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EU legt Solarstreit mit China bei - Gewinner und Verlierer des Kompromisses

Die Kursentwicklung an der Börse in Frankfurt spricht Bände: Heute früh geht es für die Aktien chinesischer Solarhersteller steil aufwärts. Yingli Green Energy verteuerte sich bis 11 Uhr in Frankfurt zweistellig, Trina Solar legte über neun Prozent zu, Renesola 7,5 Prozent, LDK Solar über sechs Prozent. Sie und andere große Solarhersteller aus der Volksrepublik dürften wohl nicht nur nach Einschätzung der Börsianer davon profitieren, dass China den Solarstreit mit der EU beigelegt hat. Das war am Wochenende bekannt geworden.

EU-Handelskommissar Karel de Gucht hatte seit Wochen mit China über einen Kompromiss in dem Solarstreit verhandelt und nun bekannt gegeben, dass ein solcher gefunden worden sei. Dieser Streit hat sich zugespitzt, als die EU-Kommission im Juni 2013 Importzölle in Höhe von zwölf Prozent  auf die Einfuhr chinesischer Solartechnik in die EU eingeführt hatte. Ab dem 6. August 2013 jedoch hätten sie sich drastisch erhöht, auf bis zu 67,9 Prozent. Daraufhin hatte sich China auf Verhandlungen eingelassen. Allerdings hätten nach einigen Monaten die Regierungen der EU-Staaten darüber entscheiden müssen, ob die erhöhten Strafzölle auch langfristig gelten sollen. Unter anderem Deutschland hatte bereits deutlich gemacht, sich dagegen zu sperren – aus Sorge um den wichtigen Export deutscher Industrieprodukte nach China. Die Verhandlungsposition von de Gucht war daher von vornherein schwach gewesen. Und so sind die Chinesen ihm bei dem Kompromiss offensichtlich kaum entgegen gekommen.

Zum Hintergrund: in den vergangenen Jahren haben Solarhersteller aus China ihre Produktionskapazität massiv ausgebaut. Das gelang ihnen mit starker Unterstützung staatlicher und lokaler Institutionen. Zum Beispiel stellten staatliche Banken umfassende und günstige Kreditlinien zur Verfügung und Kommunen kostenlose Gelände für Solarfabriken. Nicht zuletzt deshalb konnten chinesische Firmen Solarkomponenten deutlich günstiger anbieten als westliche Konkurrenten, von denen viele erst ins Abseits und dann in die Pleite rutschten. Vor allem seit so ein starkes Überangebot im Weltmarkt für Solartechnik entstand, dass zu einem massiven Preiseinbruch führte. Denn wiederum konnten die großen chinesischen Hersteller besser auffangen als westliche Hersteller, eben weil sie von staatlicher Seite auf verschiedene Weise unterstützt werden, während westliche Anbieter auf sich allein gestellt blieben und ihnen etwa finanzierende Banken neue Kredite versagten oder bestehende Kreditzusagen zurücknahmen.

In den USA wurden daher in 2012 Strafzölle auf Solartechnik aus China eingeführt. Das hat zwar in China zu Verstimmung geführt, aber die mächtigen USA mussten sich nicht zu Verhandlungen mit der Volksrepublik über diese Maßnahme herablassen. Diese sanktionierte schließlich, dass die Praktiken in China gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen, der auch China angehört. Am lautesten war noch der Protest aus der US-amerikanischen Solarbranche selbst ausgefallen: von Solarprojektierern zum Beispiel, die davon profitierten, dass die unfaire Konkurrenz aus Fernost es ihnen ermöglichte, Solartechnik günstig einzukaufen. Zudem von Solarzulieferern, die viele Kunden in China beliefen und Gegenmaßnahmen wie etwa Strafzölle Chinas auf Siliziumlieferungen aus den USA in die Volksrepublik befürchten.

Solche Gegenmaßnahmen hat China den USA angedroht und zuletzt auch der EU. Nur in Europa zeigte diese Drohung aber nachhaltig Wirkung. Zumal sich außer der SolarWorld AG kaum ein Solarunternehmen aus der EU offen für Strafzölle auf chinesische Solartechnik aussprach. Der Bonner Solarkonzern ist auch die wichtigsten Antriebskraft für die Initiative EU ProSun, die das Verfahren angestoßen hatte, an deren Ende die Einfuhr der Strafzölle im Juni stand. Mithin ist die SolarWorld auch ein großer Verlierer des aktuellen Kompromisses. Denn er wird nicht wie erhofft im Herbst durch hohe Strafzölle gegen die günstige Konkurrenz aus Fernost geschützt werden. Das aber war eine große Hoffnung der Konzernführung, die derzeit mit einschneidenden Maßnahmen wie etwa einem harten Kapitalschnitt versucht, die Insolvenz zu vermeiden (wir  berichteten darüber).

Denn wie noch nicht offiziell bekannt gegeben wurde, aber bereits durchsickerte, muss China nur schwache Auflagen erfüllen, damit die EU auf Strafzölle verzichtet. So müssen die Hersteller aus der Volksrepublik für ihre Solarmodule in der EU bis Ende 2015 einen Mindestpreis verlangen. Der soll bei 56 Eurocent je Watt Solarstromleistung liegen. Zu diesem Preis waren sie bereits im Juni gehandelt worden (per Mausklick (Link entfernt)gelangen Sie zu unserem aktuellen Beitrag über die Preisentwicklung bei Solarmodulen in Deutschland). Deutsche Hersteller können mit solchen Preisen nicht konkurrieren, verlangten zuletzt im Schnitt 77 Eurocent.

Bildhinweis: Die meisten in Europa neu verbauten Solarmodule stammen von chinesischen Herstellern: Photovoltaikanlage mit Modulen von Yingli. / Quelle: Unternehmen

Zwar soll sich China dazu verpflichtet haben, die Auslieferung von Solarmodulen zu diesem Mindestpreis auf maximal sieben Gigawatt pro Jahr zu begrenzen. Doch schon mit dieser Menge würden sie mehr als zwei Drittel der europäischen Nachfrage für Solarmodule abdecken. Zumal die Vergangenheit gezeigt hat, dass China sich wenig darum schert, derartige Zusagen einzuhalten und bei Verstöße langfristig darum schachert, inwiefern es Verstöße gegen Vereinbarungen gab und wenn, welche Strafen dafür angemessen wären.
Die chinesischen Solarhersteller – zumindest die großen denn die könne aufgrund ihrer großen Produktionsmengen am günstigsten fertigen und daher am besten mit dem Mindestpreis leben – gehen folglich als Gewinner aus dem Konflikt mit der EU-Kommission hervor.

Auch die deutschen Solarprojektierer – zum Beispiel die börsennotierte S.A.G. Solarstrom AG aus Freiburg - können weiter mit dem günstigen Einkauf von Solartechnik kalkulieren. Wäre der Handelskonflikt mit China eskaliert, hätte es nicht nur zu steigenden Einkaufspreisen kommen können. Es bestand sogar die Gefahr, dass chinesische Solarhersteller ihre Lieferungen in die EU so weit reduzieren, dass Projekte verschoben werden müssen, weil nicht genügend Solarkomponenten auf dem Markt sind.

Insgesamt kann Solarstrom in der EU nun weiter günstig produziert werden – wenn auch in anhaltend großer Abhängigkeit von Solartechnikherstellern aus Fernost. Und europäische Solarzulieferer müssen keine Hemmnisse bei Geschäften mit ihren Kunden aus China befürchten. Das gilt für Unternehmen, die wie etwa Pfeiffer Vacuum AG aus Asslar Technik für Solarhersteller liefern, und für Unternehmen, die wie Wacker Chemie Rohstoffe oder Materialien liefern. Wacker produziert mit Silizium den wichtigsten Rohstoff für die Produktion von Solarmodulen und müsste fürchten, dass China als Gegenmaßnahme auf Strafzölle der EU zum Beispiel Siliziumlieferungen mit hohen Zöllen belegt. Diese Gefahr ist nun beseitigt.

Dagegen ist nun vielleicht der letzte Strohhalm umgeknickt, an dem Hoffnungen auf die Zukunftsfähigkeit europäischer Solarhersteller hingen. Ohnehin wäre es fraglich gewesen, ob hohe Strafzölle auf chinesische Konkurrenzprodukte ihnen geholfen hätte, wieder profitabel zu wirtschaften. Denn der Löwenanteil der zukünftigen Nachfrage für Solartechnik wird ohnehin in Asien anfallen. Darüber sind sich viele Marktbeobachter einig. Und dort lassen sich Solarkomponenten zu europäischen Preisen kaum verkaufen.

Dennoch wollen ProSun und SolarWorld den Kampf gegen den unfairen Wettbewerb nicht aufgeben. Milan Nitzschke, Präsident der Brancheninitiative ProSun und Konzernsprecher von SolarWorld, kündigte eine Klage beim Gerichtshof der EU in Luxemburg gegen den Solarkompromiss der EU-Kommission mit China an. Denn dieser ermögliche es chinesischen Hersteller weiterhin, Solarmodule zu „Dumpingpreisen“ anzubieten und verstoße damit gegen das europäische Handelsrecht. Für den Fall, dass sie damit Erfolg haben, ist China auf jeden Fall vorbereitet. Denn die Volksrepublik hält an ihrem Drohgebaren gegenüber der EU fest. So hat sie noch nicht darauf verzichtet, Strafzölle auf Siliziumlieferungen aus Europa mit Strafzöllen zu belegen. Das sei noch nicht abschließend geprüft, ist Medienberichten des Landes zu entnehmen.
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