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Finanzdienstleister, Fonds / ETF
„Der Markt für nachhaltige Geldanlagen wird auf jeden Fall weiter wachsen.“ – ECOreporter.de-Interview mit Ingo Scheulen, ökofinanz-21
ECOreporter.de: Wie wirkt sich die Finanzkrise auf das Kundenverhalten aus? Sind Kunden zurückhaltender bei Ihren Anlagen geworden, wählerischer, setzen Sie nun auf andere Produkte als früher?
Ingo Scheulen: Grundsätzlich sind viele Kunden in eine Art Schockstarre verfallen. Zuvor hat man den Jongleuren an den Finanzmärkten misstraut, inzwischen hat sich das generell auf den Geldmarkt ausgewirkt. Das erklärt, weshalb unglaublich viel Geld auf Sparbüchern und Festgeldkonten geparkt ist.
ECOreporter.de: Werden „grüne Finanzprodukte“ nun stärker nachgefragt oder eher weniger?
Scheulen: Nachdem die Schockstarre sich in den vergangenen Monaten zu lösen beginnt, interessieren sich immer mehr Menschen für nachhaltige Geldanlagen. Die Angebote müssen allerdings transparent und glaubwürdig sein. Wer meint, mit einem grünen Etikett, flotten Sprüchen und schönen Bildern punkten zu können, wird eher früher als später merken, dass so etwas nicht ankommt.
ECOreporter.de: Wie ist das Verhältnis von Kundenwünschen nach geschlossenen Beteiligungen und Aktien, Dach- oder Mischfonds?
Scheulen: Der Wunsch nach mehr Sicherheit hat ganz klar Priorität bekommen. Risiken sollen so weit wie möglich vermieden werden. Daher verspüren wir eine Aversion gegen reine Aktienfonds, denn Nachhaltigkeitsfonds - insbesondere Themenfonds im Bereich Neue Energien - mussten in der Krise zum Teil überdurchschnittliche Kursverluste hinnehmen.
ECOreporter.de: Welche Art von Nachhaltigkeitsfonds und welche Assetklassen sind besonders beliebt? Gibt es Trends?
Scheulen: Defensiv ausgerichtete Mischfonds und Dachfonds mit einem vermögensverwaltenden Ansatz überzeugen heute mehr als vor 2008. Allerdings ist das Angebot im „grünen“ Bereich noch recht überschaubar. Zudem können aufgrund ihrer kurzen Geschichte bisher nur wenige nachweisen, dass sie eine bessere Alternative darstellen. Wir beobachten, dass Direktbeteiligungen für viele Anleger erstmals als mögliche Alternative gesehen werden. Sie haben keine unmittelbare Korrelation zum Börsengeschehen. Bei so genannten Blindpools sind aber die meisten skeptisch. Zu Recht, wie ich meine, vor allem wenn es sich um Emissionshäuser handelt, die sich bislang eher mit Medienfonds, Schiffs- oder Flugzeugfonds beschäftigt haben.
ECOreporter.de: Wie werden sich die als Schäuble-Gesetzentwurf bekannt gewordenen Anlegerschutzmaßnahmen beim aktuellen Sachstand auf den Vertrieb von geschlossenen Neue-Energiefonds auswirken?
Scheulen: Gegen besseren Anlegerschutz hat niemand etwas. Der massive Protest gegen eine Überregulierung hat fürs Erste etwas Luft verschafft. Dennoch ist unverkennbar, dass man von interessierter Seite die unabhängige Finanzberatung und -vermittlung vom Markt haben möchte. Das bedeutet gerade für kleinere Solar- oder Immobilienbeteiligungen, dass sie keinen freien Zugang zum Markt haben. Auf der anderen Seite nützt es den Anlegern nicht, wenn sie am Ende auf die vorgefilterten Angebote von Banken und großen Vertriebsorganisationen angewiesen sind. Es wird immer von der „freien Marktwirtschaft“ als bester Wirtschaftsform gesprochen. Dann sollten - mit klaren Regeln versteht sich - auch alle einen freien Zugang zum Markt haben, Anbieter und Verbraucher!
ECOreporter.de: Warum haben Sie sich dazu entschlossen, nachhaltige Geldanlagen zu vertreiben?
Scheulen: Rendite und Wachstum um jeden Preis kann kein gesundes Ziel sein. Wohin uns die Jagd nach Extraprofit und Schnäppchen geführt hat, können wir eigentlich alle sehen. Vor 15 Jahren habe ich mich entschlossen, meine eigene Lebenseinstellung mit der Tätigkeit als Finanzberater mehr und mehr in Einklang zu bringen. Deshalb frage ich: Welchen Sinn hat eine Finanzanlage? Wem vertraue ich das Geld anderer Leute an? Wird damit etwas getan, das unserer Gesellschaft heute und in Zukunft nützt oder schadet? Wenn eine Bank, eine Lebensversicherung oder eine Kapitalanlagegesellschaft darauf keine klare Antwort gibt, kann ich deren Produkte nicht guten Gewissens empfehlen. Inzwischen mache ich da keine Kompromisse mehr.
ECOreporter.de: Ist im Bewusstsein ihrer Kunden mittlerweile angekommen, was Nachhaltigkeit im Bezug auf den Finanzmarkt konkret bedeutet? Wie viel Vorwissen bringen Kunden mit?
Scheulen: Klares Nein zu Ihrer ersten Frage. Gerade erst hat eine wissenschaftliche Untersuchung den Deutschen erneut bescheinigt, dass sie eigentlich keine Ahnung über Geld und Finanzwesen haben. Die meisten unserer Kunden geben dies beim Erstgespräch auch offen zu. Darüber hinaus begegnet einem viel Halbwissen.
Was die Nachhaltigen Geldanlagen angeht, so wissen die wenigsten Kunden etwas darüber und sind daher erst einmal zurückhaltend. Was einem fremd ist, dem traut man nicht gleich. Außerdem hat die Verwendung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ inflationär zugenommen, was nicht gerade zur Klärung hilft. Ich versuche mit den Menschen in Ruhe darüber sprechen, welche Werte sie mit „Nachhaltigkeit“ verbinden und wie sie dies umsetzen können mit einer verantwortlichen Geldanlage.
ECOreporter.de: Nach welchen Kriterien wählen Sie persönlich ihr Angebot aus? Inwiefern spielt der jeweilige Fondsemittent dabei eine Rolle?
Scheulen: Es geht um Kriterien der sozialen und ökologischen Verantwortung für Mensch und Natur. Und da bekanntlich „gut gemeint“ noch lange nicht „gut gemacht“ bedeutet, schauen wir uns auch die finanziellen Eckdaten an. Die Erfahrung und ausgewiesene Kompetenz des jeweiligen Emittenten ist natürlich ein weiteres Bewertungskriterium.
ECOreporter.de: Wie definieren sie Nachhaltigkeit für ihr Angebot? Setzen sie eher auf „hellgrüne“ oder „dunkelgrüne“ Fonds? Bitte begründen Sie ihre Strategie kurz?
Scheulen: Im internationalen Diskurs ordnen wir Nachhaltigkeit drei Feldern zu: Umwelt, Soziales und Unternehmensverantwortung. Wir schauen uns bei den Anlageprodukten nicht nur die Verpackung, sondern auch den Inhalt an. Dann reduziert sich die Zahl von fast 300 in Deutschland zugelassenen Investmentfonds im ersten Durchgang auf rund 50. Dann steigen wir in die Details ein. Wenn unsere Kunden gezielte Ansprüche formulieren, wie z.B. grundsätzlich keine Pharma-Firmen oder kein Engagement in fossile Energieträger, dann bleiben am Ende oft nur ein bis zwei Dutzende Fonds übrig, die diese Anforderungen erfüllen. Am Ende entscheiden jedenfalls nicht wir, sondern unsere Kunde, wie „grün“ es sein soll, d.h. wieviel Kompromiss tolerabel ist. Ich mache nur Vorschläge.
Wir versuchen so weit wie möglich nur solche Fonds zu empfehlen, die zur Zukunftsfähigkeit des Lebens auf unserem Planeten beitragen und nicht schaden. Bei geschlossenen Fonds haben wir das Prinzip, nur noch solche Anbieter zu empfehlen, von denen wir mindestens eine verantwortliche Person der Führungsebene persönlich kennen gelernt haben.
ECOreporter.de: Wie wird sich der Markt für nachhaltige Geldanlagen speziell im Bezug auf die Engagements der Vermittler entwickeln? Gibt es absehbare Trends?
Scheulen: Der Markt wird auf jeden Fall weiter wachsen. Heute glauben die meisten Finanzakteure noch, sich nicht mit Themen der nachhaltigen Entwicklung offensiv befassen zu müssen. Da ist aber ein Prozess im Gang. Schon heute hören und lesen wir vom grünen „Mega-Trend“. Früher oder später kommt niemand an den wirklichen Zukunftsfragen vorbei: Energie- und Rohstoffversorgung, Klimaschutz, Natur- und Umweltschutz, sozialer Frieden und Generationengerechtigkeit, um nur einige zu nennen.
ECOreporter.de: Stand heute: Welche drei nachhaltigen Assetklassen sehen Sie warum als besonders aussichtsreich an?
Scheulen: In Zukunft werden vermögensverwaltende Fonds und Multi-Asset-Fonds stärker nachgefragt werden. Wir werden auch in Zukunft große Erschütterungen durch Finanz- und Wirtschaftskrisen erleben. Deshalb werden im Finanzwesen flexible, aber auch transparente und regulierte Lösungen gebraucht, um mögliche Verlust zu minimieren. Geschlossene Fonds werden vermutlich gute Aussichten haben, wenn Sie keine reinen Blindpools sind.
ECOreporter.de: Welche fünf Basistipps würden Sie einem Privatanleger geben, der sich erstmals entschlossen hat Geld in nachhaltig zu investieren?
Scheulen: Anleger sollten sich folgende fünf Fragen beantworten:
1. Welche Ziele möchte ich mit meinem Geld erreichen?
2. Wie wichtig sind mir ethisch-ökologische Werte bei der Anlage?
3. Welche möglichen Risiken bin ich bereit einzugehen?
4. Habe ich das gewählte Anlageprodukt (zumindest in Grundzügen) verstanden?
5.Vertrauen ich meinem Berater / meiner Beraterin?
ECOreporter.de: Herr Scheulen, vielen Dank für das Gespräch.