Monaten von 2014 mit Wind insgesamt 36.027 Gigawattstunden (GWh) Strom erzeugt. Das seien 23 Prozent mehr gewesen als im selben Zeitraum im Jahr 2013 (29.288 GWh). Die HSH Nordbank sagt für das Gesamtjahr einen Anstieg der deutschen Windkraftkapazität um vier Gigawatt (GW) voraus. Damit würde der Zubau in diesem Jahr noch höher ausfallen als im Vorjahr. 2013 war deutsche Windkraftkapazität gegenüber 2012 um 29 Prozent auf 2.998 Megawatt (MW) bzw. knapp drei GW gewachsen.

Die HSH Nordbank ist bereits seit drei Jahrzehnten im Bereich der Erneuerbaren Energien aktiv und zählt nach eigenen Angaben zu den drei führenden Finanzierern von Wind- und Solarprojekten in Europa. Sie erklärt den gegenwärtigen Installtionsboom in Deutschland vor allem mit der Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Dieses sieht deutliche Einschnitte bei der Windkraftförderung vor. Es ist zwar schon seit Anfang August 2014 in Kraft, doch gilt für Windkraftprojekte eine lange Übergangsfrist. Wenn sie rechtzeitig beantragt wurden und umgesetzt werden, wird deren Windstrom noch 20 Jahre lang mit dem alten, attraktiveren EEG-Tarif vergütet.

Politische Weichenstellungen setzen den Rahmen

In ihrer Windstudie sagt die HSH Nordbank aber auch für die kommenden Jahre ein starkes Wachstum der deutschen Windkraftleistung voraus. Deren Gesamtkapazität hatte sich Ende 2013 auf knapp 34 GW summiert und dürfte nach der Prognose der HSH Nordbank schon im kommenden Jahr die Marke von 40 GW übertreffen. Denn deren Experten erwarten für 2015 und 2016 einen Zubau von jeweils deutlich über drei GW. Die Bundesregierung hatte bei ihrer EEG-Novelle als Zielvorgabe für den Windkraftzubau einen Wert von 2,6 GW jährlich gesetzt. Die Experten der HSH Nordbank gehen davon aus, dass nun verstärkt Binnenstandorte für neue Windkraftprojekte genutzt werden, da immer weniger attraktive Küstenstandorte zur Verfügung stehen. Viele Binnenländer hätten bereits eigene Ziele für den Ausbau der Windenergie definiert. So will Nordrhein-Westfalen bis 2020 einen Anteil von 15 Prozent der Stromversorgung durch Windkraft decken, in Baden-Württemberg sind 10 Prozent geplant.

Dazu führt Hildegard Müller, der BDEW-Hauptgeschäftsführung, an, dass nicht alle Bundesländer die Bedingungen für Windkraft verbessern. „Wenn wir die Energiewende als gesellschaftliches Großprojekt ernst nehmen wollen, dann müssen die Bundesländer mehr Verantwortung übernehmen. Ohne die notwendigen Flächen für Windanlagen werden die ehrgeizigen Ausbauziele nicht erreicht", stellt Müller fest. „Vor allem mit der kürzlich zusammen mit der EEG-Novelle beschlossenen Länderöffnungsklausel wird das Potenzial der Windenergie an Land drastisch reduziert. Dies konterkariert die Bemühungen aller Akteure, die den Ausbau der Windenergie an Land vorantreiben", so die Vorsitzende.

Die HSH Nordbank warnt, dass der von der Bundesregierung geplante Umbau des Fördersystems den Ausbau der Windkraft zumindest vorübergehend bremsen könnte. Sie plant den Ausstieg aus dem bisherigen System der festen Einspeisetarife und die Einführung eines Ausschreibungssystems. Das Ausmaß des befürchteten Einbruchs hängt laut Patrick Miljes, bei der Bank Leiter des Unternehmensbereiches Energy & Infrastructure, davon ab, wie schnell die Ausschreibungsverfahren für neue Windkraftprojekte beginnen.

Zu dem erwarteten Ausbau der Windkraft trägt der HSH Bank zufolge wesentlich bei, dass der Windstrom immer kostengünstiger produziert werden kann. Sie verweist auf den fortschreitenden Preisverfall und die weiter steigende Effizienz von Windkraftanlagen. Dagegen sei bei fossilen Energieträgern mittel- bis langfristig steigende Erzeugungskosten zu erwarten. Schon heute sei Windenergie aus Anlagen an Land unter günstigen Standortbedingungen wettbewerbsfähig. Patrick Miljes: „Langfristig wird die Windkraft einen wichtigen Beitrag zu einem bezahlbaren Energiemix leisten.“

Offshore-Windkraft vor dem Wachstumssprung?

Bis zum Ende 2023 könnten nach Annahmen der HSH Nordbank rund 60 GW Windkraft in Deutschland am Netz angeschlossen sein, acht GW davon Offshore – also auf See. Damit dürfte die Osshore-Windkraft in den nächsten Jahren enorm zulegen. Denn laut dem Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE) drehten sich Ende 2013 über deutschen Gewässern erst Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von insgesamt 520 MW. Laut dem VDMA Power Systems, der Interessenvertretung der Anlagenhersteller, wird dazu beitragen, dass auch Offshore-Windkraft immer kostengünstiger wird. "Moderne Offshore-Anlagen sind um bis zu 20 Prozent effizienter als Anlagen der ersten Generation. Die Lebensdauer beträgt fünf Jahre länger und Fundamente für große Anlagen sind mit innovativen Konzepten deutlich günstiger. Das senkt die Erzeugungskosten effektiv", erläutert Andreas Nauen, Vorsitzender VDMA Power Systems und CEO des Windradherstellers Senvion SE. Sein Unternehmen, eine deutsche Tochtergesellschaft des indischen Windkraftkonzerns Suzlon, hat bereits Offshore-Windparks mit Anlagen versorgt.

Bildhinweis: Transport von Rotorkränzen einer Offshore-Windkraftanlage von Senvion. / Quelle: RWE

Im europäischen Vergleich der besten Offshore-Windbedingungen sieht die Windstudie der HSH Nordbank Großbritannien nach wie vor an der Spitze. Frankreich biete dafür die zweitbesten Windbedingungen, liege allerdings beim Ausbau und den Bestandszahlen weiter hinter den anderen großen europäischen Ländern zurück. Großes Ausbaupotenzial schreibt die Windstudie dem irischen Windmarkt zu. Patrick Miljes betont, dass Deutschland als eines der Pionier-Länder der Windkraft auch in den nächsten Jahren europäischer Spitzenreiter bleiben dürfte. Und dabei werde die Offshore-Windenergie eine wichtige Rolle spielen.

Globaler Windmarkt weiter aus Wachstumskurs

Für die deutsche Windkraftindustrie bleibt aber das Auslandsgeschäft wichtig. Das unterstreicht Andreas Nauen für den VDMA Power Systems. Das gelte etwa für die Hersteller von Windrädern. Die börsennotierte Nordex zählt vor Senvion und nach Enercon zu den größten deutschen Akteuren im Weltmarkt für Windkraftanlagen. Sie setzt dabei mit Erfolg auf neue Absatzmärkte, etwa die Türkei und Südafrika. Senvion-Chef Nauen sieht dort ebenfalls großes Potential. Das gelte ebenso für Kanada und Japan. Schwierig seien allerdings neue Märkte, die wie Brasilien, von der Industrie "Local Content" fordern, also die Produktion der Anlagen vor Ort. Aus diesen Märkten würden sich Hersteller und Zulieferer teilweise zurückziehen.

Der VDMA Power Systems erwartet laut seinem Vorsitzender in 2014 bei den Neuinstallationen ein globales Wachstum von 25 Prozent. Für 2015 und die folgenden Jahre rechnet er damit, dass die Zahl neu gebauter Anlagen moderat um rund fünf Prozent pro Jahr wächst. Im Jahr 2018 würden laut voraussichtlich 52.000 Megawatt Leistung neu installiert.
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