Erneuerbare Energie

Biogas: nachhaltige Geldanlage oder finanzieller Ruin für die Bio-Bauern?



„Ohne Biogas wird die Energiewende nicht gelingen“, sagt Josef Pellmeyer, Präsident des Fachverbandes Biogas. Denn Biogas lasse sich im Erdgasnetz und in dezentralen Biogasspeichern problemlos speichern und sei damit ein Ausgleich für die wechselnde Stromerzeugung aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Angesichts der drastischen Einschnitte bei den Einspeisevergütungen für Strom aus Solaranlagen geht auch unter den Biogasproduzenten die Angst um: Laut dem Entwurf der neuen Verordnungsermächtigung (§ 64 g), über die der Bundestag morgen entscheidet, könnte die Bundesregierung bald ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat die vergütungsfähigen Strommengen aus Erneuerbare Energie-Anlagen nach Belieben reduzieren (wir Opens external link in new windowberichteten). Ein solcher Freifahrtschein würde die Investitionssicherheit und den Vertrauensschutz des EEG in höchstem Maße gefährden, stellt Pellmeyer dazu fest.


Innerhalb der letzten fünf Jahre hat sich die Zahl der deutschen Biogasanlagen auf aktuell rund 7100 verdoppelt. Jährlich kommen 300 bis 400 neue hinzu. Zurzeit werden etwa 20 Prozent der Ackerfläche in Deutschland zum Anbau von so genannten nachwachsenden Rohstoffen genutzt, darunter auch zur Biogasproduktion. „Allein auf Mais, der zu Biogas verarbeitet wird, entfallen 800.000 Hektar“, sagt Gerald Wehde, Experte von Bioland e.V. Das sei eine Fläche, die dreimal so groß ist wie Luxemburg. Der Verband vertritt Interessen von mehr als 5500 Biolandwirten. Angesichts des aktuellen Vormarsches der Biogas-Branche sind vielen von ihnen besorgt. Agrar-Ingenieur Wehde sagt, schon seit vier Jahren würden die Biobetriebe im Durchschnitt immer kleiner. Mit lediglich 2,3 Prozent an neuen Biobetrieben habe die Branche im vergangenen Jahr das geringste Wachstum seit 20 Jahren. Seine Erklärung: Die verfügbare Pachtfläche wird immer kleiner, weil die Betreiber von Biogasanlagen höhere Pachtpreise zahlen als die Bauern, die Nahrungsmittel herstellen.

Bildhinweis: Gerald Wehde, Pressesprecher Bioland e.V. / Quelle: Unternehmen

Fehlkonstruktion EEG?

Die Biogasbranche verdränge die Bio-Lebensmittelproduzenten, weil die EEG –Vergütung hier den entscheidenden finanziellen Vorteil bringe, sagt Wehde.
Tatsächlich lägen die Pachtpreise, die Bioland-Landwirte aufbringen können, bei etwa 400 bis 500 Euro pro Hektar. Die von EEG-begünstigten Biogasanlagen-Betreiber könnten etwa 800 Euro zahlen, Spitzenpreise gehen bis zu 1000 Euro. Bekommen Biogasproduzenten also zu viel an Zuschüssen? Dieser Annahme widerspricht Andrea Horbelt, Sprecherin des Fachverbandes Biogas e.V., der bundesweit Interessen von rund 4400 Mitgliedern vertritt. „Nicht die Biogasanlagenbetreiber erhalten zu viel an EEG-Vergütungen und EU-Subventionen, sondern die Biolandbauer zu wenig“, stellt Horbelt fest. „Unter dem Strich verdient die Biolandindustrie zu wenig - die Biolandbauer sollten die Gründe für ihre Misere nicht bei uns suchen“, fügt die Diplomingenieurin hinzu.

Kritik an dem Ausbau der Biogasanlagen kommt auch von Naturschützern.  Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes (NABU), bezeichnet den massiven Ausbau der Biogaslandwirtschaft als „ökologischen Unsinn, der nicht noch weiter gefördert werden kann“. Die Weiterförderung von „Maiswüsten“ sei aus klima- und umweltpolitischer Sicht nicht vertretbar, so Tschimpke.

Bildhinweis: Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes (NABU) / Quelle: Unternehmen

"Der Eindruck täuscht"
Biogas ist ein wichtiger Bestandteil des Regierungskonzeptes, das im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) verankert ist. Riesige Raps-und Maisfeldern sind nötig für die Produktion von Biogas oder Biodiesel. „In manchen Landkreisen nimmt die Maisfläche mehr als 50% des gesamten Ackerlandes ein. Da ist die Grenze der Umweltverträglichkeit bereits überschritten“, sagt Wehde. Der für das Ackerland so wichtige Fruchtwechsel werde dort weitgehend nicht beachtet. Durch den exzessiven Einsatz von Nitriten und Insektiziden werde der Boden sowie das Grundwasser langfristig vergiftet.

„Dieser Eindruck täuscht“, sagt Andrea Horbelt, denn: „Ein guter Landwirt wird den Teufel tun und seinen Boden mit Maisanbau mehrere Jahre in Folge kaputt wirtschaften“. Schließlich gehe es dabei um seine Existenzgrundlage. Zwar werde Mais aufgrund seiner hohen Energieeffizienz tatsächlich oft und großflächig angebaut, aber abwechselnd auf unterschiedlichen Feldern. „Unsere Verbandsmitglieder streben bereits eine Artenvielfalt auf den Ackerflächen an“, sagt Horbelt und kündigt an, bereits in den nächsten Jahren seien neue energiereiche Pflanzenarten wie die Zuckerrübe, durchwachsene Silphie oder Hirse konkurrenzfähig und können alternativ zu Mais angebaut werden.



Bildhinweis: Andrea Horbelt, Pressesprecherin vom Fachverband Biogas e. V. / Quelle: Unternehmen


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