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Bürger sollen Waldbesitzer werden – ECOreporter.de-Interview mit Wilhelm Bode zum Konzept der Bürgerwald-Aktiengesellschaften
Als saarländischer Landesforstchef Bode erstmalig in einem Bundesland die kahlschlagfreie Waldwirtschaft eingeführt. Sein Gutachten ist öffentlich zugänglich unter:

ECOreporter.de: Sie schlagen vor, den Staatswald, welcher bisher dem Land NRW gehört, als Bürgerwald zu privatisieren. Was verstehen Sie unter einem „Bürgerwald“?
Wilhelm Bode: Die NRW-Bürgerwaldidee ist die Antwort des Naturschutzes auf die in den vergangenen Jahren in NRW und anderen Bundesländern bereits vollzogene oder in Vorbereitung befindliche Privatisierung von Teilflächen der Staatswälder. Es entwickelt sich aktuell eine Nachfrage nach großflächigen, geschlossenen Waldungen, denn Waldwirtschaft und Forstimmobilien haben in einer Welt knapper werdender Rohstoffe und wachsender Nachfrage nach regenerativen Energien sowie einer berechtigten Furcht vor dem Wertverfall großer Kapitalvermögen eine ausgezeichnete Zukunft. Die Politik wird angesichts leerer Kassen und dem objektiven Zwang, alle derzeitigen Defizitquellen in den öffentlichen Haushalten zügig trocken zu legen, dieser wachsenden Nachfrage nicht mehr lange standhalten. Dieser Tendenz, den Staatswald einfach zu zerschlagen und als privaten Waldbesitz an die Inhaber großer Kapitalvermögen zu veräußern, setzt der Naturschutz eine politische Alternative entgegen: die Gründung von Bürgerwald-Aktiengesellschaften. Dabei handelt es sich um börsenotierte Aktiengesellschaften, die sich ausschließlich der Waldproduktion des nachwachsenden Rohstoffes Holz in den vormaligen Staatswäldern widmen. Sie würden schon mit Blick auf ihre Größe als „best practice“-Betriebe im Sektor Forst- und Holzwirtschaft gleichzeitig die forstliche Marktführerschaft anstreben und damit den gesamten Forstbereich, der in Deutschland zum Nachteil des Holzwirtschaftsstandortes extrem zersplittert ist, überhaupt erst zukunftsfähig machen.
ECOreporter.de: Wer soll den riesigen Wald kaufen?
Bode: Die Idee des NRW-Bürgerwaldes lebt von der Verbundenheit der Bürger mit ihrem Bundesland und ihrer Wohnsitzregion. Es ist darum ein vordringliches Ziel, einen stabilen Streubesitz unter Stakeholdern in NRW zu organisieren. Realistisch sind ca. 30-40 % Streubesitz erreichbar, der sich auf eine große Anzahl von am Wald, der Natur und Heimat verbundenen Bürgern verteilen wird. Das heißt aber auch, dass mindestens 40 % der Anteile an Pensions- und Alterssicherungsfonds, HNWI (vermögende Einzelpersonen, high net worth individual – die Red.) private Vermögensverwaltungen, private und gemeinnützige Stiftungen und Nachhaltigkeitsfonds etc. verkauft werden sollen und können. In einem Gutachten im Auftrag des NABU-NRW und des NABU-Bundesverbandes habe ich umfassend dargestellt, dass es kein großes Problem macht, ca. 1-1,3 Mrd. Euro zugunsten des Landeshaushaltes am Kapitalmarkt zu generieren, um die zur Privatisierung vorgesehenen 80 % der Bürgerwaldaktien über die Börse Düsseldorf an den Markt zu bringen. Das sind dann rund 90.000 ha Wald und es entstünde damit der größte geschlossene Privatwaldbesitz des Landes und Europas! Die restlichen 20 % der Anteile sollten als Sperrminorität eine später denkbare Satzungsänderung verhindern und deswegen als Stiftungskapital an eine NRW-Naturerbestiftung übergeben werden, die sich aus den laufenden Dividenden finanziert und damit den Landeshaushalt von Naturschutzlasten in den verbleibenden Naturschutzvorrangwäldern für alle Zeiten entlastet.
ECOreporter.de: Was erhalten die Käufer als Gegenwert?

ECOreporter.de: Welche Vorteile gibt es sonst noch, den Staatswald, also „unser aller“ Wald, an der Börse zu verscherbeln?
Bode: Die schon genannten Vorteile sind finanzieller Art und interessieren die Shareholder des Kapitalmarktes. Der Naturschutz ist sich aber sicher, dass die Bürger des Landes Anteile am Bürgerwald vor allem als extrafinanzielle Kapitalanlage sehen und schätzen werden. Wald ist wesentliches Landschaftselement und produziert die Umweltgüter Sauerstoff, Reinluft, Trinkwasser, Erholungsraum, Lärmschutz und nicht zuletzt Lebensraum für unsere bedrohte Tier- und Pflanzenwelt. Ohne Wald wäre auch in NRW alles nichts! Der Wald ist aber gefährdet, nicht zuletzt durch eine falsche Bewirtschaftung und die Ernte mit Großmaschinen, die gerade von der unter Sparzwang stehenden Forstbürokratie zum Einsatz kommen. Das führt letztendlich zu einem maschinengerechten Wald, der immer mehr den natürlichen und klimatischen Gefahren ausgesetzt ist und erliegt. Der Bürgerwald ist also auch eine Antwort auf die akute Fehlentwicklung der öffentlichen Forstwirtschaft in „unser aller“ Wald. In der Satzung der Bürgerwald-AG soll nämlich die Bewirtschaftung im waldbaulichen Betriebsmodell des sog. Dauermischwaldes für alle Zeiten festgeschrieben werden, d.h. der Wald soll kahlschlagfrei bewirtschaftet werden, d.h. mit Einzelbaumweisen und mit Naturverjüngung (ohne Pflanzung), ohne chemische Mitteleinträge und mit sanften Betriebstechniken. Kurzum: Die Bürgerwald-AG wird einen innovativen „best practice“-Forstbetrieb organisieren, der für die gesamte Forstwirtschaft Modellbetrieb sein wird. Diese Ziele werden durch die Sperrminorität in der Satzung vor Veränderungen geschützt und sind damit verbindlich gewährleistet.
ECOreporter.de: Heißt das nicht Renditeverzicht für den Anleger?
Bode: Genau das Gegenteil ist der Fall. Der Dauermischwaldbetrieb ist eine deutsche Erfindung des ausgehenden 19. Jahrhunderts und wurde in den sog. Altbetrieben des vorwiegend adligen Großprivatwaldes mit großem betriebswirtschaftlichem Erfolg zur Blüte gebracht. Diese Betreibe sind heute die rentabelsten und naturreichsten Forstbetriebe in Europa – nur erstaunlicher Weise nicht in Hand der „grünen Planwirtschaften“, den so genannten Forstverwaltungen. Diese Vorzeigebetriebe sind also schon immer privat und eben nicht „unser aller“ Wald. Insofern ist die öffentliche Forstwirtschaft nach dem Zusammenbruch der Planwirtschaft der DDR der letzte Praxisbeweis, dass sich mit dem öffentlichen Dienst- und Haushaltsrecht unabhängig vom Wirtschaftssystem weder ökonomisch noch ökologisch effizient wirtschaften lässt. Der Ausweg für Wirtschaft und Natur ist der Bürgerwald im Dauermischwaldbetrieb, der nicht nur ökologisch bessere Leistungen erbringt, sondern vor allem besseres und mehr Holz als bisher der Gesellschaft zur Verfügung stellen kann. Er ist darum insgesamt dem konventionellen Wald ökonomisch weit überlegen und zahlt kostenlos eine extrafinanzielle Rendite, die sich die Bürger des Landes gar nicht besser wünschen können, nämlich eine intakte und stabile Waldumwelt.
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Bildhinweis: Wilhelm Bode / Quelle: Alexander Stein