Die Baumwollspinnerei Vallalar Textiles möchte auf sauberen Solarstrom umsteigen. / Foto: Crowd4Climate

  Crowd-Investment, Crowd-Test

Crowd-Investment: 6 % Zins mit Solaranlage für Spinnerei in Indien – verantwortungsvoll oder sicherer Verlust?

Medien wie der Deutschlandfunk berichten, dass die Polizei in Indien Ausgangssperren mit Gewalt durchsetzt. In dem Land fahren weder Busse noch Züge. Menschen liefen hunderte Kilometer, um zu ihren Familien zu gelangen. Manche von ihnen seien dabei vor Erschöpfung gestorben, so der Deutschlandfunk. Über die österreichische Crowd-Investment-Plattform Crowd4Climate wird dennoch aktuell in Indien eine Anlagemöglichkeit in eine Solaranlage angeboten. Sie soll auf dem Dach einer Baumwollspinnerei entstehen. Gerade jetzt in der Corona-Krise eine verantwortungsvolle Investition – oder ein sicherer Geldverlust? Antworten des deutschen Projektinitiators auf ECOreporter-Fragen bringen eine erstaunliche Zwangssituation ans Licht.

Die Plattform Crowd4Climate wurde unter anderem von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) entwickelt und aufgebaut, dafür flossen Mittel verschiedener österreichischer Banken. Betreibergesellschaft ist die crowd4projects GmbH, eine gemeinsame Tochtergesellschaft von der Organisation Energy Changes und ÖGUT.

ECOreporter-Crowdtest

Projekt: Crowd-Investment Solarenergie für Vallalar Baumwollspinnerei in Indien

Emittentin: Provotek-Infrastructure UG (haftungsbeschränkt), eingetragen in Lohne/Niedersachsen, erst im Januar 2020 mit 100.000 Euro Stammkapital von Christoph Meyer gegründet.

Crowd-Plattform: Crowd4Climate

Art der Anlage: Nachrangdarlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt

Mindestbeteiligung: 250 Euro, danach jeder durch 50 Euro teilbare Betrag

Gebühren: Eigentlich würden Anleger zwar keine Gebühren und Provisionen zahlen, heißt es im Informationsblatt. Aber es gibt eine Vergütung für die Vorstellung des Projekts auf der Crowd4Climate-Plattform und für die Abwicklung der Treuhandschaft in Höhe von immerhin 3 % der Funding-Summe netto. Diese Vergütung trägt der Emittent. Sie wird aber durch das Nachrangdarlehen der Anleger fremdfinanziert! Außerdem erhält Crowd4Climate von der Emittentin 1 % der Funding-Summe netto als "Handling Fee“. Und zwar jedes Jahr.

Laufzeit: 7 Jahre

Zinsen: 6,0 % p.a.

Beteiligung am möglichen Verkauf des Unternehmens (Exitbeteiligung): Nein

Besicherung des Darlehens: Keine

Rückzahlung: In jährlichen Raten 

Mindestzielsumme/Maximalsumme des Crowd-Investments: 50.000/90.000 Euro

Angebotsstart: 31.3.2020

Der folgende Premium-Inhalt ist aufgrund des Artikelalters nun frei verfügbar.

Standort/Firmensitz: Lohne (Emittentin) / Solaranlage: bei Coimbatore im Bundesstaat Tamil Nadu, im Süden von Indien

Unternehmensphase: Neue Zweckgesellschaft, für das Projekt gegründet

Was finanziert das Crowd-Investment?  Eine Solaranlage mit 200 kWp (Kilowatt Spitzenleistung) auf den Gebäudedächern der Baumwollspinnerei „Vallalar Textiles“. Nach Angaben der Anbieter verarbeitet sie seit 2005 Baumwolle zu feinem Garn für die Textilherstellung und den Verkauf. Der Maschinenpark stamme zumeist aus Deutschland. Die Solaranlage soll den Energiebedarf größtenteils decken. 

Womit soll Geld verdient werden? Die Baumwollspinnerei kann durch die Solaranlage den Einkauf konventioneller Energien ersetzen, die geringfügig teurer sind als der Solarstrom.

Wie riskant ist das Investment?

ECOreporter hat den Initiator Christoph Meyer danach befragt, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf den Geschäftsbetrieb der Spinnerei in Indien haben werde. Er erklärte, die Firma Vallalar befinde sich im ländlichen Bereich. Die Arbeiter würden in direkter Umgebung zur Firma wohnen und stünden gemeinsam mit dem Unternehmen in Quarantäne. In der Baumwollspinnerei werde zurzeit gearbeitet. Jedoch bestünde die Gefahr, dass Rohmaterial nicht mehr geliefert werde oder fertige Ware nicht mehr abgesetzt werden könne. Das könne zu einem Stillstand in der Produktion führen, so Meyer. Mit der Firma Vallalar sei aber vertraglich vereinbart, dass die zu erwartenden Erträge aus der Solareinspeisung durch die Messung der Sonneneinstrahlung erfasst und notfalls über eine Bankgarantie ausgezahlt würden. Die Bankgarantie sei für ein Jahr gültig. "Bis dahin rechnen wir mit einer Normalisierung der Situation“, so Meyer. Sollte sich die Firma Vallalar von der Corona-Krise nicht erholen, könne die Emittentin den Strom an andere Industriefirmen verkaufen, erklärt Meyer. Die Solaranlage könne dafür auf dem Firmengebäude von Vallalar verbleiben.


Mitarbeiter von Vallalar Textiles mit Projektinitiator Christoph Meyer (hinten links). / Foto: Crowd4Climate

Ist es angesichts der Corona-Krise sinnvoll, den Projektstart zu verschieben? Das will der Initiator nicht. Er sagt dazu: „Die Verträge mit der Firma Vallalar sind weit vor der Krise unterschrieben worden. Solange es keine rechtlich verbindliche Anordnung gibt, die Anlage nicht zu installieren, können wir die Verträge nicht einseitig aussetzen.“ Das Material sei bestellt und werde geliefert. "Falls es kurzfristig zu einem Baustopp kommt und der Kunde Vallalar sich von der Corona-Krise nicht wieder erholt, können wir den Investoren alternative Projekte anbieten beziehungsweise auf ein alternatives Projekt umschwenken, welches dieselben Anforderungen hinsichtlich des Ertrages und der Umwelteigenschaften erfüllt“, so Meyer.

Der Initiator weiter: „In der momentanen Situation werden wir eher versuchen, das Projekt vor einem offiziellen Baustopp abzuschließen, da nicht absehbar ist, ob drei Monate Wartezeit überhaupt ausreichen.“

Im Informationsblatt heißt es zudem, der für den Erfolg des Projekts relevante Markt sei der Markt für Baumwollgarn in Indien. Hiervon hingen die Ratenzahlungen des Kunden (Baumwollspinnerei) ab. Ausschlaggebend für die Entwicklung dieses Marktes seien Nachfrage und Preise für Baumwollprodukte in Indien. Bei einem Einbruch des Marktes für Baumwollprodukte sei es denkbar, dass der Anleger einen Teil oder die gesamten Zinsen und die Rückzahlung seines Investments nicht erhalte. Dass die hier genannten Risiken eintreten, ist durch die Corona-Krise mittlerweile um ein Vielfaches wahrscheinlicher geworden. Zudem: Es besteht keine schuldrechtliche oder dingliche Besicherung der Rückzahlungsansprüche.

Die ECOreporter-Bewertung:

Weltrettungsfaktor und nachhaltiger Nutzen:

Die Solaranlage soll CO2-Emissionen von 89 Tonnen pro Jahr einsparen.

Solaranlagen sind sehr effizient und treiben die Energiewende voran. Sie haben eine kurze sogenannte energetische Amortisationszeit: Sie produzieren mittlerweile in nur wenigen Monaten die für ihre Herstellung benötigte Energie. Zum Vergleich: Kohlekraftwerke amortisieren sich aufgrund des dauerhaften Verbrauchs von Kohle als Brennstoff nie.

Innovationskraft: Die verwendete Technologie ist bekannt und ausgereift, innovativ ist sie nicht. 

Das gefällt ECOreporter:

+        Finanzierung einer Solaranlage auf einem kleinen Gewerbebetrieb

Hier sieht ECOreporter Risiken:

- Anlage noch nicht gebaut und in Betrieb genommen

- Coronakrise mit auch in Indien unabsehbaren Folgen

- Geschlossene Verträge zwingen dazu, das Projekt durchzuziehen, obwohl ansonsten fast alles für eine Verschiebung spricht 

- Komplizierte Struktur mit diversen beteiligten Gesellschaften

- Erfolg des Projektes vom indischen Baumwollmarkt abhängig – der sehr bald komplett in die Knie gehen könnte

Aus finanzieller Sicht wichtig zu bedenken:

Anleger erhalten im Fall einer Insolvenz ihre Einlage erst zurück, wenn alle anderen Gläubiger vollständig ausbezahlt sind.

Die ECOreporter-Bewertung

Das Projekt ist in einer Notlage: Jeden Moment könnte eine behördliche Anordnung alle weiteren Aktivitäten stoppen. Ob es selbst ohne einen solchen behördlichen Stopp derzeit möglich wäre, die Solaranlage aufzubauen, bleibt ohnehin fraglich. Sinnvoll wäre es, alle Arbeiten zu verschieben, bis sich die Situation wieder einer wie auch immer gearteten Normalität annähert. Dass vertragliche Pflichten das erschweren, mag ungut sein für die Projektgesellschaft und die indische Baumwollspinnerei. Sie sind finanzielle Risiken eingegangen. Crowd-Anleger dafür aber jetzt in die Bresche springen zu lassen, erscheint erstaunlich. Wer sicherer sein möchte, dass sein Geld wirklich einen nachhaltigen Zweck erfüllt und nicht in einer Krisensituation strandet, sollte es entweder Hilfsorganisationen mit Schwerpunkt in Indien spenden oder die Corona-Krise abwarten, bis er investiert. Ob es dieses Angebot dann noch gibt, ist allerdings fraglich, da die Zeichnungsfrist in ca. zwölf Wochen enden wird.

Fazit: Für wen eignet sich das Crowd-Investment?

Allenfalls für Anleger, die den deutschen Initiator und die österreichische Crowd-Plattform unterstützen wollen – diese senken damit ihre Risiken bzw. erhalten Gebühren.

Bitte sorgfältig beachten:

Geldanlagen sind mit Risiken verbunden, die sich im Extremfall in einem Totalverlust der eingesetzten Mittel niederschlagen können. Die von uns bereit gestellten Informationen sind keine Kaufaufforderungen oder Anlageempfehlungen - denn wir kennen z.B. Ihre persönlichen Vermögensverhältnisse und Ihr Anlegerprofil nicht. Zwischen Lesern und dem Verlag entsteht kein Beratungsvertrag, auch nicht stillschweigend. Die Redaktion recherchiert sorgfältig. Eine Garantie für die Richtigkeit und für richtige Schlussfolgerungen wird dennoch ausgeschlossen - auch uns kann einmal ein Fehler unterlaufen. Finanzdienstleister können sich also nicht allein auf unsere Informationen stützen. Jegliche Haftung wird ausgeschlossen, auch für Folgeschäden, etwa Vermögensschäden. Unsere Texte machen in keinem Falle eine individuelle Beratung und Beschäftigung mit den Angeboten entbehrlich. Bitte beachten Sie, dass sich zwischen unserer Recherche und Ihrer Lektüre Änderungen ergeben können. Weder die Veröffentlichung noch ihr Inhalt, Auszüge des Inhalts noch eine Kopie darf ohne unsere vorherige Erlaubnis auf irgendeine Art verändert oder an Dritte verteilt oder übermittelt werden - andernfalls liegt ein strafrechtlich bewehrter Urheberrechtsverstoß vor.

ECOreporter befolgt eine eigene Testmethode, die kontinuierlich verbessert wird. Der ECOreporter Crowd-Test ist keine Anlageempfehlung, sondern eine Einschätzung und Meinung der Redaktion insbesondere zu Chancen und Risiken des Beteiligungsangebotes sowie zu dessen Nachhaltigkeit. ECOreporter-Tests beruhen unter anderem auf Prospekten der Anbieter, auf Gesprächen und sonstiger Kommunikation mit ihnen sowie auf der Recherche in anderen Quellen – jeweils bis zum Zeitpunkt des Erscheinens.

Verwandte Artikel

03.04.20
 >
02.04.20
 >
26.03.20
 >
Aktuell, seriös und kostenlos: Der ECOreporter-Newsletter. Seit 1999.
Nach oben scrollen
ECOreporter Journalistenpreise
Anmelden
x