Erneuerbare Energie

Die Einführung neuer Solarstromtarife in Italien könnte sich verzögern – Energiewendegipfel in Berlin zum deutschen EEG



2011 war in Italien ein Photovoltsikboom-Jahr. Mit der Begründung, Kosten senken zu wollen, trieb die italienische Regierung deshalb im Eiltempo eine neuerliche Senkung der Einspeisetarife voran. Nun kommt der Prozess offenbar ins Stocken. Die Einführung der Gesetzes-Novelle könnte sich um mindestens drei Monate bis Oktober 2012 verzögern. Davon gehen zumindest Analysten aus, die den Markt beobachten.

Offizieller Termin für das neue italienische Energiegesetz Conto Energia V ist der 1. Juli 2012. Wie in Deutschland wurde das italienischche Energiegesetz in einer Regionalversammlung vom 11. Mai vorerst gestoppt worden. Weil das Gesetz Ende Mai 2012 nochmals auf regionalpolitischer Ebene diskutiert werde, sei die Verschiebung wahrscheinlich, so der Deutsche Bank-Analyst Vishal Shah. Zudem habe er aus Regierungskreisen erfahren, dass auch für die verantwortlichen Politiker eine Verschiebung auf den 1. Oktober denkbar sei.

In Italien sind 2011 besonders viele Solaranlagen in Betrieb genommen worden. Über das Jahr betrachtet stieg die installierte Photovoltaikleistung um 9.330 MW oder 33 Prozent auf 12.500 Megawatt (MW). Das entspricht der Kapazität von zwölf Atommeilern. Dem Marktforschungsunternehmen EuPD Research zufolge waren 60 Prozent aller 2011 in Italien neu ans Stromnetz gebrachten Solaranlagen kleine Dachanlagen. Diese kamen laut Daniel Christian Quack, Marktanalyst bei EuPD Research,  in 2011 allein auf 5.600 Megawatt Leistungskapazität.

Das neue Conto Energia soll diesem Boom einen Riegel vorschieben. Es sieht durchschnittliche 36 Prozent weniger Vergütung für Sonnenstrom vor. Besonders stark soll es die mittleren und größeren Anlagen treffen. Der Tarif für Betreiber von Kleinanlagen mit 3 kW Leistungskapazität fällt von 24,7 auf 23,7 Cent je Kilowattstunde kWh. Für Strom aus Dachanlagen bis zu 200 kW werden statt 22,4 künftig noch 19,9 Cent je kWh gezahlt.  Die Vergütung für Strom aus Großanlagen mit 1 MW Kapazität soll von 18,2 auf 16,1 Cent pro kWh gesenkt werden. Außerdem soll eine jährliche Obergrenze in das Gesetz eingezogen werden, die vorschreibt wie viele Photovoltaikanlagen jährlich neu installiert werden dürfen. Wo genau diese Grenze-  dieser Deckel -  angesetzt werden soll ist noch offen. Überdies ist auch eine finanzielle Obergrenze im Gespräch. Im April hatte der zuständigen Minister noch erklärt, die Tarifkürzungen des Conto Energia V sollten spätestens dann eingeführt werden, sobald sechs Milliarden Euro Einspeisevergütung an die Betreiber italienischer Anlagen geflossen sei.

Quack zufolge beanstanden die Gegner des Conto Energia V in seiner aktuellen Form nicht die Tiefe  der geplanten, neuerluchen Einschnitte. Strittig seien eher Übergangsfristen und Sonderboni wie das „Made in Europe“-Siegel. Dieses stellt Anlagen mit Komponenten europäischer Hersteller etwa vor solchen mit Technologie asiatischer Mitbewerber beim Vergütungsanspruch besser.

Die Marktforscher von EuPD research gehen davon aus, dass der italienische Solarmarkt mit der Einführung des Conto Energia V einen Umbruch erleben wird. Ihnen zufolge verschiebt sich der Fokus des italienischen Markts zu kleinen und dezentralen Anlagen. Allerdings bedürfe es dazu eines Umdenkens der Bevölkerung. Bislang würden viele Italiener vorrangig der finanziellen Rendite wegen Solaranlagen betreiben. „Vielmehr müssen auch ökologische Vorteile wie Energieeinsparung eine Rolle spielen, die in einem zweiten Schritt ebenfalls in ökonomischen Vorteilen wie der daraus bedingten Kosteneinsparung führen“, folgern die Experten. Der Markt für große Solaranlagen stehe indes vor dem Totalzusammenbruch, prognostiziert  Analyst Daniel Christian Quack.

Energiewendegipfel in Deutschland

Über den weiteren Fortgang bei der Einführung neuer Solarstromtarife in Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel unterdessen zum Energiewendegipfel geladen. Der Bundesrat hatte das Gesetz in seiner aktuellen Form abgelehnt und an den Vermittlungsausschuss überwiesen (mehr dazu Opens external link in new windowhier). Am kommenden Mittwoch soll im Kanzleramt allerdings nicht nur über die Novelle des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) beraten werden. Eine weitere schwierige Baustelle der Energiewende, die bei dem Gipfel besprochen werden dürfte, ist der Ausbau der Offshore-Windkraft. Diese soll nach dem Willen der Bundesregierung künftig eine große Rolle im Energiemix der Bundesregierung spielen. Hier lautet das Ziel bis 2030 Hochseewindräder mit 25.000 Megawatt Leistungskapazität in Betrieb zu haben.

Eine aktuellen Studie des Marktforschungsinstituts trend:research bezeichnet alle bisherigen Prognosen zum Ausbau der Offshore-Windkraft allerdings als zu optimistisch“. Eine EEG-Machbarkeitsstudie, die zum Start der Energiewendepolitik der Bundesregierung herausgegeben worden war, stellt außerdem zehn Gigawatt Offshore-Windkraft bis 2020 in Aussicht. trend:research zufolge ist ein Ausbau auf 4.000 MW bis 2020 realistischer. Weil aber der Ausbau technisch hoch anspruchsvoll und das Problem der Stromnetzanbindung noch weitgehend ungelöst sind, sind auch Genehmigungsprozesse ins Stocken geraten. Die Folge: Zahlreiche Projekte stecken in der Warteschleife(ECOreporter.de Opens external link in new windowberichtete). Und Verzögerungen können für die Beteiligten Unternehmen teuer werden. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) hat bislang immer betont, die Offshore-Windkraftziele seien weiterhin erreichbar und das gesamte Energiewende-Konzept nicht gefährdet.

Heute schon wird der neue Umweltminister Peter Altmaier (CDU) offiziell vereidigt. Der bisherige parlamentarische Staatssekretär folgt damit Norbert Röttgen (ebenfalls CDU), der als erster Minister des Kabinetts Merkel direkt von der Kanzlerin entlassen worden war (ECOreporter.de Opens external link in new windowberichtete). Kurz zuvor hatte Röttgen bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen als Ministerpräsident kandidiert und eine herbe Wahlniederlage erlitten. Diese hatte innerparteilich für Unmut gesorgt.
Bildnachweis: Peter Altmaier (CDU), designierter Bundesumweltminister. / Quelle: Deutscher Bundestag/ H.J. Müller.
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