Erneuerbare Energie, Anleihen / AIF

„Das EEG muss Raum für innovative Vermarktungsformen bieten.“ - ECOreporter.de-Interview mit Thomas E. Banning, Naturstrom AG

Im Zuge des aktuellen Bundestagswahlkampfes wird immer heftiger über Nutzen und Kosten der Energiewende gestritten. Der Düsseldorfer Grünstromanbieter Naturstrom AG zählt zu den Pionieren der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Im ersten Teil unseres Interviews mit deren Vorstandschef Thomas E. Banning nimmt dieser Stellung zu der Debatte und erläutert, an welchen Stellschrauben man drehen sollte.

ECOreporter.de: Wie haben sich Umsatz und Ergebnis der Naturstrom AG in 2012 entwickelt?

Dr. Thomas E. Banning:  Beim Umsatz haben vor allem zwei Faktoren zum Wachstum beigetragen. Zum einen haben wir auch 2012 wieder kontinuierlich neue Kunden hinzugewonnen. Zum anderen haben wir viele zehntausende Kunden, die im Verlauf des Jahres 2011 zu uns gewechselt waren. Diese Kunden waren in 2011 nur wenige Monate und in 2012 dann durchgängig in Belieferung. Aufgrund dieser Faktoren konnten wir den Absatz von 670 auf 850 Millionen kWh und den Umsatz von 122 Millionen Euro in 2011 auf etwas mehr als 200 Millionen Euro in 2012 steigern.
Das Ergebnis nach Steuern kletterte von fünf auf knapp sieben Millionen Euro. Dabei wirkt sich das Umsatzwachstum aus, aber aufgrund des Wettbewerbs haben wir bewusst auf Marge verzichtet. Uns ist es wichtiger, dass sich immer mehr Kunden für ein gutes Ökostromangebot wie naturstrom entscheiden, als dass es uns um eine Gewinnmaximierung ginge.

ECOreporter.de: Das Wachstum ist also nicht so stark ausgefallen wie im Vorjahr. Worauf führen Sie dies zurück?

Banning:  Gegenüber dem Ausnahmejahr 2011 war schon im Vorfeld klar, dass das Kundenwachstum moderater ausfallen würde. Denn solche Boom-Phasen wie die nach Fukushima gibt es nun einmal nur sehr selten – man möchte ergänzen: zum Glück, wenn sie mit so einem schrecklichen Ereignis verknüpft sind.
Wir sind mit unserer Entwicklung in 2012 gleichwohl sehr zufrieden. Zum Jahresende standen 225.000 Haushalte, Institutionen und Unternehmen bei Naturstrom unter Vertrag – ein Anstieg um rund 20.000 im Jahresverlauf. Vom Wettbewerb haben wir uns damit im vergangenen Jahr zum wiederholten Mal positiv abgesetzt, wie die umfangreiche Ökostrom-Branchenumfrage der Zeitung „Energie & Management“ belegt, die im Juli veröffentlicht wurde. Angesichts des schwieriger gewordenen politisch-medialen Umfelds, das von der ausufernden und völlig einseitig geführten Kostendebatte und der geradezu manischen Fixierung auf die EEG-Umlage geprägt war, sehen wir das Erreichte als großen Erfolg.

ECOreporter.de: Welche Erwartung haben Sie für 2013 und warum? Wird hier das Wachstum erneut geringer ausfallen, wird es wieder steigen oder ist gar kein Wachstum zu erwarten?

Banning:  Man kann nicht behaupten, dass wir derzeit in der Branche mit viel Rückenwind aus Politik, Medien und Markt segeln. Doch trotz des schwierigeren Umfelds gewinnen wir auch in diesem Jahr Woche für Woche unter dem Strich Kunden hinzu und wachsen kontinuierlich ungefähr auf dem Niveau von 2012. 

ECOreporter.de: Wie bewerten Sie als Stromanbieter die vom Bundesumweltminister beförderte Debatte darüber, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien zu steigenden Strompreisen führt?

Banning:  Die Strompreisdebatte basiert größtenteils auf ärgerlicher und irreführender Stimmungsmache, deren einziger Zweck es wohl ist, die dezentrale und regenerative Energiewende doch noch zum Scheitern zu bringen oder zumindest entscheidend zu verzögern. Die Diskussion leidet gleich mehrfach unter Fehlinformationen: Erstens hebt die Debatte allein auf die Kosten der Erneuerbarer Energien ab, der volkswirtschaftliche Nutzen – beispielsweise durch vermiedene Brennstoffkosten in Höhe mehrerer Milliarden – fällt dagegen völlig unter den Tisch. Zweitens wird der Konstruktionsfehler der EEG-Umlage von der Bundesregierung geflissentlich ignoriert, obwohl er längt allen bekannt ist: Die Erneuerbaren Energien senken den Börsenstrompreis, wodurch die Differenz zwischen dem Erlös an der Börse und der festgelegten EEG-Vergütung steigt und mithin der Betrag, der auf die Endverbraucher umgelegt wird. Die Erneuerbaren müssen sich also durch diesen Konstruktionsfehler selbst schaden – zumal der Verbraucher nicht von den gesunkenen Großhandelspreisen profitiert. Drittens verzerren die massiven Befreiungen der Industrie von der EEG-Umlage das Bild. Ohne diese Befreiungen wäre die Umlage um mehr als 1 Cent geringer. Und viertens werden neue Ökostrom-Kraftwerke mit alten, abgeschriebenen konventionellen Kraftwerken verglichen. Die mehr als 40 Jahre alten Kohlekraftwerke können zwar aktuell den Strom günstiger produzieren, müssen aber in den kommenden Jahren ohnehin ersetzt werden. Dann kostet die Produktion auch mindestens 7 Cent, je nach Marktentwicklung auch 8 oder 9 Cent je kWh. Beim Vergleich „neu“ gegen „neu“ wird deutlich: Eine moderne Windenergieanlage an einem guten Küstenstandort hat gegenüber einem Steinkohlekraftwerk längst die Nase vorn!

ECOreporter.de: Viele Marktakteure verlangen und erwarten eine baldige Reform des EEG. Wie steht die Naturstrom AG dazu? Wo hakt es aus Ihrer Sicht bei der Energiewende und an welchen Stellschrauben müsste man jetzt drehen?

Banning:  Anpassungen beim EEG hat es schon immer gegeben und sie sind auch fortlaufend notwendig. Nur dürfen wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Erhalten bleiben müssen in jedem Fall der Einspeisevorrang der Erneuerbaren und der grundlegende Umstand, dass der Anlagenbetreiber pro Kilowattstunde eine feste Vergütung erhält. Denn diese beiden Aspekte haben in den vergangenen dreizehn Jahren seit Einführung des EEG die Ausdifferenzierung der Erzeugerstruktur ermöglicht, die wir heute als großen Erfolg betrachten können. Fast 50 Prozent der installierten Leistung im Bereich der Erneuerbaren Energien wurden durch Privatpersonen und Landwirte ans Netz gebracht – jeder kann sich heute an einer sauberen und zukunftsfähigen Stromversorgung beteiligen und von den Vorteilen profitieren.
Die nächste Überarbeitung des EEG kann im Bereich der Vergütungssätze für Windenergie regional differenzieren und an guten Standorten eine gewisse Reduktion angehen. Sie muss außerdem darauf zielen, stärkere Impulse zur Nachfrageorientierung bei der Ökostromerzeugung zu setzen und allgemein die Systemintegration der Erneuerbaren Energien zu forcieren. Warum es nur unter widrigsten Bedingungen möglich ist, Ökostrom aus EEG-vergütungsfähigen Anlagen an Endkunden zu liefern, erschließt sich mir nicht. Das EEG muss zukünftig Raum für innovative Vermarktungsformen bieten, die die Ökostrom-Erzeugung und -Nachfrage näher zusammenbringen.

ECOreporter.de: Wagen Sie eine Prognose, was tatsächlich in Sachen Energiewende geschehen wird?

Banning:  Man muss manchmal daran erinnern, dass es die Energiewende nicht erst gibt, seit sie die Regierung 2011 ausgerufen hat. Die Energiewende wird von hunderttausenden Bürgerinnen und Bürgern seit vielen Jahren aktiv betrieben und von vielen Millionen Menschen unterstützt, sie hat also eine gewisse Eigendynamik erlangt – und das stimmt mich zuversichtlich.
Zugleich hat die Bundesregierung seit ihrer durch Fukushima erzwungenen energiepolitischen Rolle rückwärts alles getan, um eine schnelle Weiterentwicklung der Erneuerbaren auszubremsen. Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Freunde der Energiekonzerne, der Atomwirtschaft und der Kohleverbrennung nicht nur vorsichtig die Energiewende ausbremsen, sondern massiv auf eine Renaissance der konventionellen Energiewirtschaft und ein Ende für die Erneuerbaren hinarbeiten. Je nach Wahlausgang müssen wir uns wohl auf eine noch härtere Gangart einstellen. Setzen sich gewisse Strömungen innerhalb der Regierungsparteien weiter durch, so werden Energiewende, Dezentralität, Erneuerbare und echte Bürgerpartizipation wohl bald durch Laufzeitverlängerung und Leistungssteigerung bei AKW, Ausbau des Braunkohletagebaus, mehr CO2-Emmissionen und steigenden Konzerngewinnen abgelöst.

Morgen lesen Sie bei uns den zweiten Teil des Interviews mit dem Vorstandsvorsitzenden der Naturstrom AG. Darin geht Banning insbesondere auf Anlageangebote seines Unternehmens ein.
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