Erneuerbare Energie

Die fetten Jahre sind vorbei - Experten sehen Photovoltaik in Europa auf absteigendem Ast



Bis Ende 2010 ist in Europa eine Solarstromleistung von rund 30 Gigawatt (GW) installiert worden. Das entspricht nicht nur der Leistung von etwa 30 Atomkraftwerken, sondern auch 75 Prozent der weltweiten Photovoltaikkapazität. Das geht aus einer Studie des europäischen Solarbranchenverbandes EPIA (European Photovoltaics Industry Association) hervor. Damit haben die Europäer wesentlich dazu beigetragen, dass sich die weltweiten Solarstromkapazitäten innerhalb von zehn Jahren fast verdreißigfacht haben, von 1,5 GW in 2010 auf 40 GW. "In den nächsten drei bis fünf Jahren wird der Anteil Europas am weltweiten Photovoltaik-Markt erheblich abnehmen", stellt aber nun Ash Sharma fest. Er leitet beim Marktforschungsunternehmen IMS Research aus dem britischen Wellingborough die Analyse des weltweiten Solarmarktes. IMS Research bietet Analysen und Beratungen für die Elektro-Industrie an und hat eine eigenen Abteilung für den Solarmarkt aufgebaut. Sharma weiter: "Der Zubau in Europa geht unserer Prognose zufolge 2011 und 2012 zurück und wird eine ganze Weile an die Zubau-Zahlen von 2010 nicht herankommen.“

Der Photovoltaik-Experte verweist darauf, dass in den führenden europäischen Solarmärkten die Solarstromtarife von den Regierungen stark gekappt wurden oder solche Kappungen angekündigt wurden. Allein in den beiden größten Solarmärkten Europas und damit der Welt insgesamt, in Deutschland und Italien, werde die Nachfrage in 2012 um 3 GW sinken.

Laut den Prognosen von IMS Research wird der Anteil der Europäer an der weltweit neu installierten Solarstromleistung bis Ende 2012 stark einbrechen, von 80 Prozent in 2010 auf 56 Prozent in 2012. Insgesamt sei beim Zubau der weltweiten Photovoltaik für das kommende Jahr mit einem um bis zu neun Prozent schrumpfenden Wachstum zu rechnen. Denn die aufstrebenden Solarmärkte in Asien und den USA hätten zwar das Potential, den Rückgang in Europa mehr als wettzumachen. Für beide Regionen sieht IMS Research ein Zubau-Potential von bis zu 5 GW allein bis 2012. Doch es sei bislang völlig unsicher, ob der Zubau wirklich die erforderliche Unterstützung der Politik bekomme, so Sharma. Dies gelte vor allem für die USA, wo der Kongress einerseits und Präsident Obama andererseit konträre Zielsetzungen beim Ausbau Erneuerbarer Energie verfolgten. Aber auch in China, das den asiatischen Photovoltaik dominiere, sei noch unklar, wie die Regierung das ausgerufene Ziel einer zügigen Verdoppelung der Soalrstromkapazitäten erreichen will. Für einen Boom der einheimsichen Nachfrage seien auch die in China produzierten Solarkomponenten noch zu teuer, das Wachstum werde daher bis auf weiteres ausschließlich von Solarprojekten getragen, die der Staat direkt finanziere.

Ben Lynch ist Solar-Analyst der Commerzbank AG. Er geht davon aus, dass sich der Negativtrend der Solarbranche aus dem ersten Quartal 2011 auch im zweiten Quartal fortsetzen wird. In Deutschland habe der strenge Winter neben den Kürzungen der Solarstromvergütung zum Jahreswechsel die Nachfrage in den ersten drei Monaten gebremst und zu schwachen Zwischenbilanzen vieler börsennotierter Solarunternehmen geführt. Zudem habe die lange Unsicherheit über die weitere Gestaltung der Solarstromvergütung im zweitgrößten Solarmarkt Italien die Nachfrage dort einbrechen lassen. Eine weitere starke Belastung seien die vor allem in Asien aufgebauten Überkapazitäten der Hersteller von Solarprodukten. All dies zusammen habe die Preise für Solarkomponenten stark unter Druck gesetzt. Sie seien auf Jahressicht im Schnitt um 20 bis 25 Prozent gesunken. Nach Einschätzung von Lynch werden viele Kunden angesichts der zum Juli anstehenden Kappungen von Solartarifen in Deutschland und Italien weitere Preissenkungen abwarten. Für das zweite Quartal sei bei den Bilanzen der Solarunternehmen daher keine Besserung zu erwarten.

Bildhinweis: Solarpark in Italien. / Quelle: Voigt & Coll. 


Immerhin werde die Kürzung der deutschen Solarstromtarife in diesem Sommer wohl nur moderat ausfallen, so der Analyst weiter. Die Kappung ist an die Zubauraten im Frühjahr gekoppelt und könnte bis zu 15 Prozent betragen. Nach Informationen von Lynch geht das zuständige Bundesumweltministerium von einer Kürzung um sechs Prozent zum 1. Juli aus. Die nächste Kürzung steht dann zum Jahresende an. Negativ verbucht es Lynch, dass Bundesumweltminister Norbert Röttgen vor wenigen Tagen für 2012 weitere Kürzungen der Solarstromtarife angekündigt hat (wir berichteten darüber und über weitere Einschnitte bei der Grünstromförderung über das deutsche EEG, die die Bundesregierung anstrebt. Per Opens external link in new windowMausklick gelangen Sie zu dem Beitrag). Er strebt eine weitere Kappung um voraussichtlich sechs Prozent zum März 2012 an. Im Sommer 2012 soll dann eine weitere Kürzung erfolgen. In wenig mehr als zwei Jahren würde damit die deutsche Solarstromvergütung um mehr als die Hälfte verringert. Die Pläne des Bundesumweltministers sehen zudem weitere Kappungen vor. Ab 2013 soll jedes halbe Jahr eine Kürzung der Solarstromtarife erfolgen und deren Höhe an die Zubauraten geknüpft werden. Derartig starke Einschnitte kann die Branche laut Carsten Körnig vom BSW-Solar nicht in so kurzer Zeit durch Effizienzgewinne auffangen. Laut dem Solarverband sind die Preise für deutsche Solarprodukte in den letzten Jahren in der Tat um über 50 Prozent gesunken, aber nicht seit 2009, sondern seit 2006.

Vieles spricht dafür, dass die Wachstumskurven der Photovoltaik weltweit und der in Europa in Zukunft in verschiedene Richtungen laufen werden. IMS Research geht davon aus, dass der Weltmarkt ab 2013 wieder stark wachsen wird, wenn auch nicht mehr mit Zuwachsraten um 40 Prozent, wie sie im letzten Jahrzehnt im Schnitt erreicht wurden. Die Marktforscher prognostizieren für 2013 einen Zubau von über 25 GW. In 2014 werde dann die Schwelle von 30 GW erreicht und für 2015 seien 35 GW möglich. Der jährliche Photovoltaikzubau in Europa wird laut den Marktforschern dagegen stetig absinken, bis auf 20 GW in 2015.
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