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Der Ölkonzern Neste und sein Bio-Treibstoff: Echte Transformation oder Greenwashing?
Der finnische Mineralölkonzern Neste produziert Treibstoffe wie Diesel oder Kerosin und Rohstoffe für die Kunststoffindustrie. Die Zukunft des Konzerns sollen jedoch Bio-Kraft- und -Kunststoffe sein, hergestellt etwa aus altem Speiseöl und Fetten. Doch Umweltvereine werfen dem Konzern Heuchelei vor. ECOreporter hat genauer hingesehen.
Nach eigenen Aussagen ist es Nestes Ziel, zum weltweit führenden Anbieter von erneuerbaren Treibstoffen und Chemikalien zur Kunststoffherstellung (Polymeren) zu werden, aufgeteilt in die drei Geschäftsbereiche Erneuerbare Luftfahrt, Erneuerbare Polymere & Chemie und Erneuerbarer Frachttransport. Neben herkömmlichen Raffinerien besitzt das Unternehmen Anlagen, die auf der unternehmenseigenen NEXBTL-Technologie („Next Generation Biomass-to-Liquid“) basieren. Die Standorte befinden sich im finnischen Porvoo, in Singapur und in Rotterdam, wo noch eine weitere Anlage entstehen soll.
Aktuell produziert Neste 3,2 Millionen Tonnen erneuerbare Produkte pro Jahr, bis 2023 soll diese Menge vor allem durch Kapazitätserweiterungen in Singapur auf 4,5 Millionen Tonnen steigen. Davon sollen 1,5 Millionen Tonnen nachhaltiger Flugtreibstoff (SAF) sein - hier ist Neste nach eigenen Angaben schon heute Weltmarktführer.
Wie grün ist Neste?
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Die Menge an herkömmlichem, von Neste raffiniertem Erdöl betrug 2021 10,5 Millionen Tonnen. Allerdings soll auch in diesem Geschäftsbereich die Umweltbilanz verbessert werden. Neste will etwa seine Ölraffinerie im finnischen Porvoo bis 2030 zur nachhaltigsten der Welt machen. Dazu sollen die CO2-Emissionen bis zu diesem Datum um mindestens 50 Prozent gegenüber 2020 gesenkt werden. Bis 2035 ist eine komplett klimaneutrale Produktion vorgesehen. Bis 2030 sollen zudem 10 Prozent des aktuell verwendeten Erdöls durch Abfallstoffe ersetzt werden. Grundsätzlich will Neste sich bis 2050 Stück für Stück vom fossilen Geschäft verabschieden. So wurde 2021 etwa die Ölraffinerie im finnischen Naantali geschlossen und in ein Verteilerterminal umgewandelt.
In die Schlagzeilen geriet Neste zuletzt durch eine geplante Kooperation mit der britischen Band Coldplay. Diese will mit Hilfe von Nestes Kerosin und Diesel die CO₂-Emissionen ihrer bevorstehenden Welttournee im Vergleich zum Einsatz herkömmlicher Kraftstoffe halbieren. Von Umweltschützern wurde in diesem Zusammenhang Kritik an Neste laut – insbesondere an der Nutzung von Palmöl zur Herstellung der Biokraftstoffe.
Streitpunkt Palmöl
So nannte die Plattform „Transport and Environment“, eine Non-Profit-Organisation, die sich für umweltfreundlicheren Verkehr in der EU einsetzt, Neste in diesem Zusammenhang ein „Ölraffinerieunternehmen mit dokumentierten Verbindungen zu Regenwaldabholzung und dubiosen Biokraftstoffen“. In einem offenen Brief forderten die Autoren Coldplay auf, die Kooperation mit Neste zu kündigen, da das Unternehmen das Image der Band für Greenwashing missbrauche. Medien weltweit berichteten über die Kooperation und die Vorwürfe, darunter auch der „Spiegel“.
Stein des Anstoßes ist besonders die Verwendung von herkömmlichem Palmöl zur Herstellung von Kraftstoffen. So haben laut einer Studie der Umweltschutzallianz Friends of the Earth Palmöllieferanten von Neste zwischen 2019 und 2020 mindestens 10.000 Hektar Wald in Ländern wie Indonesien und Malaysia gerodet, wie der „Spiegel“ schreibt.
Diesen Vorwürfen widerspricht das Unternehmen in einer Stellungnahme vom 12. Mai 2022. In dem Text heißt es: "Auf die Behauptung, dass die Palmöllieferanten von Neste zwischen 2019 und 2020 an erheblicher Entwaldung beteiligt waren, haben wir bereits öffentlich reagiert, als sie erstmals im Jahr 2020 präsentiert wurden. Wir haben eine Folgeerklärung abgegeben, nachdem unsere Untersuchungen festgestellt hatten, dass es keine Beweise über schwerwiegende Verstöße gegen die Nachhaltigkeit in der Rohstofflieferkette von Neste gibt." So steht letztlich Aussage gegen Aussage.
Fest steht, dass Neste keineswegs versucht, die Verwendung von Palmöl zu verschweigen. Im letzten Geschäftsbericht wird diese offen genannt – genauso wie die Absicht, den Bezug von Palmöl bis 2023 vollständig einstellen zu wollen. Im vergangenen Jahr wurden bereits 92 Prozent des Kraftstoffs aus Abfällen wie benutztem Speiseöl hergestellt. Für die Produktion der für die Coldplay-Tour bestimmten Kontingente soll zudem bereits kein Palmöl verwendet worden sein. Auch könne man die Lieferkette für 100 Prozent des Öls vollständig zurückverfolgen und lege diese auf Anfrage offen.
Neste verfolgt auch weitere Nachhaltigkeitsziele. So will das Unternehmen ab 2023 seinen Energiebedarf weltweit vollständig mit Erneuerbaren Energien decken. Bis 2035 soll die Klimaneutralität bei eigenen Geschäftsaktivitäten (Scope 1 & 2) erreicht sein. Und die, gerade für ein Öl-Unternehmen, besonders schwierig zu senkenden Scope 3-Emissionen, die etwa in der Lieferkette und durch Nutzung von Produkten beim Kunden entstehen, sollen bis 2040 um 50 Prozent im Vergleich zu 2020 sinken.
Neste legt seine Ziele gegenüber dem Carbon Disclosure Project (CDP) offen, einer im Jahr 2000 in London gegründeten Non-Profit-Organisation mit dem Ziel, dass Unternehmen und auch Kommunen ihre Umweltdaten veröffentlichen. Das CDP bewertete Nestes Klimaziele 2021 mit der zweithöchsten Note A-.
Gute Geschäftsentwicklung
Neste ist sicher kein grünes Unternehmen, noch stammt der Großteil des Umsatzes aus herkömmlichen Erdölgeschäften. Allerdings scheinen die Vorwürfe des Greenwashings überzogen zu sein. Die Ambitionen des Konzerns, künftig zunehmend auf Kraftstoffe zu setzen, die aus Abfällen statt aus Erdöl stammen, wirken glaubhaft, Neste nennt Zeitpläne und Kennzahlen. Die Verwendung von Palmöl als Rohstoff kann mit Recht kritisch betrachtet werden – allerdings kommuniziert das Unternehmen in dieser Frage offen und nennt einen kurzfristigen Ausstiegsplan.
Aus Sicht von ECOreporter kann Neste durchaus als Transformationsunternehmen betrachtet werden. Sicher wird es noch dauern, bis Erdöl vollständig abgelöst werden kann. Neste stellt sich dieser Herausforderung, indem der Konzern Lösungen erarbeitet und gleichzeitig die Nachhaltigkeitsbilanz des fossilen Geschäfts verbessert. Reicht das, um als wirklich nachhaltiges Investment-Thema zu gelten? Das müssen Anlegerinnen und Anleger letztlich selbst entscheiden.
Die Geschäfte des Konzerns liefen im letzten Jahr gut. Seinen Umsatz steigerte Neste im Jahresvergleich um 29 Prozent auf 15,1 Milliarden Euro. Unter dem Strich verdiente das Unternehmen mit 1,8 Milliarden Euro mehr als doppelt so viel wie 2020. Beide Werte lagen damit fast wieder auf dem Vorkrisenniveau von 2019.
Die Dividende hob Neste von 0,80 auf 0,82 Euro je Aktie am. Gemessen am Jahresschlusskurs von 40,88 Euro entspricht das einer Dividendenrendite für 2021 von 2,0 Prozent. Neste strebt an, jedes Jahr mindestens 50 Prozent des vergleichbaren Gewinns als Dividende auszuschütten.
Am Donnerstag dieser Woche schloss die Neste-Aktie bei einem Kurs von 40,99 Euro und einem Tagesplus von 2,1 Prozent (Stand: 19.5.2022, 22:26 Uhr). Zuletzt verlor die Aktie an Wert, auf Monatssicht ist sie 6,8 Prozent im Minus. Auch im Jahresvergleich hat der Kurs Federn lassen müssen und 20,5 Prozent an Wert verloren. Langfristig ist die Aktie gut gelaufen, auf Sicht von fünf Jahren liegt sie 230 Prozent im Plus.
Mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2022 von 22 ist die Aktie noch moderat bewertet. Da der Kurs traditionell stark schwankt, bleibt sie aber ein Investment für risikofreudige Anlegerinnen und Anleger.
Neste Corporation: ISIN FI0009013296 / WKN A0D9U6