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"Der verantwortungsvolle Umgang mit Mikrofinanzkunden steht im Mittelpunkt." - ECOreporter.de-Interview mit Michèle Chevin, ResponsAbility Global Microfinance Fund
Wie arbeiten Mikrofinanzfonds? Wie kontrollieren sie, was mit dem Geld der Anleger vor Ort geschieht? Über diese und weitere Fragen haben wir mit führenden Anbietern von Mikrofinanzfonds gesprochen. Der responsAbility Global Microfinance Fund (ISIN LU0180189770 oder LU0180189273) ist seit November 2003 auf dem Markt. Bis zum Dezember 2008 erreichte er eine jährliche Durchschnittsrendite von 4,6 Prozent (per
Mausklick gelangen Sie zu unserem Beitrag vom 8. Januar über den letzten Monatsbericht des Fonds). Michèle Chevin hat sich für den ResponsAbility Global Microfinance Fund den Fragen von ECOreporter.de gestellt.
ECOreporter.de: Was kommt von dem gesamten Fondsvolumen wirklich bei den Mikrofinanzinstituten an und wie viel davon bei den Kreditnehmern?
Michèle Chevin: 100 Prozent des investierten Volumens erreicht die Mikrofinanzinstitute (MFIs), die administrativen Kosten werden aus dem Zinsertrag gedeckt. Beim responsAbility Global Microfinance Fund (rAGMF) sind rund 90 Prozent des gesamten Fondsvolumens investiert. Im Schnitt werden etwa zehn Prozent des Fondsvolumens als Cash gehalten, um ein solides Liquiditätsmanagement des Fonds zu ermöglichen.
Mikrofinanzinstitutionen erhalten vom responsAbility Global Microfinance Fund Refinanzierung für ihr Kreditportfolio. Die Mittel werden also für die Vergabe von Mikrokrediten an die Kleinunternehmer vor Ort verwendet. Eine gut gemanagte MFI deckt ihre Kosten durch Zinseinnahmen aus ihren Geschäftsaktivitäten. Folglich werden 100 Prozent der vom rAGMF gestellten Refinanzierung von den MFI als Kredite an Mikrounternehmer vergeben.
ECOreporter.de: Warum investiert der responsAbility Global Microfinance Fund in Mikrofinanzinstitute in bestimmten Ländern und in anderen nicht? Welche Auswahlkriterien gibt es dafür?
Chevin: Die Investitionsaktivitäten des Fonds konzentrieren sich auf Entwicklungs- und Schwellenländer. Die Länderselektion wird unter Berücksichtigung des Länder- und Finanzmarktrisikos getätigt. Zu beachten sind etwa Länderrisiken wie Transferrisiken, Währungsrisiken oder politische Risiken, Marktrisiken wie Subventionen, Zinsobergrenzen oder Marktverzerrungen durch politische Intervention. Ferner stellt sich die Frage nach dem Potential vor Ort: existiert überhaupt ein Mikrofinanzmarkt und ist er reif genug für kommerzielle Refinanzierung? Wichtig sind auch operative Faktoren. Es muss festgestellt werden, ob die lokalen Zinskonditionen für den rAGMF realisierbar sind, d.h. ob sie unsere Kosten decken, und ob die Regulierung in dem Land internationale Finanzierung überhaupt zulässt.
ECOreporter.de: Nach welchen Kriterien werden die Mikrofinanzinstitute ausgesucht, denen der Fonds Geld zur Verfügung steht?
Chevin: responsAbility arbeitet mit einem mehrstufigen Analyseprozess. Dabei werden die MFI einem Rating unterzogen, das drei Hauptkomponenten aufweist:
1. Operationelle Qualität der Institution – hier geht es um Aspekte wie Management, Prozesse Kreditmethode etc. -;
2. Analyse des Mikrofinanz-Marktes, in dem die MFI tätig sind;
3. politische und makroökonomische Situation des Landes.
Diese Komponenten sind wiederum in verschiedene Unterkategorien und schließlich in insgesamt rund 100 Einzelkomponenten aufgeteilt.
Diese Beurteilungen werden gewichtet und führen zu einem Gesamt-Rating. Zudem kommen Regeln auf Portfoliostufe zur Anwendung, die Risikokontrolle und einen möglichst hohen Diversifikationsgrad zum Ziel haben.
ECOreporter.de: Wie wird überprüft, wie die Mikrofinanzinstitute die Mittel einsetzen?
Chevin: Zentral ist ein strukturierter Analyseprozess vorab, dazu gehört u.a. die Due Diligence (umfassende Plausibiltätsprüfung, die Red.). D.h. dass die MFI auch vor Ort besucht wird. Nach Vergabe des Kredits basiert unser Risikomanagement unter anderem auch auf einer monatliche Berichterstattung der MFI und regelmäßigen Besuchen zur Überprüfung.
ECOreporter.de: Überprüft der Fonds nur, was ihm die Investments in die Mikrofinanzinstitute einbringen oder auch, was diese Mittel vor Ort konkret bewirken?
Chevin: In unserem jährlichen Social Performance Report legen wir Rechenschaft über die soziale Dimension unserer Investitionstätigkeit ab.
Aufgrund des positiven Effektes auf die Einkommenssituation von armen Menschen gilt Mikrofinanz heute unter Entwicklungsexperten als wichtiges Instrument für Entwicklung. Mikrofinanz leistet damit auf der Basis von Hilfe zur Selbsthilfe einen wichtigen Beitrag zur Armutsreduktion: konkret wirkt sie sich auf die Kreditnehmer etwa dadurch positiv aus, das sie Zugang zu Ausbildung ermöglicht, eine bessere Ernährung und Gesundheit und damit eine verbesserte Lebenssituation für Familien.
ECOreporter.de: Was will der Fonds konkret durch seine Investments bewirken?
Chevin: responsAbility will mit den Investitionen in Mikrofinanz einen Beitrag leisten, die Lebensbedingungen von armen Menschen zu verbessern. Zurzeit haben lediglich zwischen 10 Prozent und 20 Prozent der Mikrounternehmer Zugang zu Bankdienstleistungen.
Aufgrund der großen und stetig wachsenden Nachfrage nach Mikrofinanzdienstleistungen brauchen die MFI Zugang zu Refinanzierungsmitteln, um die wachsende Anzahl von Mikrounternehmern zu bedienen. Der rAGMF ermöglicht diese Refinanzierung. Ziel des Fonds ist es, Wachstum und Professionalisierung von MFIs zu fördern, um möglichst vielen Mikrounternehmern den Zugang zu Finanzdienstleistungen zu gewähren(outreach), damit Mikrounternehmer sich und ihren Familien ein bessere Zukunftsperspektive ermöglichen können.
Gleichzeitig bietet der Fonds privaten und institutionellen Investoren eine Anlagemöglichkeit, die neben einem finanziellen Ertrag auch einen sozialen Nutzen offeriert. Damit wollen wir eine Brücke schlagen zwischen Privatsektor und Entwicklungszusammenarbeit.
ECOreporter.de: Gibt es Vorgaben oder Empfehlungen, für welche Bereiche oder Bevölkerungsgruppen die Mittel vorrangig zu vergeben sind?
Chevin: Die Investmentaktivitäten und die Analyseprozesse von responsAbility basieren auf Guiding Principles und Ausschlusskriterien. Die Ausschlusskriterien werden den MFI kommuniziert. Bei einem Investment werden finanzielle und soziale Kriterien analysiert. Aspekte wie die Anzahl von Frauen, die Anzahl ländlicher Kunden oder die Zusammensetzung des Kreditportfolios nach Sektor spielen zum Beispiel eine Rolle. Es wird geschaut, ob die Aktivitäten der MFI den Investmentkriterien von responsAbility entsprechen. Ist dies der Fall, kann ein positiver Investmententscheid getroffen werden. Es ist jedoch nicht die Aufgabe des Refinanzierers, punktuell Einfluss auf operative Entscheide der MFI zu nehmen.
ECOreporter.de: Wie wird überprüft, welche Auswirkungen es auf die Gesellschaft vor Ort hat, dass durch das Engagement des Mikrofinanzfonds mehr Kapital zur Verfügung steht?
Chevin: responsAbility orientiert sich bei dieser Fragestellung an den von der UNO zur Reduktion der Armut definierten Zielsetzungen, den UN Millennium Development Goals (
MDG). Von den insgesamt acht Hauptzielen sind vier für Mikrofinanz relevant: Gesundheit und Ernährung, Bildung, Stellung der Frau, Armut und Risiko.
Zur Messung der Wirkung vor Ort kann auf drei Ebenen angesetzt werden: auf der Endkundenebene mit sehr aufwändigen und über längere Zeiträume durchgeführten Social Impact-Studien zu den sozialen Auswirkungen der Mikrokredite.
Die zweite Betrachtungsebene zielt auf die Institutionen und misst deren Performance (Leistung) anhand verschiedener Indikatoren. Die dritte Ebene schließlich ist die Marktentwicklungsebene.
responsAbility stützt sich einerseits auf die Erkenntnisse von wissenschaftlichen Studien (Social Impact-Studien). Andererseits erstellen wir einen jährlich Social Performance Report, der über die soziale Dimension unserer Investitionsaktivitäten Rechenschaft ablegt. Ebenso publizieren wir monatliche Social Performance-Indikatoren wie Kunden Land/Stadt, Frauen und die durchschnittliche Kreditgrösse in unseren Monatsberichten.
ECOreporter.de: Inwiefern führt der Mittelzufluss westlicher Investoren über Mikrokredite in Regionen mit anderer Kultur zu einer „Kolonisation der Werte“? Werden westliche Wertvorstellungen mittels Kreditvergabe durchgesetzt?
Chevin: Die Refinanzierung von MFIs ermöglicht das Wachstum eines Mikrofinanzsektors und damit den Aufbau von Finanzstrukturen. Dies führt zu einer Professionalisierung der MFIs, was die Kreditvergabe auf Basis von objektiven Risikokriterien festigt. Auch gibt es Methoden der Kreditvergabe, die lokale Gegebenheiten berücksichtigen. Ein Beispiel dafür ist die shariakonforme Kreditvergabe (Islamic Banking).
ECOreporter.de: Inwiefern haben Mikrofinanzinstitute auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Kreditnehmern, insbesondere wenn sie die Rückzahlungen nicht leisten können und abzustürzen drohen?
Chevin: Es ist zentrale Aufgabe der MFI, verantwortungsbewusst mit ihren Kunden umzugehen und solche Fälle zu verhindern. Basis dazu ist ein solider Vergabeprozess, um die Kreditfähigkeit des Kunden zu beurteilen. Bei der Gewährung eines Mikrokredites wird der Zweck des Kredites überprüft und laufend kontrolliert. Daher sind auch die kurzen Rückzahlungsmodalitäten sinnvoll für die MFI und den Kreditnehmer. Dabei kann die Geschäftsaktivität auf die Profitabilität überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Kreditnehmer und Kreditgeber kennen sich gut. In Notsituationen hilft je nach Kreditart die Kreditgruppe (Village Banking oder Solidargruppen-Kredite) oder die MFI ordnet das Kreditverhältnis neu.
Aber es gibt auch Fälle, wo Schulden nicht zurückbezahlt werden können und die Leute fallen wieder zurück in die Armut. Dies zu vermeiden, ist eine der Hauptaufgaben des Managements einer MFI.
ECOreporter.de: Es gibt Berichte über Selbsttötungen von Mikrokreditkunden, die Kredite nicht zurückzahlen konnten. Wie gehen die Mikrofinanzinstitute mit solchen Tragödien um, wie der Fonds?
Chevin: Dies sind tragische Einzelfälle, die sehr bedauerlich sind und unbedingt vermieden werden müssen. Die MFI und die Mikrofinanzinvestoren haben hier eine Verantwortung, die Kreditkapazität des Kreditnehmers vorher sorgfältig zu prüfen und solche Situationen zu vermeiden.
ECOreporter.de: Es wird auch berichtet, dass Mikrofinanzinstitute Schlägertrupps einsetzen, um die Rückzahlung von Krediten einzufordern. Inwiefern kann ihr Fonds solche Praktiken bei den Mikrofinanzinstituten ausschließen, in die er investiert?
Chevin: Auch wenn es zentral ist für den Erfolg einer MFI, säumige Kredite absolut konsequent zurückzufordern, steht ein verantwortungsbewusster und respektvoller Umgang mit Kunden im Mittelpunkt. Dazu gehört auch der Umgang bei der Rückzahlung säumiger Kredite. Der Mikrofinanzsektor ist sich der Wichtigkeit des Umgangs mit Kunden bewusst. Es wurde aus diesem Grund eine Initiative zum verantwortungsbewussten Umgang mit Kunden lanciert (
CGAP Client Protection Princples). Als Investor unterstützt responsAbility diese Initiative und engagiert sich in deren Umsetzung im Rahmen der Verantwortlichkeiten eines Investors. In unserem aktuellen Social Performance Report nehmen wir außerdem die Thematik als Fokusthema auf.
ECOreporter.de: Wächst nicht die Gefahr schwarzer Schafe unter den Mikrofinanzinstituten, wenn immer mehr Mittel in den Sektor fließen?
Chevin: Aktuell haben erst etwa 10-20 Prozent potentiell interessierter Mikrounternehmer Zugang zu Finanzdienstleistungen. Das Potential wird auf ca. 250 Milliarden Dollar geschätzt – im Moment sind 36 Milliarden Dollar ausstehend.
Zentral ist eine professionelle Kreditanalyse jedes Investments. Dazu gehört unter anderem, die Professionalität des Managements, die Wachstumspläne, Vision und Mission einer MFI.
Gerade vor dem Hintergrund schnell wachsender Mikrofinanzinstitutionen (MFI) und einer größer werdenden Konkurrenz, gewinnt die Verantwortung der MFI gegenüber ihren Kunden an Wichtigkeit. Sie sind aufgefordert, grundlegende Prinzipien, wie z.B. eine transparente und verständliche Kommunikation der Kreditbedingungen und Zinsen, zu respektieren. Sektor spezifische Initiativen sollen den verantwortungsbewussten Umgang mit Mikrofinanzkunden stärken. MFI sind nun gefordert, eigene Prozesse zu entwickeln, um Kundenschutz zu gewährleisten. Diese Aufgaben gehört zu der Verantwortung des MFI-Managements.
Mikrofinanzinvestoren tragen eine Mitverantwortung. Ihre Rolle besteht darin, entsprechende Kriterien in den Anlageprozess zu integrieren. Denn ein strukturierter, professioneller Analyseprozess auf der Basis von definierten Guiding Principles und Ausschlusskriterien gewinnt daher noch mehr an Wichtigkeit.
Um die Wichtigkeit zu unterstreichen, hat responsAbility zusätzlich zu den eigenen Investment Principles auch die Uno Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren (
UNPRI) unterschrieben. Weitere Informationen zu unserem Social Performance Reporting gibt es im Internet unter:
http://www.responsability.ch/de/4_3nutzen.html
ECOreporter.de: Bis zu welchem Investitionsvolumen kann noch wirksam kontrolliert werden, was mit dem bereit gestellten Kapital geschieht?
Chevin: Es ist die Pflicht eines Investmentfonds, das von ihm investierte Volumen immer unter Kontrolle zu haben.
ECOreporter.de: Wie kann der Fonds dafür Gewähr leisten, dass er nicht in Konkurrenz zur Entwicklungshilfe und zu karitativen Organisationen gerät?
Chevin: Idealerweise sind Entwicklungszusammenarbeit und private Fonds komplementär. Der ungedeckte Finanzierungsbedarf ist weiter enorm groß. Die Herausforderung besteht also vielmehr darin, dass nicht genügend Mittel vorhanden sind, um die Finanzierungsbedürfnisse zu decken. Deshalb ist die zusätzliche Finanzierung durch den Privatsektor sehr wichtig. Sie ist aber über Investitionen nur in einem beschränkten Feld möglich. Spendengelder und Entwicklungszusammenarbeit sollten deshalb da eingesetzt werden, wo der Privatsektor nicht hinreicht. Wichtig ist eine gute Kooperation und Komplementarität zwischen Entwicklungszusammenarbeit und privater Finanzierung.
ECOreporter.de: Frau Chevin, wir danken Ihnen für das Gespräch.
In der vergangenen Woche hat ECOreporter.de mit Edda Schröder gesprochen. Sie ist Geschäftsführerin von Invest In Visions und Initiatorin des Wallberg Global Microfinance Fund. Auch dieser Fonds vergibt weltweit Darlehen an Mikrofinanzinstitute in Schwellenländern. Per
Mausklick gelangen Sie zu dem Interview mit Frau Schröder.
Bildhinweis: Michèle Chevin / Quelle: responsAbility; eine Mikrofinanzkundin aus Lateinamerika. / Quelle: Oikocredit

ECOreporter.de: Was kommt von dem gesamten Fondsvolumen wirklich bei den Mikrofinanzinstituten an und wie viel davon bei den Kreditnehmern?
Michèle Chevin: 100 Prozent des investierten Volumens erreicht die Mikrofinanzinstitute (MFIs), die administrativen Kosten werden aus dem Zinsertrag gedeckt. Beim responsAbility Global Microfinance Fund (rAGMF) sind rund 90 Prozent des gesamten Fondsvolumens investiert. Im Schnitt werden etwa zehn Prozent des Fondsvolumens als Cash gehalten, um ein solides Liquiditätsmanagement des Fonds zu ermöglichen.
Mikrofinanzinstitutionen erhalten vom responsAbility Global Microfinance Fund Refinanzierung für ihr Kreditportfolio. Die Mittel werden also für die Vergabe von Mikrokrediten an die Kleinunternehmer vor Ort verwendet. Eine gut gemanagte MFI deckt ihre Kosten durch Zinseinnahmen aus ihren Geschäftsaktivitäten. Folglich werden 100 Prozent der vom rAGMF gestellten Refinanzierung von den MFI als Kredite an Mikrounternehmer vergeben.
ECOreporter.de: Warum investiert der responsAbility Global Microfinance Fund in Mikrofinanzinstitute in bestimmten Ländern und in anderen nicht? Welche Auswahlkriterien gibt es dafür?
Chevin: Die Investitionsaktivitäten des Fonds konzentrieren sich auf Entwicklungs- und Schwellenländer. Die Länderselektion wird unter Berücksichtigung des Länder- und Finanzmarktrisikos getätigt. Zu beachten sind etwa Länderrisiken wie Transferrisiken, Währungsrisiken oder politische Risiken, Marktrisiken wie Subventionen, Zinsobergrenzen oder Marktverzerrungen durch politische Intervention. Ferner stellt sich die Frage nach dem Potential vor Ort: existiert überhaupt ein Mikrofinanzmarkt und ist er reif genug für kommerzielle Refinanzierung? Wichtig sind auch operative Faktoren. Es muss festgestellt werden, ob die lokalen Zinskonditionen für den rAGMF realisierbar sind, d.h. ob sie unsere Kosten decken, und ob die Regulierung in dem Land internationale Finanzierung überhaupt zulässt.
ECOreporter.de: Nach welchen Kriterien werden die Mikrofinanzinstitute ausgesucht, denen der Fonds Geld zur Verfügung steht?
Chevin: responsAbility arbeitet mit einem mehrstufigen Analyseprozess. Dabei werden die MFI einem Rating unterzogen, das drei Hauptkomponenten aufweist:
1. Operationelle Qualität der Institution – hier geht es um Aspekte wie Management, Prozesse Kreditmethode etc. -;
2. Analyse des Mikrofinanz-Marktes, in dem die MFI tätig sind;
3. politische und makroökonomische Situation des Landes.
Diese Komponenten sind wiederum in verschiedene Unterkategorien und schließlich in insgesamt rund 100 Einzelkomponenten aufgeteilt.
Diese Beurteilungen werden gewichtet und führen zu einem Gesamt-Rating. Zudem kommen Regeln auf Portfoliostufe zur Anwendung, die Risikokontrolle und einen möglichst hohen Diversifikationsgrad zum Ziel haben.
ECOreporter.de: Wie wird überprüft, wie die Mikrofinanzinstitute die Mittel einsetzen?
Chevin: Zentral ist ein strukturierter Analyseprozess vorab, dazu gehört u.a. die Due Diligence (umfassende Plausibiltätsprüfung, die Red.). D.h. dass die MFI auch vor Ort besucht wird. Nach Vergabe des Kredits basiert unser Risikomanagement unter anderem auch auf einer monatliche Berichterstattung der MFI und regelmäßigen Besuchen zur Überprüfung.
ECOreporter.de: Überprüft der Fonds nur, was ihm die Investments in die Mikrofinanzinstitute einbringen oder auch, was diese Mittel vor Ort konkret bewirken?
Chevin: In unserem jährlichen Social Performance Report legen wir Rechenschaft über die soziale Dimension unserer Investitionstätigkeit ab.
Aufgrund des positiven Effektes auf die Einkommenssituation von armen Menschen gilt Mikrofinanz heute unter Entwicklungsexperten als wichtiges Instrument für Entwicklung. Mikrofinanz leistet damit auf der Basis von Hilfe zur Selbsthilfe einen wichtigen Beitrag zur Armutsreduktion: konkret wirkt sie sich auf die Kreditnehmer etwa dadurch positiv aus, das sie Zugang zu Ausbildung ermöglicht, eine bessere Ernährung und Gesundheit und damit eine verbesserte Lebenssituation für Familien.
ECOreporter.de: Was will der Fonds konkret durch seine Investments bewirken?
Chevin: responsAbility will mit den Investitionen in Mikrofinanz einen Beitrag leisten, die Lebensbedingungen von armen Menschen zu verbessern. Zurzeit haben lediglich zwischen 10 Prozent und 20 Prozent der Mikrounternehmer Zugang zu Bankdienstleistungen.

Gleichzeitig bietet der Fonds privaten und institutionellen Investoren eine Anlagemöglichkeit, die neben einem finanziellen Ertrag auch einen sozialen Nutzen offeriert. Damit wollen wir eine Brücke schlagen zwischen Privatsektor und Entwicklungszusammenarbeit.
ECOreporter.de: Gibt es Vorgaben oder Empfehlungen, für welche Bereiche oder Bevölkerungsgruppen die Mittel vorrangig zu vergeben sind?
Chevin: Die Investmentaktivitäten und die Analyseprozesse von responsAbility basieren auf Guiding Principles und Ausschlusskriterien. Die Ausschlusskriterien werden den MFI kommuniziert. Bei einem Investment werden finanzielle und soziale Kriterien analysiert. Aspekte wie die Anzahl von Frauen, die Anzahl ländlicher Kunden oder die Zusammensetzung des Kreditportfolios nach Sektor spielen zum Beispiel eine Rolle. Es wird geschaut, ob die Aktivitäten der MFI den Investmentkriterien von responsAbility entsprechen. Ist dies der Fall, kann ein positiver Investmententscheid getroffen werden. Es ist jedoch nicht die Aufgabe des Refinanzierers, punktuell Einfluss auf operative Entscheide der MFI zu nehmen.
ECOreporter.de: Wie wird überprüft, welche Auswirkungen es auf die Gesellschaft vor Ort hat, dass durch das Engagement des Mikrofinanzfonds mehr Kapital zur Verfügung steht?
Chevin: responsAbility orientiert sich bei dieser Fragestellung an den von der UNO zur Reduktion der Armut definierten Zielsetzungen, den UN Millennium Development Goals (

Zur Messung der Wirkung vor Ort kann auf drei Ebenen angesetzt werden: auf der Endkundenebene mit sehr aufwändigen und über längere Zeiträume durchgeführten Social Impact-Studien zu den sozialen Auswirkungen der Mikrokredite.
Die zweite Betrachtungsebene zielt auf die Institutionen und misst deren Performance (Leistung) anhand verschiedener Indikatoren. Die dritte Ebene schließlich ist die Marktentwicklungsebene.
responsAbility stützt sich einerseits auf die Erkenntnisse von wissenschaftlichen Studien (Social Impact-Studien). Andererseits erstellen wir einen jährlich Social Performance Report, der über die soziale Dimension unserer Investitionsaktivitäten Rechenschaft ablegt. Ebenso publizieren wir monatliche Social Performance-Indikatoren wie Kunden Land/Stadt, Frauen und die durchschnittliche Kreditgrösse in unseren Monatsberichten.
ECOreporter.de: Inwiefern führt der Mittelzufluss westlicher Investoren über Mikrokredite in Regionen mit anderer Kultur zu einer „Kolonisation der Werte“? Werden westliche Wertvorstellungen mittels Kreditvergabe durchgesetzt?
Chevin: Die Refinanzierung von MFIs ermöglicht das Wachstum eines Mikrofinanzsektors und damit den Aufbau von Finanzstrukturen. Dies führt zu einer Professionalisierung der MFIs, was die Kreditvergabe auf Basis von objektiven Risikokriterien festigt. Auch gibt es Methoden der Kreditvergabe, die lokale Gegebenheiten berücksichtigen. Ein Beispiel dafür ist die shariakonforme Kreditvergabe (Islamic Banking).
ECOreporter.de: Inwiefern haben Mikrofinanzinstitute auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Kreditnehmern, insbesondere wenn sie die Rückzahlungen nicht leisten können und abzustürzen drohen?
Chevin: Es ist zentrale Aufgabe der MFI, verantwortungsbewusst mit ihren Kunden umzugehen und solche Fälle zu verhindern. Basis dazu ist ein solider Vergabeprozess, um die Kreditfähigkeit des Kunden zu beurteilen. Bei der Gewährung eines Mikrokredites wird der Zweck des Kredites überprüft und laufend kontrolliert. Daher sind auch die kurzen Rückzahlungsmodalitäten sinnvoll für die MFI und den Kreditnehmer. Dabei kann die Geschäftsaktivität auf die Profitabilität überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Kreditnehmer und Kreditgeber kennen sich gut. In Notsituationen hilft je nach Kreditart die Kreditgruppe (Village Banking oder Solidargruppen-Kredite) oder die MFI ordnet das Kreditverhältnis neu.
Aber es gibt auch Fälle, wo Schulden nicht zurückbezahlt werden können und die Leute fallen wieder zurück in die Armut. Dies zu vermeiden, ist eine der Hauptaufgaben des Managements einer MFI.
ECOreporter.de: Es gibt Berichte über Selbsttötungen von Mikrokreditkunden, die Kredite nicht zurückzahlen konnten. Wie gehen die Mikrofinanzinstitute mit solchen Tragödien um, wie der Fonds?
Chevin: Dies sind tragische Einzelfälle, die sehr bedauerlich sind und unbedingt vermieden werden müssen. Die MFI und die Mikrofinanzinvestoren haben hier eine Verantwortung, die Kreditkapazität des Kreditnehmers vorher sorgfältig zu prüfen und solche Situationen zu vermeiden.
ECOreporter.de: Es wird auch berichtet, dass Mikrofinanzinstitute Schlägertrupps einsetzen, um die Rückzahlung von Krediten einzufordern. Inwiefern kann ihr Fonds solche Praktiken bei den Mikrofinanzinstituten ausschließen, in die er investiert?
Chevin: Auch wenn es zentral ist für den Erfolg einer MFI, säumige Kredite absolut konsequent zurückzufordern, steht ein verantwortungsbewusster und respektvoller Umgang mit Kunden im Mittelpunkt. Dazu gehört auch der Umgang bei der Rückzahlung säumiger Kredite. Der Mikrofinanzsektor ist sich der Wichtigkeit des Umgangs mit Kunden bewusst. Es wurde aus diesem Grund eine Initiative zum verantwortungsbewussten Umgang mit Kunden lanciert (

ECOreporter.de: Wächst nicht die Gefahr schwarzer Schafe unter den Mikrofinanzinstituten, wenn immer mehr Mittel in den Sektor fließen?
Chevin: Aktuell haben erst etwa 10-20 Prozent potentiell interessierter Mikrounternehmer Zugang zu Finanzdienstleistungen. Das Potential wird auf ca. 250 Milliarden Dollar geschätzt – im Moment sind 36 Milliarden Dollar ausstehend.
Zentral ist eine professionelle Kreditanalyse jedes Investments. Dazu gehört unter anderem, die Professionalität des Managements, die Wachstumspläne, Vision und Mission einer MFI.
Gerade vor dem Hintergrund schnell wachsender Mikrofinanzinstitutionen (MFI) und einer größer werdenden Konkurrenz, gewinnt die Verantwortung der MFI gegenüber ihren Kunden an Wichtigkeit. Sie sind aufgefordert, grundlegende Prinzipien, wie z.B. eine transparente und verständliche Kommunikation der Kreditbedingungen und Zinsen, zu respektieren. Sektor spezifische Initiativen sollen den verantwortungsbewussten Umgang mit Mikrofinanzkunden stärken. MFI sind nun gefordert, eigene Prozesse zu entwickeln, um Kundenschutz zu gewährleisten. Diese Aufgaben gehört zu der Verantwortung des MFI-Managements.
Mikrofinanzinvestoren tragen eine Mitverantwortung. Ihre Rolle besteht darin, entsprechende Kriterien in den Anlageprozess zu integrieren. Denn ein strukturierter, professioneller Analyseprozess auf der Basis von definierten Guiding Principles und Ausschlusskriterien gewinnt daher noch mehr an Wichtigkeit.
Um die Wichtigkeit zu unterstreichen, hat responsAbility zusätzlich zu den eigenen Investment Principles auch die Uno Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren (


ECOreporter.de: Bis zu welchem Investitionsvolumen kann noch wirksam kontrolliert werden, was mit dem bereit gestellten Kapital geschieht?
Chevin: Es ist die Pflicht eines Investmentfonds, das von ihm investierte Volumen immer unter Kontrolle zu haben.
ECOreporter.de: Wie kann der Fonds dafür Gewähr leisten, dass er nicht in Konkurrenz zur Entwicklungshilfe und zu karitativen Organisationen gerät?
Chevin: Idealerweise sind Entwicklungszusammenarbeit und private Fonds komplementär. Der ungedeckte Finanzierungsbedarf ist weiter enorm groß. Die Herausforderung besteht also vielmehr darin, dass nicht genügend Mittel vorhanden sind, um die Finanzierungsbedürfnisse zu decken. Deshalb ist die zusätzliche Finanzierung durch den Privatsektor sehr wichtig. Sie ist aber über Investitionen nur in einem beschränkten Feld möglich. Spendengelder und Entwicklungszusammenarbeit sollten deshalb da eingesetzt werden, wo der Privatsektor nicht hinreicht. Wichtig ist eine gute Kooperation und Komplementarität zwischen Entwicklungszusammenarbeit und privater Finanzierung.
ECOreporter.de: Frau Chevin, wir danken Ihnen für das Gespräch.
In der vergangenen Woche hat ECOreporter.de mit Edda Schröder gesprochen. Sie ist Geschäftsführerin von Invest In Visions und Initiatorin des Wallberg Global Microfinance Fund. Auch dieser Fonds vergibt weltweit Darlehen an Mikrofinanzinstitute in Schwellenländern. Per

Bildhinweis: Michèle Chevin / Quelle: responsAbility; eine Mikrofinanzkundin aus Lateinamerika. / Quelle: Oikocredit