Erneuerbare Energie

Die EU-Direktive für Erneuerbare Energien: Rohrkrepierer oder Turbo der Entwicklung?




Die neue EU-Direktive ist ein zentraler Baustein der EU-Klimapolitik: die Kommission und das EU-Parlament haben sie den Mitgliedstaaten im Winter in zähen Verhandlungen abgetrotzt. Erstmals erhalten die Einzelstaaten damit konkrete Zielvorgaben für den Ausbau der alternativen Energieproduktion. Die Vorgaben sind von Land zu Land verschieden und auf die regionalen Bedingungen abgestimmt, im Durchschnitt sollen die Regenerativen in den EU-Staaten 20 Prozent der Energieversorgung abdecken. Ein Land wie Portugal, das schon heute auf einen Anteil der Erneuerbaren Energien von über 20 Prozent kommt, muss ihn bis 2020 auf 31 Prozent steigern. In Rumänien liegt der Anteil sogar schon heute bei fast 20 Prozent, doch aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage wird  dem Karpatenstaat nur eine Steigerung auf 24 Prozent vorgeschrieben. Der Beitrag der Erneuerbare Energien am gesamten Energieverbrauch in Deutschland betrug 2008 rund 9,6 Prozent und soll bis 2020 auf 18 Prozent klettern. Vermutlich wird die Bundesrepublik diese Quote deutlich übertreffen. Umgekehrt bestehen bei anderen Mitgliedsländern Zweifel, dass sie ihre Vorgaben erreichen werden.

So liegt etwa für Griechenland die Zielquote für 2020 bei ebenfalls 18 Prozent, damit müsste das Land den Anteil der Regenerativen an der Energieversorgung mehr als verdoppeln. In der Theorie mag das angesichts der langen Küstenlinie und der starken Sonneneinstrahlung machbar sein, die Bedingungen für Wind- und Sonnenenergie sind hervorragend. Doch in der Praxis hemmt die enorme Bürokratie in dem Land die Entwicklung schon seit Jahren. Der Aufwand für Genehmigungsverfahren sei „doppelt bis dreimal so hoch wie woanders“, meint etwa Wolf-Rüdiger Stahl, Leiter der Abteilung Project Finance Renewables bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Diese erwirtschaftete im abgelaufenen Geschäftsjahr im Segment Photovoltaik ein Neugeschäftsvolumen von etwa 500 Millionen Euro und hat auch in Griechenland Projekte realisiert.

Erst vor kurzem musste die EU-Kommission einräumen, dass die Mitgliedstaaten das Zwischenziel für 2010 beim Ausbau der alternativen Energien verfehlen werden. Laut dem aktuellen Fortschrittsbericht zur Entwicklung der Erneuerbaren Energien in der EU haben nur Deutschland und Ungarn ihre Ziele heute bereits erreicht. Nur sechs Länder hätten seit 2007 den Anteil der Regenerativen um mehr als zwei Prozent gesteigert: neben Deutschland gelang dies nur Italien, Portugal, Irland, den Niederlanden und der Slowakei. Dafür stagnierte die Entwicklung in sieben Ländern, wenn sie nicht gar rückläufig war. Hier nennt die EU Dänemark, Finnland, Rumänien, Slowenien, Zypern, Litauen und Malta.

Die säumigen Länder müssen nun Maßnahmen ergreifen, um ihre Rückstände aufzuholen und hohe Strafgelder zu vermeiden. Nur dann kann die EU ihre ehrgeizigen Ziele erreichen. Denn mit ihren Vorgaben strebt die EU-Direktive an, dass die Gemeinschaft ab 2009 die regenerative Energieerzeugung in jedem Jahr so stark ausbaut wie in dem gesamten Jahrzehnt bis 2008. „Das ist ambitioniert, aber es ist möglich“, erklärt dazu Andris Piebalgs, EU-Energiekommissar. Die Haupthindernisse bestünden derzeit in bürokratischen Hürden, unzureichendem Zugang zu den Stromnetzen und der geringen Unterstützung des Sektors durch die Mitgliedstaaten. Genau hier setze die EU-Direktive an. Diese fordere von den Mitgliedstaaten den Abbau administrativer Hürden, den Ausbau der erforderlichen Netzinfrastruktur und gebe Regeln für die Übertragung erneuerbaren Stroms vor.

„Die Vorgaben der Direktive werden aus unserer Sicht eine zusätzliche Motivation sein, effektive Fördersysteme nach dem Vorbild des deutschen Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) zu etablieren“, meint Reinhart Buchner, Unternehmenssprecher von Sharp Electronics (Europe) GmbH. „Länder wie Deutschland, die schon seit Jahren mit dem EEG ein sehr effektives und erfolgreiches Fördersystem für Erneuerbare Energien installiert haben, werden dieses Ziel leichter erreichen und Ländern ohne Fördersystem als sehr effektives Modell ein Vorbild dienen“, erklärte er gegenüber ECOreporter.de. Ihm zufolge geht Sharp, einer der größten Hersteller von Solarprodukten weltweit, davon aus, dass die EU-Direktive insbesondere den europäischen Solarmarkt nachhaltig beleben wird.

Auch Dr. Jens Boysen vom Fraunhofer-Zentrum für Mittel- und Osteuropa (MOEZ) aus Leipzig begrüßt die EU-Direktive. Sie erzeuge Druck auf die Regierungen und ihre Verwaltungen, dem Ausbau der Erneuerbaren Energien in Europa den Weg zu bereiten. Dr. Martina Ecker von Jefferies International verweist darauf, dass durch die EU-Direktive vor allem die europäischen Energiekonzerne gezwungen seien, bis 2020 verstärkt Energie aus regenerativen Quellen anzubieten. Daher sei zu erwarten, dass diese meist finanzkräftigen Unternehmen verstärkt in Grünstromprojekte investieren werden, so die Cleantech-Expertin vom deutschen Büro der US-amerikanischen Investmentbank.

Bildhinweis: Spanisches Solarprojekt. / Quelle: SunTechnics Técnicas Solares
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