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Eine Bank für die „Kontolosen“ - die Zweite Sparkasse
„Als alleinerziehende Mutter von drei Kindern einen Job zu bekommen ist pures Glück. Sobald man beim Arbeitgeber einen Pflegeurlaub beantragen muss, ist der neue Arbeitsplatz gefährdet“, sagt die ehemalige Rechtsanwaltssekretärin Daniela Rausche. Immer wieder habe sie ihre Arbeit verloren, wenn ein Kind erkrankte. Sie geriet in eine finanzielle Abwärtsspirale. Das Minus auf dem Konto wurde immer größer - und „am Ende fressen dich die Zinsen auf.“ Der letzte Ausweg war ein Privatkonkurs, um der Schuldenfalle zu entkommen. Doch die Freude über einen möglichen Neustart nach sieben Jahren Konkursverfahren währte nur kurz: Die Hausbank kündigte das Girokonto.
Ein Konto ist nicht billig – ohne Konto wird es teuer
Miete, Telefongebühren und Stromrechnungen musste Rauscher von nun an per Zahlschein begleichen. Das kostet in Österreich durchschnittlich drei Euro pro Zahlung. Ein Kunde ohne Konto und mit sechs Zahlscheinen pro Monat kommt auf 72 Zahlungen im Jahr. Das macht satte 216 Euro im Jahr. Ein klassisches Girokonto für Wenignutzer koste hingegen rund 65 Euro pro Jahr, rechnet die Arbeiterkammer vor. In Deutschland müssen Kunden ohne Bankkonto noch tiefer in die Tasche greifen: Bareinzahlungen auf ein fremdes Konto kosten bei den meisten Instituten bis zu zehn Euro. Immerhin eine halbe Million Menschen in Deutschland und geschätzte 50.000 in Österreich müssen ihren Zahlungsverkehr ohne Bankkonto durchführen. In der EU sollen sogar 30 Millionen Bürger im erwerbsfähigen Alter kontolos sein. „Kein Konto, keine reale Chance auf einen Job“, bringt Bernd Lausecker, Finanzexperte beim österreichischen Verein für Konsumenteninformation (VKI) die Lebenssituation der betroffenen Menschen auf den Punkt. Dazu käme die Schande, monatlich das Geld vom Arbeitsamt oder der Jugendbeihilfe via Postboten empfangen zu müssen.
Die Klasse der Kontolosen
Als Mensch zweiter Klasse habe sie sich in ihrer kontolosen Zeit gefühlt, sagt Rauscher. Zum Glück währte das nur einige Monate. Im Herbst 2006 war sie dann die erste Kundin der neuen „Zweite Sparkasse“, die in Wien eröffnete. „Nachdem mir der Berater ein Bankkonto und alle Daueraufträge eingerichtet hatte, fühlte ich mich wieder als vollwertiger Mensch“, erzählt Rauscher. Die Zweite Sparkasse ist die Bank für Menschen, die aufgrund geringer Bonität oder Eintragung in der Liste des Kreditschutzverbandes (ähnlich Schufa) von Bankinstituten in der Regel als Kunden abgelehnt werden. „Hilfe zur Selbsthilfe“, lautet dabei das Motto der sozial agierenden Sparkasse. Partnerorganisationen wie Schuldnerberatung oder Caritas beraten die Kunden anfänglich, wie sie ihre Finanzlage wieder in den Griff bekommen können. Erst nach diesem Gespräch bekommen die potentiellen Kunden einen Termin zur Kontoeröffnung in einer der mittlerweile sieben Filialen der Zweiten Sparkasse.
Schon drei Monate nach ihrem Start in 2006 hatte die Zweite Sparkasse 190 Kunden. „Die bekamen ein ganz normales Bankkonto ohne Überziehungsrahmen, aber mit Bankomatfunktion“, berichtet Bankvorstand Gerhard Ruprecht.

Kunden der Zweiten Sparkasse können wieder Überweisungen durchführen. / Quelle: Unternehmen
Freiwillige hinter dem Bankschalter, Unfreiwillige davor
5,8 Millionen Euro Gründungskapital stellte die Stiftung als Inhaberin der Zweite Bank zur Verfügung. „Die laufenden Kosten wie Miete der Filialen oder Aufwände für Kontoführungen bestreiten wir aus den Zinsen der knapp 6 Millionen Euro“, informiert Ruprecht. Gehälter müssen die Vorstände nicht berücksichtigen, schließlich arbeiten über 400 Menschen ehrenamtlich für diese Initiative. Die Freiwilligen sind Mitarbeiter der Erste Bank und Sparkasse. Jene, die vormittags in der Zweiten ihren Dienst versehen, sind häufig ehemalige Mitarbeiter, die nun ihr Wissen für einen guten Zweck einsetzen wollen. Ab 15 Uhr, wenn die Banken offiziell schließen, übernehmen die aktiven Mitarbeiter den freiwilligen Dienst. „Jeden Monat bekommen wir etwa 140 neue Kunden die - vorerst befristet auf drei Jahre - ein Konto für neun Euro im Quartal bei uns eröffnen“, sagt Ruprecht. Ende 2010 zählten bereits an die 6.800 Menschen zum Kundenstamm der Bank. Sobald sich die finanzielle Lage der Kunden bessert und sie wieder ein Konto bei einer kommerziell agierenden Bank bekommen, endet die Beziehung zur Zweiten Sparkasse. Dann erhalten die Kunden die bislang angefallenen Kontoführungsgebühren wieder zurück. „Nach drei Jahren sind das 308 Euro. Das soll auch ein Anreiz sein, zu einer andern Bank zu wechseln“, sagt Ruprecht. Schließlich sollen sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter ausschließlich um jene Menschen kümmern, die akut und unfreiwillig von einem Kontolosen-Leben betroffen sind.
Wenig weitere Auswege
Die Initiative der Zweiten Bank ist bislang auf wenig Nachahmung gestoßen. In Österreich betreibt zumindest die BAWAG P.S.K (Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG) ein ähnliches Projekt. In 1.120 Postfilialen ist es seit 2009 möglich, ohne bürokratischen Aufwand und vorangegangenes Gespräch bei einer Schuldnerberatung ein „Neue Chance Konto“ zu eröffnen. Dazu gehören keine Bankomatkarte und kein Überziehungsrahmen, aber „eine faire Möglichkeit, am normalen gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“, umreisst Günter Horniak, CSR-Beauftragter der BAWAG P.S.K., die Grundidee des neuen Angebotes.
Ende Dezember 2010 gab es 7.712 Neue Chance-Kontoinhaber. Wie handhaben nachhaltige Banken wie die Bochumer GLS Bank den Zugang zu einem Bankkonto? „Grundsätzlich kann jeder bei uns ein Guthabenkonto eröffnen, nur ein Kontokorrentkonto wird in Härtefällen abgelehnt“, informiert Pressesprecher Christoph Lützel. Allerdings liege der Schwerpunkt der GLS Bank nicht im Bereich des Giroverkehrs. „In erster Linie kümmern wir uns um das Finanzieren von Projekten im ethisch-ökologischen Umfeld. Kleinkredite zu gewähren, woran wir letztlich nichts verdienen, erachten wir ebenso als eine soziale Aufgabe einer Bank.“ Explizit könne man nicht damit werben, dass die GLS Bank jenen Menschen einen Konto anbiete, wenn andere Banken sie abblitzen ließen. „Das wäre schon wegen unserer personellen Kapazität praktisch nicht umsetzbar.“ Ein gesetzliches Recht auf ein Konto gibt es innerhalb der EU nicht. In Deutschland verpflichten sich Banken und Sparkassen zwar freiwillig, für jedermann ein Girokonto auf Guthabenbasis zu führen, doch auch diese lehnen mitunter Kunden aufgrund von Schufa-Eintragungen oder laufenden Konkursverfahren ab. Privatbanken haben ohnedies freie Hand, welche Klienten sie betreuen wollen.
In Deutschland schützt das Pfändungskonto
Bislang wartet Deutschland auf eine Initiative wie die der Zweiten Sparkasse. Das neue „Pfändungskonto“ könnte allerdings ein erster Schritt in Richtung verbrieftes Recht des Bürgers zur Kontoführung sein. Das so genannte P-Konto, im Juli 2010 in Deutschland gesetzlich eingeführt, sichert dem Kontoinhaber einen unantastbaren Freibetrag von 985,15 Euro und damit dessen Existenz sowie den fortlaufenden Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr trotz Pfändung. Dafür wird das reguläre Girokonto in ein P-Konto umgewandelt, welches dann als Guthabenkonto ohne Bankomatfunktion weitergeführt wird. Banken sind gesetzlich dazu verpflichtet, dem Kontoinhaber eine Umwandlung ihres Girokontos zu gewähren. Nur bei Neueröffnungen eines Girokontos mit Erklärung zum P-Konto können Banken diese Verpflichtung umgehen. Vor dem Kontolosen-Dasein ist ein P-Kontoinhaber geschützt: eine Kündigung seitens der Banken ist nur in betrügerischen Fällen möglich.