Erneuerbare Energie

„Das Tempo in Korea ist atemberaubend!“ - ECO-Interview mit Jörg Walberer, Geschäftsführer von SolarWorld Korea

Südkorea gilt vielen Experten als ein viel versprechender Solarmarkt. Das fernöstliche Land, Nummer eins in der Schiffs-, Halbleiter- und Mobiltelefon-Branche, will die Abhängigkeit von Energieimporten senken und verstärkt auf Erneuerbare Energien setzen. Dafür hat die Regierung in Seoul ein Förderprogramm für Erneuerbare Energien aufgelegt. Ähnlich wie in Deutschland unterstützt es den Ausbau von Photovoltaikanlagen über günstige Kredite und Einspeisetarife. Schon heute weist das Land einen wachstumsträchtigen Solarmarkt auf. Die Erzeugung von Solarstrom wird bisher mit 40 Euro-Cent pro Kilowattstunde für 15 Jahre vergütet. Ab 2010 soll die Laufzeit auf 20 Jahre mit einem Vergütungssatz von 33 Euro-Cent pro Kilowattstunde verlängert werden (Weiteres erfahren Sie unter anderem im ECOreporter.de-Bericht vom 31. Juli).


Die Bonner SolarWorld AG setzt auf den südkoreanischen Solarmarkt und baut in dem Land derzeit eine Modulproduktion auf. ECOreporter.de sprach mit Jörg Walberer, CEO von SolarWorld Korea, über die Marktentwicklung in dem ostasiatischen Land:

ECOreporter.de: Branchenstudien sehen den koreanischen Solarmarkt in wenigen Jahren auf den vorderen Rängen der Top10 weltweit. Wie entwickelt sich der Solarmarkt derzeit?
Jörg Walberer: Der südkoreanische Markt hat in diesem Jahr einen ungeheueren Sprung gemacht: Gestartet ist er mit 35 MWp Gesamtleistung Ende 2007 und landen wird er in diesem Jahr bei rund 300 Megawatt peak (MWp). Ein Grund dafür ist, dass die Regierung den Deckel von maximal 100 MWp auf 500 MWp angehoben hat. Die Regierung hat die Förderung für große Anlagen (über 3 MWp) inzwischen zwar wieder etwas zurückgenommen: Für neue Solarkraftwerke wird seit Oktober weniger als der bisherige Einspeise-Tarif von 677 Won (ca. 70 US$-Cent) je kWh gezahlt. Dennoch bleibt das Geschäft auch für große Projekte einträglich.

ECOreporter.de: Wie hoch sind die Abschläge für Solarstrom aus großen PV-Kraftwerken?
Walberer: Die Vergütung reduziert sich um 30 Prozent. Kleinere Modulproduzenten haben es dadurch sicher etwas schwerer, große Anlagen zu realisieren, da sie nicht von den gegenwärtig möglichen Skaleneffekten profitieren. Dennoch rechnen sich die meisten südkoreanischen Projekte auch bei Einsatz etwas teurerer Module.

ECOreporter.de: Wo sehen Sie den koreanischen Markt 2020?
Walberer: Ein entscheidendes Datum ist vermutlich 2012: Die Regierung steht jedenfalls seit längerem zu der Aussage, ab dem Jahr den klassischen Feed-In-Tariff abzuschaffen. Stattdessen will sie Renewable Portfolio Standards einführen, die den Versorgern auferlegen, mindestens 5% ihres Stroms aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen.

ECOreporter.de: Droht das nicht eher die Entwicklung zu dämpfen?
Walberer: Nein, das glaube ich nicht. Wenn man die derzeitigen Verhältnisse hochrechnet, kommt man bei dem Pflichtanteil auf ein Marktpotenzial von insgesamt fünf bis acht GWp installierter Leistung für die Photovoltaik (PV). In Süd-Korea wird die PV einen vergleichsweise hohen Beitrag zum Erneuerbaren-Portfolio leisten. Die Wasserkraft ist ausgereizt, geeignete Standorte für Windenergie sind limitiert. Zudem spielt die Solarenergie in der Technologiepolitik der Koreaner eine große Rolle. Die Regierung hat das Ziel ausgegeben, im Solarbereich weltweit mindestens die Nummer zwei oder drei werden zu wollen. Das entspricht dem natürlichen Potenzial: Die Erträge gleichen in Südkorea ungefähr denen in Spanien oder Portugal. Seoul liegt auf dem gleichen Breitengrad wie Faro. Im Schnitt gibt es hier 1.600 Sonnenstunden im Jahr.

ECOreporter.de: Wer baut in Südkorea Solarstromanlagen? Die großen Energieversorger?
Walberer: Bis jetzt nicht. Gegenwärtig entstehen in der Regel Anlagen zwischen 15 und 25 MWp Leistung, die von kleinen bis mittelgroßen Unternehmen geplant und realisiert werden. Die nächsten Schritte werden Großprojekte zwischen 50 und 100 MWp sein. Bislang kommen die koreanischen Steuerzahler für die Einspeisevergütung auf. Wenn der Renewable Portfolio Standard eingeführt ist, werden die Verbraucher für die Erneuerbaren zur Kasse gebeten: Spätestens dann werden sich die Energieversorger einmischen und Solarparks bauen oder kaufen.

ECOreporter.de: Die Branche blickt staunend auf immer neue Ankündigungen für den Ausbau von Produktionskapazitäten in Korea. Steht dem im Inland genügend Nachfrage gegenüber?
Walberer: SolarWorld hat ein Joint Venture (JV) in Korea gegründet, weil es von einer auch mittel- bis langfristig positiven Nachfrageentwicklung überzeugt ist. Wir haben eine Fertigungsstätte für Module aufgebaut. Ein Drittel der Produktion wird ins Inland gehen, ein Drittel in den globalen SolarWorld-Vertrieb. Den Rest erhält unser Joint Venture-Partner Solarpark Engineering für seine Projekte. Wenn ich von diesen Voraussetzungen absehen würde, könnte ich mir gut vorstellen, den gesamten Ausstoß unserer Fabrik auch in Korea abzusetzen.

ECOreporter.de: Wie haben Sie Ihren JV Partner gefunden?
Walberer: Solarpark Engineering war ein Kunde von uns. Der erste gemeinsame große PV-Park mit 15 MWp geht in diesen Tagen in Betrieb: Der Gochang Solarpark liegt südlich von Seoul, etwa eine halbe Fahrstunde entfernt. Unser Partner Solarpark Manufacturing Equipment (SPME) ist auf die Automatisierung von Prozessen spezialisiert. Seine Tochter Solarpark Engineering baut mit uns zusammen die Modulfabrik. Eine Fertigungslinie hat einen Ausstoß von 72 MWp pro Jahr. Wir fangen mit zwei Linien an. Erweiterungen werden in 72 MWp-Schritten erfolgen.

ECOreporter.de: Wo sehen sie Marktlücken in Korea?
Walberer: Aktuell gibt es Lücken beim Silizium. Aber der große koreanische Konzern DC Chemical ist hier bereits aktiv. Erst im vergangenen Jahr ist DC in die Silizium-Produktion eingestiegen und will schon im nächsten Jahr zur Nummer zwei auf dem Weltmarkt für Solarsilizium aufsteigen. Der Jahresausstoß soll dann 30.000 Tonnen betragen. Es gibt darüber hinaus zwei oder drei weitere koreanische Konzerne, die darüber nachdenken, wie sie ihr Unternehmen im Solarbereich ganz nach vorn bringen.

ECOreporter.de: Und im Bereich der Zellenproduktion?
Walberer: Bei den PV-Zellen gibt es mehrere kleine Zulieferer, sie sind aber nicht annähernd so groß wie die in Taiwan. Ich kann noch nicht erkennen, dass in nächster Zukunft weitere Hersteller in den Markt eintreten, die eine Zellenproduktion von mehr als 30-60 MWp pro Jahr ankündigen. Kein koreanischer Hersteller fertigt derzeit Zellen für mehr als 100 MWp im Jahr. Deshalb kaufen wir Zellen in Taiwan und Deutschland.

ECOreporter.de: Droht ein Preisverfall für PV-Produkte?
Walberer: Mittelfristig zeichnen sich vielleicht Überkapazitäten ab. Solange Silizium knapp ist, werden die Preise aber hoch bleiben. Auf den dazwischen liegenden Stufen der Fertigung wird es große Konzentrationsprozesse geben, vor allem bei den Zellen.

ECOreporter.de: Welche koreanischen Konzerne könnten einsteigen in die Siliziumproduktion?
Walberer: Im Silizium-Bereich ist nach meiner Information neben DC Chemical noch KCC aktiv, ein großes Chemieunternehmen. Es gibt weitere Ansätze, aber von den hochfliegenden Plänen ist noch nicht genug umgesetzt, um zu sagen, da ist viel passiert. Relevante Kapazitätsaufbauten bis hin zur Überproduktion drohen erst, wenn die großen Konzerne in den PV-Markt einsteigen: Samsung (Textil bis Telefon), LG, SK (Telekom, breites Portfolio), Posco (breit aufgestellter Konzern). Die können gewaltige Investitionen stemmen: Sie werden in den Wettschöpfungsketten dort einsteigen, wo man Geld verdienen kann. Denen würde ich auch zutrauen, eines Tages in ähnlichem Umfang Solarsilizium herzustellen wie DC Chemical.

ECOreporter.de: Wo sehen Sie den Markt für koreanische PV-Produkte?
Walberer: Im Moment produzieren die heimischen Hersteller überwiegend für den Export. Hyundai hat im vergangenen Jahr Module für 30 MWp produziert. Im nächsten Jahr sollen es bereits über 100 MWp sein. Den überwiegenden Teil der Produktion des letzten Jahres hat Hyundai nach Europa geliefert.

ECOreporter.de: Wie wird sich der Inlandsmarkt in Korea entwickeln?
Walberer: In diesem Jahr werden in Südkorea schätzungsweise rund 265 MWp Photovoltaik errichtet. Die fünf GWp-Marke für die Gesamtinstallation wird meiner Ansicht nach schon bis 2015 geknackt. SolarWorld ist da natürlich optimistisch, wir glauben an den Markt, sonst würden wir hier nicht eine der größten Solarmodulfertigungen aufbauen. Im November wird unsere erste Produktionslinie, im ersten Halbjahr 2009 die zweite mit einem Ausstoß von insgesamt 100-120 MWp in Betrieb gehen. Dass Konzept ist modular ausbaufähig: Als nächste Stufe sind bis zu 280 MWp jährlich denkbar.
Das Tempo in Korea ist atemberaubend. Die erste Fabrik haben wir im April geplant, im August haben wir angefangen zu bauen, Mitte November startet die Produktion. Eine in Deutschland unvorstellbare Geschwindigkeit: Die Baugenehmigung hatten wir innerhalb von einer Woche.

ECOreporter.de: Wo liegen die Vorteile eines Joint Ventures in Südkorea für europäische Hersteller? Könnte man nicht auch als ausländisches Unternehmen allein dort starten?
Walberer: Das halte ich nicht für machbar: Korea ist eine sehr fremde Kultur. Das geht schon mit der Sprache los. Englisch beherrschen nur wenige sehr gut. Im Land herrschen zudem ziemlich klare Netzwerkstrukturen: Ohne entsprechende Kontakte hat man wenig Chancen, erfolgreich zu sein. Andererseits haben deutsche Solarhersteller einen extrem hohen Stellenwert dort. Wenn ein Koreaner mit einem deutschen PV-Produzenten gemeinsame Sache macht, ist er im Vorteil. Deutsche Solartechnik ist ganz vorn, so sehen es die Koreaner.

ECOreporter.de: Herr Walberer, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Bildhinweis: Referenzanlage der SolarWorld AG, Jörg Walberer / Quelle: Unternehmen; Solarproduktion in Deutschland / Quelle: Roth & Rau; Solarfassade an einem koreanischen Wirtschaftsgebäude / Quelle: Colexon AG


Aktuell, seriös und kostenlos: Der ECOreporter-Newsletter. Seit 1999.
Nach oben scrollen
ECOreporter Journalistenpreise
Anmelden
x