ISS-oekom analysiert und bewertet nachhaltige Unternehmen wie beispielsweise ABO Invest. / Foto: ABO Invest

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“Die Bedeutung der Nachhaltigkeitsrating-Agenturen steigt“ - Interview mit ISS-oekom-Chef Robert Haßler (Teil 2)

Im zweiten Teil des ECOreporter-Interviews spricht Robert Haßler, Leiter der Nachhaltigkeitsrating-Agentur ISS-oekom, über aktuelle Trends im Nachhaltigkeitsresearch und die großen Herausforderungen, denen sich seine Branche in den nächsten Jahren wird stellen müssen.

Der folgende Premium-Inhalt ist aufgrund des Artikelalters nun frei verfügbar.

Den ersten Teil des Interviews mit Robert Haßler können Sie hier lesen.

ECOreporter: ISS ist ein großes Unternehmen mit über 1.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Geht der Trend beim Nachhaltigkeitsresearch in Richtung größere Einheiten? Ist der Markt für Unternehmen mit 5 bis 30 Angestellten zu schwierig geworden?

Haßler: In gewisser Weise sind Größe, Abdeckung und Reichweite durchaus wichtige Faktoren geworden, die schließlich auch uns dazu veranlasst haben, den Schritt mit ISS zu gehen. Wie schon gesagt, es kann in der Tat weiterhin Spezialisten geben – aber um auch einen Impact beim Mainstream erreichen zu können, muss man diesem auf Augenhöhe begegnen können.

Was erwarten Sie für die nächsten Jahre an wesentlichen Herausforderungen für das Nachhaltigkeitsresearch?

In Bezug auf die Tätigkeit unserer Analysten ist es das Verarbeiten der immer stärker wachsenden Informationsmengen. Unternehmen verstehen die Bedeutung von Nachhaltigkeit, obliegen immer stärker Reporting-Anforderungen, und somit wächst auch die Menge des Informationsmaterials, das auszuwerten ist. Hinzu kommen immer differenzierte Anforderungen auf Investorenseite. All dies macht es notwendig, auch den Einsatz von KI-Lösungen (künstliche Intelligenz) zu testen und in Erwägung zu ziehen, um effiziente Prozesse zu gewährleisten.

Hat sich auch die Bedeutung des nachhaltigen Investments für die Nachhaltigkeit insgesamt geändert?

Ja. Das nachhaltige Investment nimmt inzwischen eine wichtige Rolle als Instrument zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele ein. In gleichem Maße, wie sich der Gedanke der „Sustainable Finance“ weiter etabliert und Bestandteil des Mainstreams wird, steigt die Bedeutung der Nachhaltigkeitsrating-Agenturen. Sie können mit ihrer Umwelt- und Sozialexpertise Chancen und Risiken identifizieren, die mit rein ökonomischer Betrachtung nicht sichtbar würden. Sie stellen daher eine Schlüsselressource für die Finanzmarktakteure dar, um die Kapitalströme in Richtung nachhaltige Entwicklung zu leiten.

Wenn Sie 20 Jahre zurückblicken, Herr Haßler: Wie hat sich die Wahrnehmung des Nachhaltigkeitsresearchs und der oekom research AG bei den Unternehmen verändert, die Sie bewerten?

Welchen Stellenwert wir als Nachhaltigkeitsanalysten bei Unternehmen inzwischen erlangt haben, hatte im Oktober letzten Jahres unsere Impact-Studie untersucht. Der Impact, d.h. die Wirkung, die nachhaltig agierende Investoren, Banken und Ratingagenturen auf Unternehmen und deren Nachhaltigkeitsleistungen unmittelbar haben, ist demnach deutlich gewachsen. Die stärksten Treiber für ein verstärktes Bewusstsein und Engagement der Unternehmen sind die Nachhaltigkeitsrating-Agenturen mit ihren Anfragen und Analysen: 61,3 Prozent der Unternehmen gaben damals an, durch sie zur Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsaspekten motiviert worden zu sein.

Die von Nachhaltigkeitsrating-Agenturen erhobenen Informationen und Bewertungen der Nachhaltigkeitsleistungen dienen nicht nur als Entscheidungsgrundlage für Investoren, auch die Unternehmen selbst nutzen sie. So stellen für 91 Prozent der Befragten die Anforderungen von Nachhaltigkeitsrating-Agenturen ein Frühwarnsystem dar, welches ihnen hilft, relevante soziale und umweltbezogene Nachhaltigkeitstrends frühzeitig zu erkennen. Mehr als 70 Prozent gaben zudem an, regelmäßig Nachhaltigkeitsratings zum Benchmarking gegenüber den Mitbewerbern zu nutzen.

Können Sie uns zwei Nachhaltigkeitsthemen nennen - eins, das Sie für eine große Herausforderung halten, bei der Sie aber eine Lösung auf dem Weg sehen - und eines, bei dem Sie denken: Hier muss sich gewaltig etwas ändern, damit es besser wird?

Ich würde sagen, jedes Problem, das technisch gelöst werden kann, ohne dass damit ein Wohlstandsverlust verbunden ist, ist an und für sich einfach zu lösen. Schwierig wird es dann, wenn der Mensch sich ändern muss. Der Klimawandel ist ein gutes Beispiel dafür. An und für sich ist es ein einfaches, da monokausales Problem: Zu viele Treibhausgase führen zu einem globalen Temperaturanstieg, der zunehmend unangenehme Folgen bereitet. Die Ursachen des Problems sind erkannt, die Lösungen auch, sie müssen nur konsequent umgesetzt werden. Aus jetziger Sicht scheint eine 100-prozentige Energieversorgung des Planeten mit Erneuerbaren Energien machbar – auch wenn ich mich nicht wundern würde, wenn damit langfristig andere, bisher noch unerforschte externe Effekte verbunden wären, aber das ist ein anderes Thema. Während es auf technischer Seite zahlreiche attraktive Alternativen gibt, die es gilt, Schritt für Schritt in den Markt einzuführen und die CO2-intensiven Energieumwandlungssysteme zu ersetzen, tut sich der Mensch schwer, lieb gewonnene Gewohnheiten wie den Fleischkonsum oder das Reisen zu reduzieren. Das wird allerdings nötig sein, um das Gesamtziel zu erreichen.

Persönlich sehe ich zurzeit mit großer Sorge, dass der Konsum und die Wegwerfmentalität in den Industrieländern mittlerweile Dimensionen angenommen haben, die bei weitem nichts mehr mit einer nachhaltigen Entwicklung zu tun haben. Aber auch hier gilt: Kein Problem ist zu groß, als dass es nicht angegangen werden kann und muss.

Herr Haßler, vielen Dank für das Gespräch!

Den ersten Teil des Interviews mit Robert Haßler können Sie hier lesen.

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