Erneuerbare Energie

Energiepolitik absurd - Kürzungspläne für die die Solartarife provozieren Solarboom

Die Bundesregierung begründet die von ihr kurzfristig geplanten starken Einschnitte mit den Solarstromtarifen nicht zuletzt damit, dass ihr der Zubau der Photovoltaikkapazität zu schnell geht. Offenbar bewirkt sie aber mit ihrem Vorgehen genau das Gegenteil. Darauf weisen die Marktforscher von EuPD Research aus Bonn hin. Nach ihrer Einschätzung heizt die anhaltende Diskussion um die Anpassung der Solarförderung den Markt künstlich an. Wer den Bau einer Solaranlage plane, sehe nun zu, sie so schnell wie möglich ans Netz zu bringen, damit der noch den aktuellen Solarstromtarife beanspruchen könne, der dann 20 Jahre lang gelte.

Zuletzt hatte es Ende 2011 einen Installationsboom bei Solaranlagen gegeben. Denn im vergangenen Herbst hatte die Bundesregierung beschlossen, zum Jahreswechsel die Solarstromtarife um 15 Prozent zu kappen. So kam es im Dezember zu einem Installationsrekord in Höhe von 2.980 Megawatt (MW). Das sind knapp drei Gigawatt (GW), was der Leistung von drei durchschnittlichen Atomkraftwerken entspricht. Damit wurde innerhalb eines Monats mehr Solarstromleistung neu ans Netz gebracht als in den USA im Gesamtjahr 2011.

Mit diesem Endspurt toppte die deutsche Solarbranche in 2011 noch das Rekordergebnis von 2010, als insgesamt rund 7,4 GW neu in Betrieb genommen worden waren. Wie die Bundesnetzagentur nun offiziell bekannt gab, belief sich die Gesamtkapazität der in Deutschland angeschlossenen Photovoltaikanlagen auf 7,5 GW. Sie bestätigte damit die vorläufigen Daten, die sie im Januar mitgeteilt hatte. Die Torschlusspanik Ende 2011 hatte somit dazu geführt, dass ein Drittel des Zubaus allein im letzten Monat des vergangenen Jahres erfolgte. Aus Sicht von EuPD Research wäre sogar ein noch stärkeres viertes Quartal 2011 durchaus möglich gewesen, doch mangelnde Verfügbarkeiten und eingeschränkte Kapazitäten bei den Installateuren hätten das verhindert. Ohne die starken Kürzungen zum 1.1.2012 wäre das Wachstum in 2011 wohl moderater ausgefallen.

Im Februar hatte Bundesumweltminister Röttgen daraus den Schluss gezogen, nicht mehr an festgelegten Stichtagen starke Tarifsenkungen durchzuführen und stattdessen allmonatlich moderate Senkungen festzulegen. Doch auf Druck der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag und von Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler, dem Parteichef des Koalitionspartners FDP, strebt er nun die aktuell diskutierte starke Kürzung zum 1. April an, die dann noch von monatlichen Kürzungen flankiert werden soll (Opens external link in new windowhier stellen wir die Kürzungspläne kompakt vor).

Die Experten von EuPD Research gehen davon aus, dass die nun für dieses Frühjahr anvisierten weiteren starke Einschnitte dazu führen, dass im ersten Quartal Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von etwa drei GW neu ans Netz kommen. Damit würde innerhalb der vier Monate von Dezember 2010 bis März 2012 so viel neue Solarstromleistung installiert wie in den Rekordjahren 2010 und 2011 innerhalb eines ganzen Jahres. Und schon im Frühjahr 2012 wäre das offizielle Ziel der Bundesregierung, den Zubau im Gesamtjahr auf höchstens 3,5 GW zu beschränken, in Gefahr. EuPD Research rechnet für das Gesamtjahr 2012 mit einem Zubau von rund 5,9 GW. Laut EuPD Research liegt es daher nahe, dass die Debatte über die Solarförderung weiter anhalten wird.

Davon ist auch Hans Josef-Fell überzeugt, energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen und maßgeblicher Architekt des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG), in dem die Vergütung für Solarstrom geregelt wird. Zwar sei die letzte Novelle der Photovoltaikvergütung im EEG erst wenige Monate her und die aktuelle noch nicht durch, doch „nach bereits vier EEG-Novellen in dieser Legislaturperiode wäre es fast ein Wunder, wenn die nächste nicht bereits vorbereitet würde“, stellte er aber dazu fest und warnt: „Die nächste Novelle wird sehr gefährlich sein.“

Bildhinweis: Hans-Josef Fell. / Quelle: Bundestagsfraktion der Grünen

Die Marktforscher von EuPD Research kritisieren, dass die Kürzungspläne offenkundig auch nicht zielsicher ansetzen. Das erläutern sie anhand der „anlagenscharfen Daten für den Photovoltaikzubau im vierten Quartal 2011“, die die Bundesnetzagentur nun offiziell bekannt gegeben hat. Über 40 Prozent der im Boom-Monat Dezember neu angeschlossenen Anlagen seien auf die Größenklasse von über 1 MW entfallen. Die nun angestrebten abermaligen Kürzungen würden aber nicht in diesem Segment besonders stark greifen. Vielmehr würden die mittleren Größenklassen überproportional betroffen und damit Anlagensegmente, in denen das Marktwachstum 2011 sogar gebremst worden sei. Vor allem in der Größenklasse zwischen 10 kWp und 50 kWp wurde der Markt spürbar eingebremst. So seien in 2011 der Größenklasse zwischen 10 kWp und 50 kWp in dieser Größenklasse etwa 2.000 MW installiert und damit 22 Prozent weniger als noch im Jahr davor.

Noch ist offen, ob die Bundesregierung ihre Kürzungspläne durchsetzen kann. Es zeichnet sich ein starker Widerstand auch unionsregierter Bundesländer im Bundesrat ab (wir Opens external link in new windowberichteten). Am 29. März findet die zweite und dritte Lesung des entsprechenden Gesetzes im Bundestag statt. Zuvor berät und beschließt der Umweltausschuss über den Gesetzentwurf und Änderungsanträge hierzu. Die beschlossenen Änderungsanträge werden in Kombination mit dem Gesetzentwurf dann das neue Gesetz darstellen. Doch erst im Mai kann der Bundesrat darüber debattieren; es ist möglich, dass er den Vermittlungsausschuss anruft und so die endgültige Entscheidung um Wochen verzögert. Die Bundesregierung will die Tarifkürzungen rückwirkend zum 1. April greifen lassen.
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