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„Bei vielen Fonds liegt die Messlatte zu niedrig“ – ECOreporter.de-Interview mit Antje Schneeweiß über den Einfluss von nachhaltigen Investoren auf Unternehmen

ECOreporter.de: Was bewirken ethische oder ökologische Geldanlagen?
Antje Schneeweiß: Nachhaltige Geldanlagen haben in den letzten zehn Jahren soziale und ökologische Themen in die Abteilungen einiger Geldhäuser hineingetragen, und sie haben bei Konzernen deutlich gemacht, dass sich nicht nur Nicht-Regierungsorganisationen (NRO) und Konsumenten für diese Fragen interessieren, sondern auch Investoren. Das hat den Themen in Unternehmen ein entsprechend höheres Gewicht verliehen. In wie weit diese Veränderungen konkrete soziale und ökologische Verbesserungen verursacht haben, ist nicht festzustellen. Wahrscheinlich sind die Verbesserungen durch ein Bündel von Faktoren zu Stande gekommen, zu denen auch nachhaltige Geldanlagen gehören.

ECOreporter.de: Haben Sie konkrete Beispiele für die Wirkung?
Schneeweiß: In der Literatur gibt es einige; z.B. den Verzicht auf PVC-Kabel in Innenräumen durch die deutsche Telekom nach einem Nachhaltigkeitsrating und die ökologische Ausrichtung eines türkischen Flachbildschirmherstellers. Nachhaltigkeitsrating-Agenturen berichten davon, dass Unternehmen bemüht sind über die Jahre bessere Ratings zu erhalten oder ihr gutes Rating zu halten. Dies ist sicherlich ein Ansporn, zu den von den Agenturen abgefragten Kriterien weitere Anstrengungen zu unternehmen.

ECOreporter.de: Wie können etwa Nachhaltigkeitsfonds konkret Einfluss auf Unternehmen nehmen?
Schneeweiß: Die konkreten Einflussmöglichkeiten liegen in einem Dialog über ökologische und soziale Missstände mit dem Management von Unternehmen, deren Aktien im Fonds enthalten sind. Man kann auch Rating-Agenturen über noch nicht bekannte Missstände informieren, die diese dann in ihr Rating aufnehmen.

ECOreporter.de: Es gibt die Kritik, Nachhaltigkeitsfonds würden meist nur registrieren, inwiefern Unternehmen auf öffentliche Diskussionen, etwa über den Klimawandel, reagieren.
Schneeweiß: Diese öffentliche Diskussion beruht auf Realitäten, auf die Unternehmen reagieren müssen. Von daher ist es nur zu begrüßen, wenn Rating-Agenturen diese Kritik für Investoren aufbereiten und den Unternehmen über Nachhaltigkeitsfonds deutlich wird, dass diese Ansprüche auch von Investoren an sie gerichtet werden. Neue Themen und neue Kritikpunkte werden sicherlich nach wie vor eher von Nicht-Regierungsorganisationen aufgebracht und im Nachhinein von Rating-Agenturen übernommen. Solange diese Rollenverteilung zu Veränderungen führt schadet sie nichts.

ECOreporter.de: Welche Strategie erscheint Ihnen effektiver: Diplomatie oder Druck?
Schneeweiß: Das hängt sehr von der Situation ab. Ein gut geführtes, für einen Dialog offenes Unternehmen verändert wohl eher etwas aufgrund von „sanftem“ Druck. Ein eher verschlossenes Unternehmen benötigt öffentlichen Druck, damit sich etwas verändert.

ECOreporter.de: Häufig reagieren Anleger irritiert, wenn sie in Nachhaltigkeitsfonds Aktien von Mineralölkonzernen und Autobauern vorfinden. Womit lässt sich die Aufnahme solcher Aktien in Nachhaltigkeitsfonds rechtfertigen, was wird damit konkret bewirkt?
Schneeweiß: Aus meiner Sicht liegt die Messlatte bei vielen Fonds zu niedrig. Auch gute Mineralölkonzerne haben große ökologische und soziale Probleme zu verantworten. Die in vielen Fonds enthaltenen Wasserunternehmen haben in manchen Ländern dazu beigetragen, dass armen Menschen die Versorgung mit sauberem Trinkwasser erschwert wurde. Nachhaltige Portfolios sollten sich deutlich von konventionellen unterscheiden und nicht nur in Nuancen. Wir brauchen ja auch in Zukunft eine deutliche Veränderung in unserer Wirtschaftsweise und nicht nur in Nuancen. Hier sollten Nachhaltigkeitsfonds Vorreiter sein.

ECOreporter.de: Sehen sie Anbieter von Nachhaltigkeitsfonds, die nach dem Prinzip „best-in-class“ ihr Portfolio zusammenstellen, in der Pflicht, Grundsätze und Sinn ihrer Auswahl besser zu kommunizieren?
Schneeweiß: Die Befürworter des „best-in-class“-Ansatzes argumentieren damit, dass es ihnen gelingt große Unternehmen zu ökologischen und sozialen Verhalten zu bewegen. Dies sollten sie belegen und sei es nur beispielhaft. Außerdem muss es neben diesem durchaus zu befürwortenden relativen Maß immer auch ein absolutes geben, so dass eben nicht das umweltfreundlichste aller Atomkraftwerke im Portfolio landet.

ECOreporter.de: Was regen Sie für die Branche des nachhaltigen Investments an?
Schneeweiß: Die Finanzmarktakteure müssen dafür offen sein, dass Lehrmeinungen widerlegt werden können. Dies ist im Fall der Mikrokredite geschehen: Es hat sich gezeigt, dass arme Menschen in Entwicklungsländern ihre Kredite zuverlässiger zurückzahlen als die Häuslebauer der europäischen Mittelschichten. Ich würde mich nicht wundern, wenn es derartige Überraschungen auch im ökologischen Investment gäbe. So glaube ich, dass die so genannten weichen Faktoren in der Aktienanalyse systematisch unterschätzt werden.
Für die Bundesrepublik wünsche ich mir mehr kritische Auseinandersetzung zwischen Investoren und „ihren“ Unternehmen.


ECOreporter.de: Frau Schneeweiß, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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