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"Digitalisierung ist für uns 'Fluch und Segen'" – Interview mit Thomas Katzenmayer, Evangelische Bank

Auch wenn sie das Geschäftsjahr 2016 erfolgreich abgeschlossen hat: Die Evangelische Bank mit Hauptsitz in Kassel sieht sich vor großen Herausforderungen – durch die Digitalisierung der Bankgeschäfte, wachsende Regulierung und die anhaltende Niedrigzinspolitik der Zentralbanken.  Um weiterhin zukunftsfähig zu sein, will die Kirchenbank bis 2021 ca. 20 Prozent ihrer Stellen abbauen. (Link entfernt)  ECOreporter.de sprach mit Vorstandschef Thomas Katzenmayer über den Status quo und das, was seine Bank künftig erwartet.


ECOreporter.de: Herr Katzenmayer, die Evangelische Kreditgenossenschaft eG (EKK) und die Evangelische Darlehnsgenossenschaft eG (EDG) haben sich 2014 zur Evangelischen Bank eG zusammengeschlossen. Ist dieser Prozess in Ihren Augen abgeschlossen?

Thomas Katzenmayer:  Was den organisatorischen und juristischen Prozess betrifft, war die Fusion vereinfacht gesagt "schnell erledigt". Um auch kulturell zusammenzuwachsen, haben wir uns ein gemeinsames Leitbild gegeben, das mit allen Mitarbeitern intensiv diskutiert wurde. Auch auf Führungsebene haben wir einheitliche Leitlinien erstellt. Nichtsdestotrotz liegen natürlich zwischen den beiden Hauptstandorten Kiel und Kassel 400 Kilometer, diese räumliche Distanz müssen wir überwinden.

Was prägte die Entwicklung der Bank in 2016? Wie wirkte sich beispielsweise die Niedrigzinspolitik aus?

Das macht allen Banken zu schaffen. Wir sprechen ja nicht mehr von Niedrigzinsen, sondern von Negativzinsen. Hinzu kommen die verschärfte Regulierung und ständig neue Vorschriften etwa in Sachen Verbraucherschutz und Datenschutz, was typisch deutsch ist. Allein 16 Mitarbeiter sind bei uns nur mit "unproduktiven" Regulierungsfragen beschäftigt. Unsere Zinsspanne ist im vergangenen Jahr um 25 bis 30 Prozent zurückgegangen. Hinzu kommen zusätzliche Kosten und Aufwand, etwa durch die europäische Bankenabgabe. Diese 2,4 Millionen Euro zahlen auch wir Genossenschaftsbanken, obgleich wir ja noch in eine eigene Institutsabsicherung einzahlen – eine teure Doppelbelastung. Das liegt auch daran, dass unser Bankenkonzept auf europäischer Ebene noch immer wenig bekannt ist und bei diesen Gesetzen alle Geldhäuser über einen Kamm geschoren werden.

Trotz des Rückgangs beim Zinsergebnis sind wir aber mit dem Gesamtjahr 2016, einem durchschnittlichen Kreditwachstum von 4 Prozent und einer Bilanzsumme von 7,12 Milliarden Euro sehr zufrieden. Wir sind nicht aggressiv auf Privatkundenfang, auch wenn wir natürlich jeden Kunden begrüßen, der sich mit unserem christlichen Leitbild identifiziert. Die privaten Einlagen betrugen im vergangenen Jahr 1,04 Milliarden Euro, rund 60 Prozent davon waren Spareinlagen.

Ist das Kreditgeschäft für die Evangelische Bank weiterhin ein Wachstumsgeschäft?

Hier sehen wir große Chancen: Bei unserem Kreditschwerpunkt auf dem Gesundheits- und Sozialwesen spielt natürlich der demografische Wandel eine wachsende Rolle, etwa die Finanzierung von Wohnraum für Pflegebedürftige. Auch hier legt uns das Gesetz allerdings Steine in den Weg und sorgt für massives Unverständnis bei den Kunden. Als Beispiel der Fall eines älteren Ehepaars am Starnberger See, das 100.000 Euro für den altersgerechten Umbau seines Hauses aufnehmen wollte. Aufgrund der neuen Wohnimmobilienkreditrichtlinie darf das Paar aber den Kredit nicht bekommen – weil beide zu alt sind, um das Darlehen voraussichtlich während ihrer Lebenszeit zurückzuzahlen. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Der Investitionsbedarf ist zwar da, aber die Regulierung zwingt uns, es verhalten anzugehen.   

Wie macht sich die fortschreitende Digitalisierung bemerkbar – gehen die Kunden überhaupt noch in die Filiale?


Das bedeutet eine große Herausforderung und zentrale Veränderung für uns: Das Informations- und Konsumverhalten hat sich durch Smartphone und Co. stark verändert. Und das beeinflusst auch das Bankgeschäft. 

Digitalisierung ist für uns "Fluch und Segen" und eine der großen Herausforderungen. Es stimmt, kaum jemand betritt noch eine Bank. Auch die Bedeutung von Bargeld geht zurück, in der Kirche gibt es höchstens noch die Kollekte. Dafür werden viele Vorgänge bei uns automatisiert und müssen nicht mehr händisch erledigt werden, was auch Kosten spart. Außerdem finden neue Kunden zu uns, weil sie über Google oder Social Media auf unsere Bank stoßen und sich von dem christlichen Leitbild angesprochen fühlen. Andererseits werden die Filialen nach und nach überflüssig für die jüngeren Kunden.

In diesem Kontext sehen wir uns veranlasst, unsere internen Strukturen so anzupassen, dass die Bank insgesamt effizienter wird, die interne Organisation verschlankt wird sowie Arbeitsabläufe vor dem Hintergrund der Digitalisierung optimiert werden. Die neuen Strukturen tragen dem veränderten Kundenverhalten bei Inanspruchnahme von Beratungen sowie bei der Nutzung von Bankdienstleistungen Rechnung.

Unter der neuen Sparte EB Direkt verfolgen wir das Ziel, die Entgegennahme sämtlicher Serviceaufträge von Kunden an die Evangelische Bank zentral zu bündeln. Dadurch sollen alle Aufträge intern gesteuert sowie produktiv und effizient ausgeführt werden. Im gleichen Zusammenhang bleibt jedoch die individuelle, professionelle und intensive Beratung vor Ort – besonders im institutionellen Kundengeschäft – bestehen. Generelle Zielsetzung ist es, Service und Beratung klar voneinander abzugrenzen.

Mit Ihren Mitarbeitern wurde 2014 ein Sozialplan mit einer Beschäftigungsgarantie für drei Jahre vereinbart. Bleibt es dabei, dass alle Arbeitsplätze und Filialen erhalten werden?

Der Sozialplan gilt noch bis Ende 2017. Allerdings fordern die komplexen Rahmenbedingungen von uns zukunftsfähige Strategien, die wiederum zu unvermeidbaren Personalabbaumaßnahmen führen werden. Konkret heißt das, dass wir bis zum Jahr 2021 etwa 100 Vollzeitstellen, das heißt ca. 20 Prozent der aktuellen Belegschaft, abbauen werden. Wir bedauern dies sehr, müssen allerdings das Wohl der Gesamtbank und ihre Zukunftsfähigkeit im Blick behalten.

Um welche Stellen geht es konkret?

In einem ersten Schritt werden wir 39 Stellen an unseren Filialstandorten abbauen. Hierüber wurde 2016 ein erster Interessenausgleich/Sozialplan geschlossen. Momentan verhandeln wir eine Ergänzung zu diesem Interessenausgleich, die die bereits angesprochenen 100 Vollzeitstellen einschließt. Zum Teil geschieht der Abbau der Arbeitsplätze durch natürliche Fluktuation und Mitarbeiter, die in den Ruhestand gehen. Für Mitarbeiter, die uns verlassen, gibt es einen Sozialplan, Abfindungen oder die Möglichkeit zur Altersteilzeit. Auch helfen wir beim eventuellen Umzug nach Kassel. Und wir werden betroffene Mitarbeiter dabei unterstützen, neue Stellen zu finden. An unserem Hauptstandort Kassel werden neue Stellen in der Telefonberatung geschaffen. Unsere Telefonberatung wird kein Callcenter sein, sondern es werden geschulte Mitarbeiter dort arbeiten, die auch ECOanlageberater sind.

Werden sich Kunden der Evangelischen Bank trotzdem noch auf höhere Gebühren einstellen müssen?

Nein, so etwas planen wir im Privatkundenbereich nicht, denn es herrscht ja Wettbewerb zwischen den Banken. Einige bieten das Konto völlig umsonst an und geben den Kunden sogar noch Geld, wenn sie zu ihnen wechseln.

Haben Sie bereits positive oder negative Auswirkungen des neuen Zahlungskontengesetzes (ZKG) verspürt? Wenn ja, was hat sich getan?

Das ZKG hatte bei uns keine große Wirkung, aber es ist ein Aufwand damit verbunden – je nachdem, wie sehr sich die anderen Banken bemühen, die Kunden von uns aufzunehmen oder an uns abzugeben. Wir hatten es insgesamt nur mit 128 Wechseln zu tun, was bei rund 80.000 Kunden nicht sehr relevant ist. Für uns ist das eher eine Verbraucherschutz-Regelung. Auch beim sogenannten Basiskonto haben wir nur eine minimale Nachfrage gehabt.

Mehr über die Evangelische Bank lesen Sie in unserem Porträt. (Link entfernt)
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