Nachhaltige Aktien, Meldungen

Der RepRisk Report zur Glencore International AG: ein besonders umstrittenes, geheimnisvolles Unternehmen strebt nun an die Börse

Das Original ist in englischer Sprache. ECOreporter.de hat es mit freundlicher Erlaubnis der RepRisk AG ins Deutsche übersetzt.


Das für Mitte Mai angekündigte Debüt des schweizerischen Rohstoffhändlers Glencore International AG an den Börsen in London und Hong Kong hat die internationale Rohstoff- und Stahlindustrie hellhörig gemacht. Der Börsengang des als sehr öffentlichkeitsscheu geltenden Unternehmens aus Baar im Kanton Zug wird von zahlreichen Großinvestoren mit Interesse verfolgt. Es gab im Vorfeld Spekulationen über den Zeitpunkt und die Ausgestaltung des öffentlichen Angebots, auch über die langfristigen Auswirkungen auf Glencore International und die gesamte Branche.


Jüngst hat die Financial Times Glencore für seine Investitionen in Bergbau-Projekte in hoch riskanten Regionen wie der Demokratischen Republik Kongo kritisiert. Mit dem Schritt an die Börse könnten auch andere kritische Stimmen lauter werden, weil das Unternehmen nun genauer beobachtet und kritischer geprüft werden wird.


Die Zürcher RepRisk AG führt Glencore International seit 2006 in ihrer Datenbank zu Reputationsrisiken. Verglichen mit dem Gros der Branche hält sich die Menge der Kritik von Verbänden und Vereinen und die negative Presse in Grenzen. Wenig verwunderlich, weil das Unternehmen bislang allzu große Öffentlichkeit mied. Die RepRisk AG hat nun in ihrer Reihe „Spotlight On“ einen Report zu Glencore veröffentlicht.


Die folgende Zusammenfassung dieses Reports repräsentiert weder die Meinung der Autoren noch die der RepRisk AG. Es handelt sich vielmehr um Informationen aus der RepRisk Datenbank, die die öffentliche Kritik von Medien und anderen Organisationen objektiv zusammenträgt und abbildet.


Obwohl Glencore stets versucht hat, jenseits des Rampenlichts zu operieren, wurden der Konzern und seine Unternehmenstöchter immer wieder von Nichtregierungsorganisationen (NGO) für ihre weltweiten Aktivitäten kritisiert. 2008 wurde Glencore mit dem Anti-Preis „Public Eye Award“ für sozial und ökologisch besonders schädliche Unternehmensaktivitäten bedacht. Dieser Schmähpreis wird regelmäßig von den Umweltschutzorganisationen Berner Erklärung und Greenpeace parallel zum Weltwirtschafttreffen in Davos verliehen. Im Zentrum der Preisverleihung stand die Kritik an der extrem umweltschädlichen Mineraliengewinnung, die Glencore unter anderem in Afrika betreibt. Außerdem ging es um das antigewerkschaftliche Engagement einiger Unternehmenstöchter.


Aktuell ist die Glencore International über ihre sambische Tochterfirma Mopani Copper Mines (MCM) in einen Skandal verstrickt. Fünf NGO werfen MCM und der Partnergesellschaft First Quantum Minerals in einer gemeinsamen Beschwerde vor, in einem der ärmsten Länder der Welt Steuern hinterzogen und seine Bilanzen manipuliert zu haben. Konkret ist MCM demnach Rechenschaft darüber schuldig geblieben, warum die Bilanz 2007 einen Anstieg der operativen Kosten um 234 Millionen britische Pfund ausweist. Zugleich soll die erzielte Kobalt-Produktion des Berichtsjahres zu niedrig angegeben worden sein. Außerdem, wird MCM vorgeworfen,  Kupfer zu einem künstlich niedrig gehaltenen Preis an Glencore verkauft haben.

Bildnachweis: Sprengung in einer Rohstoffmine. / Quelle: Fotolia

Zudem soll die Mopai Mine in Sambia sauren Regen verursacht haben, der in einer Region mit 5 Millionen Einwohnern für gesundheitliche Beschwerden gesorgt haben soll. Dies geht auf einen Bericht des Enviornmental Council of Zambia zurück. Die Nichtregierungsorganisation Counter Balance bemängelt fehlenden Arbeitsschutz bei MCM und bezichtigt das Unternehmen gegen Menschenrechte zu verstoßen, weil es Farmer von ihren angestammten Anbaugebieten vertreibe. Desweiteren, so eine Studie der NGO, soll MCM große Mengen an Giftmüll produzieren und die Wasser- und Energieressourcen des westafrikanischen Landes ausbeuten. Weitere Kritik an der Sicherheits- und Gesundheitslage bei MCM wurde im Oktober 2010 nach einem Unfall laut, bei dem zwei Menschen starben.


Für verschiedene Formen der Umweltverschmutzung in Kolumbien wurde das Unternehmen Prodeco, das einer Glencore-Tochter gehört, zu 700.000 US-Dollar Strafe verurteilt. Carbones del Cerrejon, eine weitere kolumbianische Beteiligung einer Glencore-Tochter, wurde von der nationalen Interessenvertretung der kolumbianischen Ureinwohner unter anderem wegen Menschenrechtsverletzungen gegen die Ureinwohner hart kritisiert, wegen Wasserverschmutzung und der Verwendung chemischer Sprengstoffe. Überdies wird Glencore mit einem Luftangriff des kolumbianischen Militärs auf indigenes Schutzgebiet der Volksgemeinschaft Embera Katíoer in Alto Guayabal in der Provinz Antioquia in Verbindung gebracht. Dabei starb im Sommer 2010 ein Mensch, mehrere weitere wurden verwundet. Glencore hat die Genehmigung, das mineralienreiche Gebiet Alto Guayabal nahe der Mine Mande Norte weiter zu erforschen.


Nachdem mehrere Arbeiter des kolumbianischen Glencore-Beteiligungsunternehmens Ferrocarriles del Norte de Colombia S.A. (Fenoco)  zu Tode gekommen waren, hatte Fenoco versucht anschließende Streiks und Demonstrationen gegen die Arbeitsbedingungen des Unternehmens für illegal erklären zu lassen. Fenoco  war damit vor dem Obergericht für Arbeitsbelange in Santa Marta allerdings gescheitert. Ein anderes Urteil erging gegen Fenoco, weil die Firma kolumbianische Behörden korrumpiert hatte, um gewerkschaftliche Bestrebungen der Belegschaft zu zerschlagen.


Die Glencore-Tochter Katanga Mining geriet ins Fadenkreuz verschiedener NGOs, weil sie billige Bergbaukonzessionen von der Demokratischen Republik Kongo erworben hat - ein Land, in dem Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen sowie massive Umweltverschmutzung im Bergbau als weit verbreitet gelten. Das brachte Glencore Untersuchungen wegen des Imports von Rohstoffen aus Krisenregionen ein. 2009 wurde bekannt, dass Glencore über ein Investmentnetz auch mit der kongolesischen Kupfer- und Zink Mine-Kipushi in Verbindung steht. Deren Beschäftigte sollen unter schlechten Bedingungen in baufälligen Schächten gearbeitet haben.


Kritische Berichte zu ökologisch wie sozial bedenklichen Aktivitäten von Unternehmen der Glencore-Gruppe kommen auch aus Bolivien. Sinchi Wayara, eine bolivianische Tochter der Glencore International AG, sah sich 2008 der Kritik ausgesetzt, weil das Minenunternehmen 30 Kubikmeter Abfälle in einen Fluss geleitet haben soll. Außerdem soll das Unternehmen Mitarbeiter und Kritiker eingeschüchtert haben, um das Streben der Minenarbeiter nach Mitbestimmung klein zu halten. Bei Arbeiterprotesten in der Huanuni Mine waren 2006 und 2008 Minenarbeiter umgekommen. 2007 wurde der Abbaukomplex Vinto Tin Smelter der Sinchi Wayara wegen Korruption mit Hilfe des bolivianischen Militärs verstaatlicht.


Von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO) wurde Glencore kritisiert, weil es sich zusammen mit einem Partnerunternehmen 2009 im großen Stil landwirtschaftliche Nutzungsrechte für Farmland in Paraguay, der Ukraine, Kasachstan und Sierra Leone sicherte. Der Vorwurf: Den einheimischen Landwirten werde mit der Investition ein Teil der Lebensgrundlage entzogen. Es bestehe die Gefahr von Einschnitten in die Nahrungsmittelproduktion der jeweiligen Länder. Zudem könne durch die einseitige Kultivierung der Areale die Artenvielfalt bedroht und die landwirtschaftlichen Ressource einseitig überstrapaziert werden.

Australische Ureinwohner waren 2008 gegen ein Unternehmen der Glencore-Gruppe vor Gericht gezogen, weil das Unternehmen ihnen den Zugang zu wichtigen religiösen Stätten verwehrt hatte. US-Behörden leiteten einige Jahre zuvor schon eine Untersuchung gegen Glencore ein, weil der Rohstoffhändler Provisionen an Mitarbeiter von Aluminum Bahrain gezahlt haben soll, um deren Aluminium-Produkte unter Marktpreis bekommen zu können.
Die im RepRisk-Index (RRI) berücksichtigte Kritik  an Glencore datiert zurück bis 2006. Im RRI lag Glencore Ende April 2011 bei 38 Punkten, 11 Punkte unter seinem bisherigen Höchststand im Juni 2010 (41 Punkte).

Methodik

Die Serie „Spotlight On“ basiert auf Informationen der RepRisk-Datenbank. Diese setzt sich aus Negativmeldungen von Medien und Nichtregierungsorganisationen zu Unternehmen zusammen. Im Fokus stehen ökologische, soziale und ethische Aspekte. Die Datenbank führt Informationen zu mehr als 17.500 Unternehmen aus tausenden von Quellen, unter anderem Tageszeitungen, Online-Medien, Blogs, Newsletter-Publikationen und Webseiten von Nichtregierungsorganisationen. Die erfassten Informationen werden nach Datum, Relevanz und Härtegrad kategorisiert und von Risikoanalysten für die Onlinesuche aufbereitet. Keine Information wird doppelt in die Datenbank aufgenommen, es sei denn, sie wurde einer einflussreicheren Quelle zugeordnet, enthält zusätzliche weiterführende Informationen, oder sie tauchte im Abstand von 6 Wochen nicht im Datenbestand auf. Dies soll die Objektivität der Gewichtung und Analyse der Informationen gewährleisten. Der RepRisk Index (RRI) misst die Reputationsrisiken eines Unternehmens, nicht den gegenwärtigen Ruf eines Unternehmens im Allgemeinen.


RepRisk erfasst objektiv den Grad der Kritik, welcher ein Unternehmen ausgesetzt ist. Die Datenerhebung und –analyse richtet sich nach strikten Regeln; es handelt sich weder um ein Rating noch eine Klassifizierung oder eine Beurteilung der RepRisk-Analysten.



Ab Anfang Juni 2011 werden ausführliche und tagesaktuelle "RepRisk Company Reports" zu kotierten und nicht-kotierten Firmen im RepRisk-Webshop über www.reprisk.com erhältlich sein. Weitere Informationen zu RepRisk und der „Spotlight On“-Reihe sind auch bei Karen Reiner unter Telefon 0041433005443 oder via Email unter reiner@reprisk erhältlich.
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