ECOanlagecheck

ECOanlagecheck: Genussrechte des Ökostrom-Pioniers Naturstrom AG



Fünf Millionen Euro will die Naturstrom bei Anlegern einwerben und mit dem Geld ihre Geschäfte ausbauen. Die Genussrechte laufen bis Mitte 2025. Eine vorzeitige Kündigung ist bei einer Kündigungsfrist von sechs Monaten frühestens Ende 2016 möglich. Die Genussrechte werden dann mit vier Prozent pro Jahr verzinst, wenn ein ausreichend hoher Jahresüberschuss erzielt wird. Sind in einem Jahr keine Zinszahlungen möglich, verschieben sich die Ansprüche der Anleger auf die Folgejahre. Ab Anfang 2017 könnten Anleger – wenn sich das Geschäft der Naturstrom gut entwickelt - neben den vier Prozent Grundzinsen bis zu weitere vier Prozent pro Jahr erhalten. Der variable Anteil beträgt für alle Genussrechte zusammen zehn Prozent des Jahresüberschusses nach Berücksichtigung der Grundverzinsung.
Die Genussrechtsinhaber haben keine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Naturstrom AG.
Das Kapital soll vor allem Projektentwicklungen im Bereich der erneuerbaren Energien zwischen finanzieren. Zudem will die Naturstrom AG den Stromhandel ausbauen.

Nebenkosten

Nach Angaben der Emittentin werden im Zusammenhang mit der Emission der Genussrechte keinerlei interne und externe Provisionen geleistet. Die Kosten für die Prospekterstellung im eigenen Haus werden im Prospekt nicht genannt und somit nicht der Emission zugerechnet.

Die Nettoeinnahmen aus dem Genussrechtsangebot werden aber trotzdem unter dem Nennbetrag von fünf Millionen Euro liegen, da Aktionäre, Mitarbeiter und Kunden von Naturstrom unter bestimmten Voraussetzungen einen Nachlass auf den Nennwert der Genussrechte erhalten. So kann jeder Aktionär je 200 Stück von ihm gehaltener Aktien ein Genussrecht für 470 Euro statt 500 Euro zeichnen. Den gleichen Nachlass erhalten Mitarbeiter für ein Genussrecht pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Kunden können für jedes Jahr der Belieferung mit Strom von Naturstrom ein Genussrecht für 485 Euro zeichnen.

Laufende Kosten

Die Genussrechte werden auf den Namen ausgestellt und der Anleger in das Genussrechtsverzeichnis eingetragen. Bei den nicht verbrieften Genussrechten handelt es sich nicht um ein Wertpapier. Daher ist für den Erwerb der Genussrechte das Vorhandensein eines Wertpapierdepots keine Voraussetzung. Somit fallen für den Anleger auch keine laufenden Kosten durch Depotgebühren seiner Bank für die Verwaltung der Genussrechte an.

Unternehmensprofil Naturstrom AG

Die Naturstrom AG ist unmittelbar sowie über Tochter- und Beteiligungsgesellschaften in der regenerativen Energieversorgung in Deutschland tätig. Die Naturstrom AG selbst erzielt Erlöse durch die Zertifizierung von Ökostrom gemäß Bedingungen des Grüner Strom Label eV.. Wichtigster Kunde der Naturstrom AG ist die NaturStromHandel GmbH (NSH), eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Naturstrom AG. Die NSH liefert Ökostrom an derzeit über 80.000 Endkunden (Stand: November 2010) und konnte 2009 ihren Umsatz auf 25 Millionen Euro in etwa verdoppeln. Neben der NSH hält die Naturstrom AG Mehrheitsbeteiligungen an acht Tochtergesellschaften, die Fotovoltaik-, Windenergie- und Biogasanlagen betreiben.

Der Jahresüberschuss der Naturstrom AG lag 2009 bei rund 1,6 Millionen Euro. In dieser Summe sind Erträge von rund 770.000 Euro aus einem Gewinnabführungsvertrag mit der NSH enthalten. Nach den Angaben im Lagebericht von 2009 wird der abgeführte Jahresüberschuss der NSH wieder zur Verfügung gestellt, weil die NSH die Liquidität für Anzahlungen auf Stromeinkäufe benötige. Aus dem Prospekt ist nicht ersichtlich, ob und wann der Gewinnabführungsvertrag gekündigt werden kann. Auf Rückfrage von ECOreporter.de erklärte Dr. Thomas E. Banning, Vorstand der Naturstrom AG: „Der Vertrag kann mit einjähriger Frist zum Jahresende, erstmals zum 31. Dezember 2013 gekündigt werden.“

Bildhinweis: Die Naturstrom AG setzt auf alternative Energieerzeugung. / Quelle: ECOreporter.de


Der Gewinnabführungsvertrag wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2009 abgeschlossen. 2008 betrug der Jahresüberschuss der Naturstrom AG rund 550.000 Euro. Bei dem geplanten Genussrechtsvolumen von fünf Millionen Euro und der Ausschüttung von vier Prozent belaufen sich die Zinsansprüche der Genussrechteinhaber insgesamt auf 200.000 Euro pro Jahr.

Ökostrommarkt

Der Markt für Strom aus erneuerbaren Energien expandiert beständig. 2009 lag der Anteil von Ökostrom am deutschen Stromverbrauch bei 16,3 Prozent. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Anbieter von Ökostrom rasant. Nach einer Erhebung des Verbraucherportals Toptarif waren Mitte 2010 in den größten 100 Städten durchschnittlich 64 Ökostromanbieter vertreten. Mitte 2009 waren es demnach erst durchschnittlich 40 und 2008 durchschnittlich 25 Ökostromanbieter pro Stadt.

Durch den Markteintritt einer Vielzahl von Unternehmen ist der Ökostrommarkt unübersichtlicher und heterogener geworden. Zum einen gibt es die etablierten, reinen Ökostromanbietern, zu denen neben Greenpeace Energy, Lichtblick und EWS Schönau auch die Naturstrom-Gruppe zählt. Daneben haben zahlreiche Stadtwerke, die vier Großkonzerne und reine Stromhändler Ökostrom für sich als Markt entdeckt. Die Vergleichbarkeit der Produkte der verschiedenen Anbieter wird durch die teilweise großen ökologischen Qualitätsunterschiede erschwert.

Ökologische Wirkung


Ein positiver ökologischer Effekt entsteht, wenn durch die Wahl eines Ökostromtarifs Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien gefördert werden. Bei vielen Ökostromtarifen, die auf RECS (Renewable Energy Certificate Systems)-Zertifikaten beruhen, ist das aber nicht der Fall. RECS-Zertifikate sind Herkunftsnachweise für Ökostrom und können gehandelt werden. So kann ein Betreiber von Kohlekraftwerken alleine durch den Kauf von RESC-Zertifikaten, vor allem aus Norwegen, Ökostrom anbieten, ohne seinen Kraftwerksparks verändern zu müssen.

Größere Stromversorger lösen auch teilweise den langjährigen Anteil von Ökostrom aus ihren konventionellen Stromangeboten heraus und vermarkten diesen Ökostrom extra. Oder sie verkaufen den Kunden teilweise beispielsweise Strom aus Wasserkraftwerken Skandinaviens, obwohl diese oft seit Jahrzehnten in Betrieb sind. Solche Ökostromtarife führen nicht dazu, dass mehr Strom aus Erneuerbaren Energien hergestellt wird, sondern nur dazu, dass rechnerisch Atomstrom und Ökostrom anders aufgeteilt werden. Diese reine Umverteilung von Ökostrom hat in allen Fällen keine ökologische Wirkung. Naturstrom unterscheidet sich hier grundsätzlich und in herausragender Weise von vielen anderen Ökostromanbietern.

Naturstrom erwirbt keine RESC-Zertifikate. Außerdem garantiert Naturstrom grundsätzlich eine hundertprozentige Versorgung mit Ökostrom. Die meisten anderen Ökostromtarife erlauben einen Zukauf von Atom- oder Kohlestrom bei Nachfragespitzen.

Die Ökostromtarife von Naturstrom haben eine positive ökologische Wirkung, weil sie den zusätzlichen Bau von Ökostromanlagen fördern, die keine Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beanspruchen. Aktuell kommt über 50 Prozent des Ökostromes von Naturstrom aus Anlagen in Deutschland, die ansonsten ihren Strom nach dem EEG einspeisen würden. Damit zeigt Naturstrom, dass die erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig sind und Ökostrom auch ohne EEG-Vergütung schrittweise preislich konkurrenzfähig wird.

Risiko

Der Zeichner der Genussrechte tragen das allgemeine Unternehmensrisiko der Emittentin Naturstrom AG mit. Die Naturstrom AG selbst generiert ihre Erlöse ganz überwiegend über die Ökostromzertifizierung nach den Bedingungen des Grüner Strom Label e.V.. Konkret erhält die Naturstrom AG von den von ihr zertifizierten Unternehmen pro Kilowattstunde Strom einen Betrag, der dann von ihr nach den  Kriterien des Grüner Strom Labels in erneuerbaren Energienprojekte investiert wird.

Die Geschäftsentwicklung ist allerdings rückläufig. Der wichtigste Kooperationspartner, die Stadtwerke Hannover, haben die meisten ihrer Kundenverträge gekündigt, neue Kooperationspartner konnten 2009 nicht gewonnen werden. Zunehmend wichtigster Kunde der Naturstrom AG ist die NSH, ihre hundertprozentige Tochterfirma.

Die NSH ist für die Belieferung der Endkunden mit Naturstrom zuständig und konnte ihre Kundenzahl 2009 auf 58.000 Kunden fast verdoppeln. Aktuell liegt die Kundenzahl bereits bei 80.000 (Stand: November 2010). Aufgrund vieler neuer und oftmals finanzstärkerer Anbieter nimmt die Wettbewerbsintensität auf dem Ökostrommarkt deutlich zu. Daher ist es möglich, dass sich das Wachstum der NSH in Zukunft abschwächen wird. Die Naturstrom AG hat mit der NSH einen Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Wenn der Vertrag gekündigt werden sollte, würde sich nach der aktuellen Ertragslage der Jahresüberschuss der Emittentin (Naturstrom AG) deutlich verringern. Dr. Banning erläutert: „Der Gewinnabführungsvertrag soll langfristig bestehen bleiben. Aber auch bei einer Kündigung des Vertrages würde sich die Ausfallgefahr von Zinszahlungen für den Anleger kaum erhöhen. Die Naturstrom AG hat auch ohne die Gewinnabführung in der Vergangenheit ein ausreichend hohes Ergebnis erwirtschaftet. Nach Einschätzung der Gesellschaft wird das auch weiterhin der Fall sein.“

Die Emittentin ist unmittelbar und mittelbar an zahlreichen Gesellschaften beteiligt, die erneuerbare Energien-Anlagen projektieren und betreiben. Die mit der Projektierung und dem Betrieb verbundenen Risiken trägt mittelbar auch die Emittentin und damit die Genussrechteinhaber.

Bildhinweis: Informationsstand der Naturstrom AG auf der Messe 'Grünes Geld'. / Quelle: ECOreporter.de


Die Genussrechte haben ein Volumen von fünf Millionen Euro und eine Laufzeit bis zum 30. Juni 2025. Anleger und Emittentin können die einzelnen Genussrechte erstmalig zum 31. Dezember 2016 kündigen. Die Emittentin ist nur verpflichtet, je Halbjahr einen Betrag von 500.000 Euro an Genussrechten zurück zu zahlen. Das Datum des Eingangs der Kündigung entscheidet über die Reihenfolge des zurückzuzahlenden Genussrechtskapitals. Das bedeutet im ungünstigsten Fall, dass ein Anleger nach seiner Kündigung fünf Jahre lang auf die Rückzahlung seines Kapitals warten muss. Bei einer möglichen Erhöhung des Genussrechtsvolumens kann die Wartezeit für den Anleger auch mehr als fünf Jahre betragen.

Wenn das Zinsniveau 2016 signifikant höher sein sollte als derzeit, ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Mehrheit der Anleger die Genussrechte bereits 2016 kündigen werden. Dementsprechend ist das Szenario einer Wartezeit von fünf Jahren für einzelne Anleger auf Rückzahlung des Kapitals nicht unrealistisch. Dr. Banning erklärt: „Die Naturstrom AG kann sehr wohl größere Rückzahlungsanforderungen als 500.000 Euro pro Halbjahr bedienen. Die konkrete Regelung dient einzig einem grundsätzlichen Sicherheitsinteresse der Gesellschaft in Ausnahmesituationen.“

Laut den Genussrechtsbedingungen wird das Genussrecht mit dem Kündigungstermin in eine sonstige, nicht mehr nachrangige Verbindlichkeit der Emittentin gegenüber dem Anleger gewandelt. Eine Verzinsung dieser Rückzahlungsverbindlichkeit findet nicht statt. Das bedeutet konkret, dass ein Anleger, der nach seiner Kündigung eventuell fünf Jahre auf die Rückzahlung seines Kapitals warten muss, in den fünf Jahren keinerlei Ausschüttung für sein gebundenes Kapital erhält.

Fazit:

Finanziell

Die Naturstrom AG ist zusammen mit ihren Tochtergesellschaften ein Pionier bei der Versorgung von Endkunden mit Ökostrom. Bislang konnte sich die Tochter NSH im Ökostrommarkt, der von zunehmend hoher Wettbewerbsintensität geprägt wird, gut behaupten und die Kundenzahlen steigern. Eine mögliche Kündigung des Gewinnabführungsvertrages zwischen der Naturstrom AG und der NSH erhöht das Risiko für den Anleger. Die Rückzahlungsverpflichtungen sind auf 500.000 Euro pro Halbjahr beschränkt. Als Folge müssen Anleger eventuell trotz Kündigung mehrere Jahre auf die Rückzahlung ihres Kapitals warten.

Nachhaltigkeit

Die Naturstrom-Gruppe gehört zu den wenigen herausragend nachhaltigen Anbietern von grünem Strom in Deutschland. Sie erweitert das Fundament einer nachhaltigen und dezentralen Energieerzeugung.

ECOreporter.de-Empfehlung

Die Naturstrom AG ist ein Vorzeigeunternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit. Wer mit den genannten Risiken und einer Laufzeit bis 2025 leben kann, für den bietet sich ein nachhaltiges Investment. Wer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bereits ab 2016 sein Geld anderweitig braucht, sollte wegen der eventuell langen Wartezeiten andere Investments ins Auge fassen.

Basisdaten

Emittentin: Naturstrom AG, Düsseldorf
Anlageform: Genussrecht
Anlagevolumen: 5,0 Millionen Euro
Mindestzeichnungssumme: 500 Euro
Laufzeit: bis 30. Juni 2025, Erstmalige Kündigungsmöglichkeit zum 31. Dezember 2016
Ausschüttung: 4,0 Prozent pro Jahr, bis 8,0 Prozent pro Jahr ab 2017 möglich
BaFin-Gestattung: Ja
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