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Die Unbelehrbaren: Nicht wenige nachhaltige Fonds haben auf das Katastrophen-Unternehmen BP gesetzt




BP setzt die amerikanische Küste unter Öl, es könnte das größte Umweltdebakel in der US-Geschichte werden – und wer ist mit von der Partie? Nachhaltige Fonds. Etliche haben BP-Aktien im Portfolio. Dabei hätten sie um die Risiken wissen können – BP gilt seit langem als risikofreudig, um nicht zu sagen: katastrophenverdächtig. Doch die Manager einiger nachhaltiger Fonds werden und werden nicht schlauer und auch nicht vorsichtiger.

Die Katastrophe hat Vorläufer

Dabei stehen viele Zeichen an der BP-Wand: Der Erdölkonzern hat sich schließlich nur den Werbegag einfallen lassen, das „BP“ als „beyond petroleum“ statt „British Petroleum“ auszuschreiben. Die amerikanischen Küstenfischer werden darüber nicht mehr lachen können. Im Golf von Mexiko sind offenbar mehrere Arbeiter bei der Explosion mit anschließendem Brand auf der von BP betriebenen Bohrinsel "Deepwater Horizon" ums Leben gekommen. Vor fünf Jahren waren bei einem Unglück auf einer BP-Raffinerie in Texas 15 Tote und 180 Verletzte zu beklagen. Die Untersuchungsberichte des U.S. Chemical Safety and Hazard Investigation Board und eines unabhängigen Gremiums kritisierten schon damals scharf die Konzernführung und Sicherheitsstandards der Raffinerie. 2006 setzte eine defekte BP-Pipeline in Alaska sensible Natur in riesigem Umfang unter Öl. Bei der aktuellen Umweltkatatrophe dürften die Schäden schon bald noch größer sein als selbst beim Untergang des Riesentankers Exxon Valdez.
Bildhinweis: Bohrinsel von BP / Quelle: Unternehmen


„Unternehmen der Ölbranche sind besonders risikoanfällig“, stellt dazu Dr. Philipp Aeby fest, Managing Director von RepRisk aus Zürich. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, Daten über Umwelt- und Sozialrisiken von Unternehmen zu sammeln und zu vergleichen. „BP rangiert in unserem Ranking in fast jedem Monat unter den Top 10 der riskantesten Unternehmen“, erklärt Aeby. BP ist zudem immer wieder in der Kritik, etwa wegen der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline. Sie durchläuft Nationalparks und Schutzgebiete in Aserbaidschan, Georgien und der Türkei. An dem entsprechenden Konsortium hält BP mit rund 30 Prozent den größten Anteil.

Ist weniger schlecht gut genug?


Trotz alledem ist die Aktie von BP in etlichen nachhaltigen Fonds und Indices enthalten. Es handelt sich hierbei um Produkte, die nach dem so genannten best-in-class-Ansatz die Titel auswählen. Sie wählen Unternehmen aus, die in ihrer jeweiligen Branche nachhaltiger sein sollen als andere. „Das heißt aber nicht, dass diese Firmen besonders nachhaltig sein müssen; es kann auch bedeuten, dass sie weniger schlecht sind als die anderen“, erläutert Prof. Dr. Stefan Schaltegger. Der Nachhaltigkeitsexperte leitet den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Umweltmanagement an der Universität Lüneburg. Er gibt aber auch zu bedenken, dass gerade in wenig nachhaltigen Branchen die größten Nachhaltigkeitsfortschritte zu erzielen seien.


Bildhinweis: Ölschliere durchziehen ein Naturschutzgebiet in Lousiana. / Quelle: Greenpeace


Damit argumentiert auch die Züricher Vermögensverwaltung SAM Sustainable Asset Management (SAM). Sie hat mit großem Erfolg gemeinsam mit Dow Jones den Nachhaltigkeitsindex DJSI aufgelegt. Der enthält nach ihrer Darstellung die hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen besten 10 Prozent aus den 2.500 Unternehmen des herkömmlichen Dow Jones Global Indexes. Als Ziel nennt SAM dabei, für jede Branche eine „Best Practice“ herauszustellen, also möglichst hohe Nachhaltigkeitsstandards zu etablieren. Durch das Renommee des DJSI soll ein Wettbewerb der Unternehmen um die Einstufung als Nachhaltigkeitsprimus angestoßen werden. In vielen DJSI-Indices ist die Aktie von BP enthalten, neben dem Weltindex etwa im Europaindex DJSI Stoxx und in diversen US-Indices. Dies stets mit dem Argument, dass im Branchenvergleich BP in Sachen Nachhaltigkeit vor der Konkurrenz liege. Auch im von der britischen Finanzzeitschrift Financial Times (FT) und der Londoner Börse (London Stock Exchange) aufgelegten Nachhaltigkeitsindex FTSE4Good Global ist die Aktie von BP gelistet, ebenso im Europa-Index und der Auswahl britischer Unternehmen, die unter der Marke FTSE4Good firmieren.
Bildhinweis: Nach dem Unglück auf der BP-Bohrinsel sind Strandspaziergänge an der US-Golfküste kein Vergnügen mehr. / Quelle: Greenpeace


BP als schwarze Perle in nachhaltigen Depots

Zu den Nachhaltigkeitsfonds, die auf der Nachhaltigkeitsanalyse von SAM und auf die Aktie von BP setzten oder setzen, gehört neben SAM-Fonds wie SAM Sustainable Global Active Fund und SAM Sustainable Europe Active Fund auch der MEAG Nachhaltigkeit der MEAG MUNICH ERGO Asset Management GmbH. Deren Pressesprecher Dr. Josef Wild hält es auch nach dem Unglück bei der Einstufung des Papiers als nachhaltiges Investment für entscheidend, " wie BP mit dem Unglück umgeht und welche Maßnahmen getroffen werden, damit so etwas in Zukunft nicht wieder passiert". Aber wie viele Unglücke und Umweltkatastrophen muss ein Unternehmen verantworten, um für Nachhaltigkeitsfonds tabu zu sein? Oder um zumindest nicht so stark in die Aktie zu investieren, dass die Positionen zu den größten im Portfolio gehört? Denn dazu zählt die BP-Aktie, mit 2,3 Prozent, wie Wild auf Nachfrage einräumt. Dabei erhebt das Fondsmanagement laut Prospekt den Anspruch, das Fondsvermögen in Unternehmen zu investieren, „die einen Beitrag zu einem verantwortungsbewussten Wirtschaftswachstum leisten“ und ein „umweltgerechtes und soziales Verhalten“ zeigen.
Bildhinweis: Die US-Golfküste war einmal ein Vogelparadies - das dürfte nun verloren gehen. / Quelle: Greenpeace


Zum Ende des 1. Quartals, dem Stichtag für die aktuell verfügbaren Informationen von Fondsportfolios, zählte die Aktie von BP aber auch in anderen Nachhaltigkeitsfonds zu den Top-Positionen. So etwa im Parvest Europe Sustainable Development von BNP Paribas, im Pictet Funds (LUX) European Sustainable Equities – P der Pictet Funds S.A. und im LIGA-Pax-Cattolico-Union der Union Investment Luxembourg S.A., obwohl dieser laut Prospekt „auf besondere Weise christliche Werte in seine Anlageentscheidungen einbezieht“. Manche Fonds sind nicht nur in BP stark investiert, sondern auch in andere umstrittene Öl-Aktien. Zum Beispiel der Dexia Sustainable Europe. Bei dessen Top-Holdings rangiert BP mit 3 % knapp vor Shell mit 2,4 Prozent, obwohl Shell sich aus dem Geschäft mit Erneuerbaren Energien schon vor Jahren weitgehend zurückgezogen hat und weiterhin von Menschenrechtsaktivisten für sein Gebaren in Nigeria kritisiert wird.


Geht nicht gibt’s nicht

Nachhaltigkeitsexperte Schaltegger verweist darauf, dass BP wie auch Shell den Strategieschwenk zurückgenommen haben, mit dem sie vor Jahren Hoffnung auf ein nachhaltigeres Wirtschaften gemacht haben. Die Parole „beyond petroleum“, mit der der frühere BP-Vorstandschef Lord Browne den Umbau zum Energiedienstleister anstoßen wollte, sei unter dem 2007 installierten Nachfolger Tony Hayward in der Sache fallengelassen worden. BP verstehe sich eindeutig wieder als Erdölunternehmen, was auch daran abzulesen sei, dass BP mit Lobbyaktivitäten gegen den Ausbau regenerativer Energien agitiere, insbesondere in den USA.

Ein Unfall wie der vor der Südküste der Vereinigten Staaten könne im Prinzip jedem Unternehmen geschehen, auch einem, das sich sehr um Nachhaltigkeit bemühe, so Schaltegger. „Die Frage ist jedoch, ob der Unfall trotz aller menschenmöglichen Bemühungen für Nachhaltigkeit geschah oder ob er Ausdruck einer bestimmten Werthaltung und Strategie ist, die Nachhaltigkeitsaspekte ignoriert.“ Dass der Unfall für BP keinen Einzelfall für stark negative Nachhaltigkeitsauswirkungen darstelle, das Investitionsverhalten kein echtes Engagement für regenerative Energien zeige und auch Vorstandsmitglieder sich gegenüber Nachhaltigkeitsfragen öffentlich negativ äußern, sei Ausdruck einer nachhaltigkeitsfernen Unternehmensstrategie. Längst sei nicht mehr festzustellen, dass BP sich um mehr Nachhaltigkeit bemühe, was doch wesentlich für die Auswahl nach dem best-in-class-Ansatz sei. Daher müsse „BP aus jedem nachhaltigen Fonds herausfallen“, meint Schaltegger. Wer nicht aussteige, könne nicht mehr seriös als Nachhaltigkeitsfonds firmieren. „Zumal best-in-class ja nicht heißt, dass man in umstrittene Branchen investieren muss“, wie er feststellt. „Wenn es in einem Sektor aufgrund hoher Umwelt- und Sozialrisiken keine investierbaren Unternehmen gibt, kann man auch fernbleiben“, so der Nachhaltigkeitsexperte weiter. Die Fonds würden ja auch nicht in Unternehmen und Branchen investieren, wo es hohe ökonomische Verlustrisiken gebe.


Bildhinweis: Bohrinsel von BP / Quelle: Unternehmen; Stefan Schaltegger / Quelle: Uni Lüneburg
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