Erneuerbare Energie

"Erneuerbare Energien werden gestärkt aus der Krise hervorgehen – aber nur selten vergeht der Endkunde vor Sehnsucht nach Erneuerbarer Energie"

Welche Technologien im Bereich der Erneuerbaren Energien haben das größte Potential? Wer finanziert heute junge Erneuerbare-Energie-Unternehmen? Wo liegen bisher unentdeckte Chancen, wo lauern Fußfallen für Anleger? ECOreporter.de interviewte dazu Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen, Vize-Direktor des Instituts für Wirtschaft und Ökologie an der Universität St. Gallen (IWÖ-HSG). Bis 2003 war er in der Venture Capital-Branche tätig.


ECOreporter.de: Professor Wüstenhagen, welche Technologien im Bereich der Erneuerbaren haben aus Ihrer Sicht das größte Potential?

Rolf Wüstenhagen: Die Windenergie hat den größten Fortschritt auf dem Weg von der Nische zum Massenmarkt gemacht. An guten Standorten ist Strom aus Windenergie heute praktisch wettbewerbsfähig mit neuen fossil befeuerten Kraftwerken.

Von den anderen Erneuerbaren Energien haben Biomasse, Geothermie, Solarenergie und Wellenenergie alle noch große Potentiale vor sich, wobei die Attraktivität von Standort zu Standort unterschiedlich ist. Südliche Länder sind prädestiniert für Strom und Wärmegewinnung aus Sonnenenergie. Auch bei uns sind solarthermische Anlagen schon heute in vielen Fällen eine gute Investition.

Biomasse empfiehlt sich insbesondere in Anlagen zur dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung. Geothermie wird heute vor allem in Island, Kalifornien und Italien genutzt. Der Charme der Geothermie ist ihre Fähigkeit, rund um die Uhr Grundlast bereitzustellen. Die Wellenenergie-Nutzung steht noch am Anfang, bietet sich jedoch in vielen Küstenregionen als Ergänzung zur Windenergie an, beispielsweise in Schottland oder Portugal. Firmen wie zum Beispiel Pelamis Wave Power aus Edinburgh haben hier in letzter Zeit große technologische Fortschritte gemacht.


ECOreporter.de: Welche Bedeutung haben Venture-Capital-Unternehmen derzeit für Erneuerbare Energien?
Wüstenhagen: 2007 wurden weltweit 13,k5 Milliarden Dollar Venture Capital und Private Equity im Bereich nachhaltige Energie investiert. Dies umfasst vor allem Erneuerbare Energien, aber beispielsweise auch Technologien zur Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden und im Transport.


ECOreporter.de: Welche Techniken bieten die besten Aussichten und interessantesten Gewinnmargen für VC-Investoren?

Wüstenhagen: Die Renditechancen von VC-Investitionen hängen von verschiedenen Faktoren ab. Neben der Attraktivität der Technologie spielen auch firmenspezifische Faktoren eine große Rolle, und schließlich die Entwicklung der Finanzmärkte, die für den einzelnen Investor kaum zu beeinflussen ist. Insofern ist es kaum möglich, eine zuverlässige Prognose über die Attraktivität einzelner Technologien zu machen. In der Tendenz sind Technologien im mittleren Bereich der Diffusionskurve besonders attraktiv. Also jene, die nicht mehr im ganz frühen Stadium der Entwicklung stehen, aber auch noch nicht den Durchbruch auf dem Massenmarkt geschafft haben. Insofern ist beispielsweise der Bau von Windturbinen heute kein Venture Capital-Geschäft mehr.

Early-stage Technologies, wie etwa die Entwicklung nanotechnologischer Materialien für Solarzellen der dritten Generation, sind demgegenüber noch nicht attraktiv für Venture Capital, außer für einige spezialisierte Early-stage Funds, die das hohe Risiko entsprechend diversifizieren. Im spannenden Mittelfeld finden sich beispielsweise Wellen- und Meeresströmungskraftwerke, aber auch Techniken im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung (etwa Stirlingmotoren) oder der Energieeffizienz (etwa Fenster mit variabler Lichtdurchlässigkeit, oder Smart-Grid-Technologien). Viel Aufmerksamkeit erlangen immer wieder Technologien, die man als "Killer Application" für Antriebe im Automobilbereich sieht, so etwa Brennstoffzellen und Bio-Ethanol. Einer der spektakulärsten VC-Exits mit mehren tausend Prozent jährlicher Rendite war 2000/2001 die Brennstoffzellen-Firma Plug Power in den USA. Im Moment scheint hingegen der "Flavor of the Day" bei den Elektroautos zu liegen - wobei es mich nicht wundern würde, wenn auch diese Welle wieder abebben würde, da nur wenige Investoren die Frage zu Ende denken, was bei einer lebenszyklusweiten Betrachtung wirklich die effizienteste Energie-Umwandlungskette ist.


ECOreporter.de: Wo liegen die Hauptschwierigkeiten von Venture Capital Investments im Bereich der Erneuerbaren Energien?
Wüstenhagen: Eine Hauptschwierigkeit ist es, dass Erneuerbare Energien heute in vielen Bereichen ein dringendes gesellschaftliches Problem lösen (Treibhauseffekt, Importabhängigkeit), aber dass der konkrete Kundennutzen nur in wenigen Fällen höher ist als bei etablierten, konventionellen Technologien. Das führt dazu, dass Regierungen auf aller Welt versuchen, Erneuerbare Energien zu fördern, dass aber der Endkunde nur selten vor Sehnsucht nach diesem Produkt vergeht. Das ist in klassischen VC-Bereichen wie Telekommunikation oder Biotechnologie anders: Für neue Geräte für die mobile Kommunikation oder neue Arzneimittel zur Heilung schwerer Krankheiten gibt es einen offensichtlichen Markt mit vergleichsweise hoher Zahlungsbereitschaft. Nun verstehen die meisten VCs sehr viel von Marketing im klassischen Bereich, sie sehen hingegen die Förderprogramme für Erneuerbare Energien oft als unkalkulierbares Risiko an. Das führt dazu, dass man entweder komplett die Finger vom Energiesektor lässt oder sich auf Technologien fokussiert, die auch ohne staatliche Unterstützung Kunden finden - ein Beispiel ist die Anwendung von Solarzellen zur Beleuchtung von Bushaltestellen, die wegen der hohen Kosten für den Bau neuer Stromleitungen in Innenstädten heute schon wettbewerbsfähig ist.

Ein zweiter Aspekt ist die Kapitalintensität von neuen Energietechnologien. Eine neue Brennstoffzelle oder ein Elektro-Auto zu entwickeln kostet schnell mehrere hundert Millionen Euro, typische VC-Investitionen im einstelligen Millionenbereich sind da ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist dann kein Problem, wenn es einen etablierten Exitkanal gibt wie beispielsweise in der Pharmabranche. Auch hier ist die Entwicklung neuer Arzneimittel sehr kapitalintensiv, doch sind die großen Unternehmen der Branche gewohnt, einen Teil ihrer Forschung und Entwicklung durch den Zukauf von Technologien aus Jungunternehmen abzuwickeln, auch wenn diese Technologien noch nicht marktreif sind. In der Energiebranche dauerte es lange, bis eine vergleichbare externe Innovationsorientierung bei den großen Unternehmen der Branche zu greifen begann. Den Anfang machte General Electric (GE), die in den letzten Jahren durch den Zukauf von Firmen wie Enron Wind, Astropower und Jenbacher ihr Portfolio von Kraftwerkstechnologien gezielt in Richtung Erneuerbare Energie weiterentwickelt hat. Auch andere Firmen wie Siemens oder RWE haben mittlerweile diesen Weg eingeschlagen, um etwa in der Windenergie Fuss zu fassen.


ECOreporter.de: Gibt es in diesem Zusammenhang große Unterschiede zwischen der deutschen VC-Branche und den Kollegen in den USA oder Großbritannien?
Wüstenhagen: Das Ausmaß an VC-Investitionen im Energietechnologiebereich ist heute in Deutschland kleiner als in den USA oder Großbritannien. Bis vor kurzem hatte Deutschland einen einzigartigen Standortvorteil durch die klaren Ziele und die konsequenten Maßnahmen zur Förderung Erneuerbarer Energien und des Klimaschutzes. Mit der Wahl von Barak Obama sind nun auch die USA auf diesen Pfad eingeschwenkt. Wie oben gesagt kann man diesen politischen Rückenwind nicht 1:1 in Wachstumsraten auf dem VC-Markt übersetzen, doch erhoffen sich auch Mainstream-Venture Capitalists im Silicon Valley von der neuen Administration wichtige Impulse für Investitionen in diesem Bereich.

Was den anderen bereits genannten Punkt, die mangelnde Innovationsorientierung der großen Unternehmen der Energiebranche, anbelangt, so gibt es in Deutschland unterschiedliche Tendenzen. Nachdem vor einigen Jahren die großen Energieversorgungsunternehmen reihenweise aus ihren Corporate Venture Capital-Aktivitäten ausstiegen, haben die Akquisitionen im Bereich Erneuerbare Energien in letzter Zeit wieder zugelegt. Zugenommen hat auch die internationale Orientierung - so haben beispielsweise RWE und E.on heute in Großbritannien und anderen europäischen Ländern größere Kapazitäten zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien aufgebaut als in ihrem Heimmarkt.


ECOreporter.de: Wie kann ein junges Unternehmen seine Attraktivität für Venture Capital Investoren erhöhen?
Wüstenhagen: Für den VC ist es wichtig, dass er innerhalb seines typischen Investitionshorizonts von drei bis fünf Jahren einen klaren Weg zur Profitabilität erkennen kann. Das bedeutet, dass man schon früh eine Kundengruppe identifizieren kann, für die das eigene Produkt einen konkreten Nutzen aufweist, und die daher auch eine entsprechende Zahlungsbereitschaft hat. Dieser "Kunde" kann natürlich auch der Staat sein (also z.B. Erlöse aus dem EEG), doch fühlen sich die meisten VC wohler, wenn der Staat nicht der einzige Kunde ist.

Ein weiterer Aspekt sind Markteintrittsbarrieren. Wenn die Geschäftsidee wirklich so gut ist, wird der Wettbewerb nicht lange ausbleiben, und dann ist es wichtig, dass beispielsweise über eine patentierte Technologie ein genügender Vorsprung durchhaltbar ist. Schließlich wollen VC eine Mischung aus ambitionierten Zielen und kluger Selbstbeschränkung sehen. Ein Jungunternehmen sollte in seinem Businessplan einerseits Ehrgeiz und Zuversicht ausstrahlen, es muss deutlich werden, dass man nicht nur ein kleines bisschen besser sein will als die heutige Technologie, sondern dass ein Quantensprung ermöglicht wird. Andererseits sehen erfahrene VC natürlich auch, dass ein kleines Unternehmen mit begrenzten Ressourcen nicht alles machen kann. Eine intelligente Fokussierung auf die profitabelsten Teile der Wertschöpfungskette ist daher ein klarer Pluspunkt.


ECOreporter.de: Die Banken finanzieren Erneuerbare-Energie-Projekte derzeit nur schleppend. Wie wirkt sich das auf den Bereich Risikokapital aus?

Wüstenhagen: Die Finanzkrise stellt kurzfristig gerade junge Technologie-Unternehmen vor harte Herausforderungen und wird somit zu einer gewissen Konsolidierung der Branche führen. Mittelfristig bin ich jedoch überzeugt, dass die Unternehmen aus der Erneuerbare-Energie-Branche gestärkt aus der Krise hervorgehen werden. Die fundamentalen Treiber für Erneuerbare Energie - Klimawandel, Importabhängigkeit und Ressourcenknappheit - sind heute aktueller denn je zuvor. Es ist zu hoffen, dass die Politik den Mut hat, die Chancen zu ergreifen, die die derzeitige Krise bietet. Konjunkturprogramme sollten auf jene Zukunftsbranchen fokussiert werden, die gesellschaftlichen und ökologischen Zusatznutzen schaffen, statt Unternehmen und Branchen zu subventionieren, in denen zwar kurzfristig Arbeitsplätze erhalten werden können, aber der unvermeidliche Strukturwandel lediglich verzögert wird.


ECOreporter.de: Wir wird sich ein Ölpreis von 40 bis 100 Dollar je Barrel auf die Entwicklung der Erneuerbaren Energien auswirken?
Wüstenhagen: Tendenziell ist ein hoher Ölpreis natürlich ein wichtiger Treiber für Erneuerbare Energien. Andererseits war der rasche Anstieg bis auf 147 Dollar im Sommer 2008 auch Rückenwind für konkurrierende Energieträger wie etwa Ölschiefer oder die Kernenergie. Aufgrund ihrer hohen Kapitalintensität sind diese Technologien stärker vom Preisverfall in der zweiten Jahreshälfte 2008 betroffen. Ein direkter Zusammenhang besteht in erster Linie zwischen dem Gaspreis, welcher an den Ölpreis gekoppelt ist, und der Wirtschaftlichkeit neuer Windenergie-Projekte. Der fallende Gaspreis hat Investitionen in Windparks verlangsamt, ein steigender Gaspreis wird das Wachstum der Windenergie eher wieder beschleunigen.  


ECOreporter.de: Professor Wüstenhagen, wir danken Ihnen für das Gespräch!
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