Wer in Ostdeutschland Grundstücke besitzt, auf denen Windräder errichtet wurden, sollte prüfen lassen, ob die Pachtabgaben an die BVVG zu hoch sind. / Foto: Pixabay

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Bundesgerichtshof erklärt Windenergieklausel der BVVG für unwirksam

Käufer von ehemals volkseigenen landwirtschaftlichen Flächen in Ostdeutschland müssen bislang einen Großteil der Pachteinnahmen aus Standorten mit Windenergieanlagen an die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) abführen – zu Unrecht, wie jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) befand.

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In seinem Urteil vom 14. September hat das höchste deutsche Gericht entschieden, dass die Praxis der Treuhand-Nachfolgerin rechtswidrig ist. Mit dem Urteil bestätigte der BGH die beiden Vorgängerinstanzen. Darauf weist das Beratungsunternehmen Sterr-Kölln & Partner hin.

"Grundeigentümer, die vertraglich verpflichtet worden sind, einen Großteil ihrer Pachteinnahmen an die BVVG weiterzuleiten, sollten prüfen lassen, ob die Klauseln in ihrem Vertrag nach den Maßgaben des BGH-Urteils unwirksam sind“, rät Sebastian Helmes von Sterr-Kölln & Partner. Auch Rückforderungsansprüche gegen die BVVG sollten geprüft werden. Flächen, die wegen der BVVG-Beteiligung bislang "zu teuer“ waren, könnten zudem mitunter neu bewertet werden, so Helmes weiter.

Viele Fälle in Ostdeutschland

Die BVVG privatisiert seit 1992 Äcker, Wälder und Seen auf dem Gebiet der früheren DDR. Die Tochter der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben hat bislang in ihren Grundstückskaufverträgen regelmäßig Klauseln verwendet, wonach Windenergieanlagen auf den von ihr veräußerten Flächen nur dann errichtet werden dürfen, wenn der überwiegende Teil der Pachteinnahmen für den Standort an das staatliche Unternehmen zurückfließt. Die Entscheidung des BGH war in Ostdeutschland mit Spannung erwartet worden – schließlich gibt es eine Vielzahl vergleichbarer Fälle.

In dem Rechtstreit, der der Entscheidung des BGH zugrunde lag, hatte der Kläger im Jahr 2005 landwirtschaftliche Flächen von der BVVG nach dem Ausgleichsleistungsgesetz erworben. Im Kaufvertrag war vorgesehen, dass die Fläche über einen Zeitraum von 15 Jahren ausschließlich landwirtschaftlich genutzt werden muss. Gleichzeitig war im Vertrag festgelegt, dass die Errichtung von Windenergieanlagen zwar nicht ausgeschlossen ist, aber die Zustimmung der BVVG erfordert. Die Zustimmung wiederum sollte nur dann erteilt werden, wenn die BVVG hierfür eine Entschädigung in Höhe von mindestens 75 Prozent der marktüblichen Pacht erhält.

Diese Regelung zugunsten der BVVG missfiel dem Erwerber, der auf seinen Flächen Windenergieanlagen errichten lassen wollte. Er wollte deswegen gerichtlich feststellen lassen, dass der BVVG dieser Anspruch nicht zusteht.

Mit seiner Auffassung hat der Kläger in allen Instanzen Recht bekommen. Nach dem Landgericht Berlin 2015 und dem Kammergericht 2016 hat nun auch der BGH entschieden, dass die vertragliche Klausel unwirksam ist. Weil eine derart weitgehende Erlösabschöpfung im Ausgleichsleistungsgesetz nicht vorgesehen ist, verstößt die Praxis der BVVG, solche Klauseln trotzdem standardmäßig in die Kaufverträge aufzunehmen, laut BGH gegen AGB-Recht.

Bedeutung für vergleichbare Fälle

Was die Entscheidung für ähnlich gelagerte Fälle bedeutet, von denen es in den östlichen Bundesländern zahlreiche gibt, lässt sich laut Experten nicht pauschal beantworten. Zwar beantwortet der BGH grundsätzliche Rechtsfragen, weswegen die Bedeutung des Urteils weit über den Einzelfall hinausreicht. Gleichwohl ist laut Sterr-Kölln & Partner Vorsicht geboten, wenn es darum geht, das Urteil ungeprüft auf andere Windenergiestandorte in den fünf Bundesländern zu übertragen. Da die BVVG unterschiedliche Klauseln verwendet hat, müssen nicht alle Verträge rechtswidrig sein.

Sterr-Kölln & Partner zufolge liegt es allerdings nahe, dass auch ähnlich strukturierte Klauseln unwirksam sind. Ist dies der Fall, werden sich die Pachteinnahmen für die Grundstückseigentümer künftig erhöhen. Außerdem werden Flächen, die aufgrund der finanziellen Beteiligung der BVVG bislang als zu teuer galten, plötzlich wieder attraktiv. Dort, wo bereits Windenergieanlagen errichtet wurden und die BVVG an der Pacht partizipiert hat, stellt sich zudem die Frage, ob der Grundeigentümer nun auf Grundlage des BGH-Urteils die Rückzahlung verlangen kann.

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