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„Das Volumen nachhaltiger Anlageprodukte in Schwellenländer hat sich vervielfacht.“ - ECOreporter.de-Interview mit INrate-Geschäftsführer Michael Diaz




ECOreporter.de: Was verstehen Sie unter Emerging Markets?

Michael Diaz: Der Begriff „Emerging Markets“, oder „aufstrebende Länder“, bezeichnet keine homogene Ländergruppe, sondern ganz unterschiedliche Länder, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien befinden. Als Dienstleister für Investoren orientieren wir uns an der in der Finanzwelt gängigen Festlegung. Zu den aufstrebenden Ländern zählen beispielsweise China, Indien, Russland, die ehemaligen Ostblockstaaten in Europa, Brasilien oder Chile.

ECOreporter.de: Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit in diesen Märkten? Inwiefern sehen Sie dort unterschiedliche Entwicklungen?

Diaz: Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung ist in diesen Märkten besonders wichtig, da soziale und ökologische Standards niedriger sind als in den entwickelten Märkten. Gerade in diesen Ländern, in denen das Wachstum überdurchschnittlich hoch sind, verschärfen sich die Umwelt- und sozialen Probleme: Übernutzung der natürlichen Ressourcen, Wasser- und Luftverschmutzung, soziale Unrast – um nur die augenfälligsten zu nennen. Ideal wäre jedoch ein sozial- und umweltverträgliches Wirtschaftswachstum, was die Wichtigkeit einer nachhaltigen Entwicklung einmal mehr beweist.
Viele Regierungen der Emerging Markets sind sich dieser Problematik durchaus bewusst und stellen Budgets für konkrete Maßnahmen bereit. So sieht China rund ein Drittel seines 568 Milliarden US-Dollar schweren Konjunkturförderungsprogramm unter anderem für den Ausbau des Eisenbahnnetzes, Wasseraufbereitungsanlagen und Abfallentsorgungssysteme vor. Außerdem will China den Anteil der erneuerbaren Energie auf 10% bis 2010 und auf 15% bis 2020 steigern. Südkorea wird ganze 65% seines Konjunkturförderungsprogramms für „grüne“ Zwecke verwenden: Flusssanierungen, Wassermanagement, Energieeffizienz, sauberer Transport, Weiterentwicklung erneuerbarer Energien. Von derzeit 2% soll deren Anteil bis bis 2050 auf mehr als 20% steigen.
Was die Unternehmen in den diesen Ländern betrifft, so treten immer mehr von ihnen auf dem Weltmarkt in Erscheinung – was dazu führt, dass sie sich auch in Sachen Nachhaltigkeit an globalen Regeln orientieren. Dies zeigt sich unter anderem an der stetigen Zunahme der Anzahl Nachhaltigkeitsberichte.

ECOreporter.de: Wo sehen Sie bei den verschiedenen Emerging Markets Unterschiede bei den sozialen und den ökologischen Standards?

Diaz: Betrachtet man den Durchschnitt der Gesamtbewertung – das heißt sowohl soziale als auch ökologische Kritieren – können Investoren an den Börsenmärkten der osteuropäischen Staaten wie Ungarn oder die Tschechische Republik sowie Südafrika, Indien und Brasilien mit vergleichsweise hohen Nachhaltigkeitsstandards rechnen.
Südafrika hebt sich grundsätzlich von den anderen Regionen ab: überdurchschnittliche Berichterstattung, Corporate Governance und Umweltpraktiken, was der historischen Verbindung mit der angelsächsischen Unternehmenskultur zu verdanken ist und der Tatsache, dass sich die dort ansässigen Unternehmen früh dem Thema Nachhaltigkeit angenommen haben. Beim 2004 lancierten Nachhaltigkeitsindex der Johannesburger Börse 2004 handelt es sich um den ersten SRI-Index in den Emerging Markets.
Asiatische Unternehmen schneiden bei den Themen Corporate Governance und der Unabhängigkeit von Führungsgremien schlechter ab, weil es sich oft um Unternehmen im Staats- oder Familienbesitz handelt. Andererseits erzielen sie beim Thema gesellschaftliches Engagement überdurchschnittliche Bewertungen, da Philanthropie ein wichtiger Teil der asiatischen Kultur ist.

ECOreporter.de: Wieso kann es sich für Unternehmen aus diesen Ländern lohnen, sich um mehr Nachhaltigkeit zu bemühen?

Diaz: Es gibt Nachhaltigkeitsstandards, die globale Gültigkeit beanspruchen. Unternehmen, die sich um Nachhaltigkeit bemühen, steigern damit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen aus Schwellenländern treten vermehrt auf dem Weltmarkt in Erscheinung und beginnen deshalb, sich an diesen Standards zu orientieren. Außerdem können sie dank einer überdurchschnittlichen Nachhaltigkeitsbewertung zusätzliche Investoren ansprechen.
Man kann davon ausgehen, dass sich auch in den aufstrebenden Ländern die Gesetzgebung und die Politik in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln wird, beispielsweise mit dem Aufbau einer CO2-ärmeren Infrastruktur und Vorschriften bezüglich Emissionen. Unternehmen, die diesen Trend bereits vorwegnehmen und entsprechende Standards implementieren, werden dann von ihrem Wettbewerbsvorteil profitieren können.

ECOreporter.de: Inwiefern unterscheiden sich die Herausforderungen für um Nachhaltigkeit bemühte Unternehmen dort von denen aus westlichen Ländern?

Diaz: Die Nachhaltigkeitsstandards für Unternehmen in den westlichen Ländern sind in den vergangenen 20 Jahren zunehmend strenger geworden, was nicht zuletzt den Forderungen nachhaltiger Anleger zu verdanken ist. In den aufstrebenden Märkten steckt diese Entwicklung noch in den Anfängen: Gesetze beispielsweise zu Arbeitsbedingungen und Umweltschutz sind unvollständiger und lassen darum den Unternehmen größeren Spielraum.

ECOreporter.de: Inwiefern gibt es ein Interesse von Investoren, in nachhaltige Unternehmen aus diesen Ländern zu investieren? Werden derzeit bestimmte Märkte bevorzugt?

Diaz: Das Interesse hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Das Volumen nachhaltiger Anlageprodukte in Emerging Markets hat sich zwischen 2003 und 2008 versechsfacht. In Südafrika, Brasilien, Indien und neu auch Südkorea gibt es bereits Nachhaltigkeitsindizes. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Investoren nachhaltige Anlagen in diesen Ländern bevorzugen.

ECOreporter.de: Was spricht dafür, sich als nachhaltig ausgerichtete Investoren in den Emerging Markets zu engagieren? Für welche Investoren kommt dies vor allem in Frage?

Diaz: Engagements in diesen Ländern kommen vor allem für Investoren infrage, die bereits über Anlagen in diesen Regionen verfügen und diese neu nachhaltig ausrichten wollen. Unserer Meinung nach sollten die Anlagen in diesen Märkten nicht nur nachhaltig, sondern auch langfristig erfolgen. Dies aus dem einfachen Grund, dass stark schwankende Finanzströme Währungskrisen auslösen können, die der nachhaltigen Entwicklung hinderlich sind. Daher ist aus Sicht der Nachhaltigkeit ein stetiges und dauerhaftes Engagement positiv.

Morgen veröffentlichen wir den zweiten Teil unseres Gesprächs mit INrate-Geschäftsführer Michael Diaz über nachhaltige Investments in Emerging Markets. Dabei stehen Fragen über die konkreten Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen aus diesen Ländern im Mittelpunkt.

Bildhinweis: Im Schwellenland China boomt die Windkraftbranche. / Quelle: Nordex AG
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