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Crowdfunding: nichts begriffen - Kommentar von ECOreporter-Chefredakteur Jörg Weber

"Kleinanlegerschutzgesetz bedroht Crowdfunding-Branche". Das ist die Überschrift einer Pressemeldung der Crowdfunding-Plattform Companisto. Das Unternehmen geht zum wiederholten Mal mit Krifitk an der Bundesregierung an die Öffentlichkeit.

Denn gestern hat die Bundesregierung den Entwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes verabschiedet. Companisto räumt selbst ein, dass der Gesetzesentwurf einige Ausnahmen für Crowdfundings vorsieht. Aber dann kommen schwere Geschütze: Der Gesetzentwurf gefährde eine noch junge, deutsche Wachstumsbranche, schreibt Companisto. Schließlich sei Crowdfunding erst drei Jahre jung. In dieser kurzen Zeit konnte die Branche laut Companisto einen wichtigen Beitrag zur Lösung eines bereits seit Jahrzehnten bestehenden Problems leisten, mit dem Unternehmer in Deutschland zu kämpfen hätten: fehlendes Kapital zur Umsetzung von Innovationen, denn Gründer hätten am Wirtschaftsstandort Deutschland kaum Zugang zu Finanzierungskapital. Diese Klage hört man oft. Doch sie ist meist unberechtigt. Denn gute Projekte kommen auch in Deutschland an Geld. Nicht die Finanzierung ist für gute Projekte der Engpass. Es fehlt eher an guten Projekten. Wenn ein gutes Projekt auf den Markt kommt, stehen die Investoren Schlange. Und die schlechten Projekte: Die sollten das Geld erst bekommen, wenn sie gut sind. Daran ändert auch Crowdfunding nichts.

Weiterhin beschwert sich Companisto, dass die Bundesregierung Crowdfundings in Deutschland auf eine Höhe von - so wörtlich "nur eine Million Euro" beschränken wolle. Andernfalls werde die Erstellung eines teuren Vermögensanlagenprospektes nötig. Die Erstellung eines Vermögensanlageprospekts (der nötig wäre, um mehr als 1 Million  Euro einzusammeln) verursache Kosten von ca. 50.000 Euro. Wer so argumentiert, lässt natürlich außer Acht, dass es für Unternehmen ohne weiteres möglich ist, über eine Million einzusammeln - nur dann eben nicht mehr über Crowdfunding. Wenn Crowdfunding-Finanzierungen wegen der Prospektpflicht und der daraus resultierenden Haftung nicht zustande kommen, wirft das kein gutes Licht auf das Crowdfunding.

Companisto lamnetiert zusätzlich darüber, dass die Bundesregierung  das Einzelinvestment auf 10.000 Euro begrenzen will. O-Ton Companisto: "Für den Erfolg von Crowdfunding-Projekten ist es unerlässlich, dass einzelne wenige, hohe Investments getätigt werden. Hohe Investitionen werden in aller Regel erst nach einer gründlichen Prüfung des Angebots getätigt. Gerade für Kleinanleger bieten sie so eine gute Orientierungshilfe, die durch die Möglichkeiten des Austauschs unter Investoren noch verstärkt wird." Anleger, die gerade bei Prokon (bei ECOreporter.de seit Jahren in der Wachhundrubrik geführt) einen Großteil ihrer gesamten Altersvorsorge verspekuliert haben, dürften solche Argumente besonders ärgern. Eine sehr verblüffende Art ist das, hohe Investments mit dem Schutz der Anleger in Verbindung zu bringen statt mit dem Verdienst der Crowdfunder. Am meisten aber scheint Companisto zu ärgern, dass jeder Investor bei jedem Investment ein sogenanntes Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) unterzeichnen muss, bevor sein Investment wirksam werden soll. Was eine Rückständigkeit, oder? Man soll dann als Anleger etwas unterschreiben und per Post senden. Companisto dazu: "Wer, wie viele Deutsche, keinen Drucker und Scanner besitzt, muss damit immer noch zur Post gehen. Der Prozess ist somit unnötig bürokratisch....dieser Medienbruch sollte daher unbedingt vermieden werden..."
Ja ja. Denn ausdrucken und unterschreiben, das würde eine Pause bedeuten. Zeit, Abstand zu gewinnen, Informationen einzuholen, den Computer auszumachen und zu entscheiden. In dieser Zeit würden dann wohl einige Deutsche, egal ob sie einen einen Drucker oder Scanner haben oder nicht, überlegen, ob sie denn überhaupt ein Crowdfunding-Investment haben wollen. Will Companisto vermeiden, das genau so etwas passiert? Stört der "Medienbruch", den man auch einfach "Pause zum Entscheiden" nennen kann, das Geschäft?

Companisto erweist der Crowdfunding-Branche mit solchen Meldungen und Beschwerden einen Bärendienst: Die eigenen Interessen hinter angeblichem Anlegerschutz zu verstecken, hinter dem Kampf gegen Bürokratie - das ist doch allzu durchschaubar. Und diskreditiert alle die Crowdfunding-Initiativen und Portale, die mit viel Engagement die Kundeninteressen in den Mittelpunkt stellen. Und dazu gehört nun zuallererst der Anlegerschutz. Das geplante Kleinanlegerschutzgesetz ist sicherlich in vielen Punkten hinderlich und verbesserungswürdig. Im Detail auch, wenn es um Crowdfunding geht. Aber Companistos Art der Beschwerde dürfte die Politiker in ihrem Vorhaben eher bestärken.
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