Bernhard Matthes ist Leiter Portfoliomanagement bei der Bank für Kirche und Caritas (BKC). / Foto: Unternehmen

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Bank für Kirche und Caritas: Kritischer Kommentar zur Zinspolitik der EZB

Bernhard Matthes, Leiter Portfoliomanagement bei der Bank für Kirche und Caritas (BKC), kommentiert mit kritischem Blick auf die bevorstehende EZB-Sitzung am 12. September die Zinspolitik der EU.

Die Statements von Bernhard Matthes im Wortlaut:

"Niedrigzinsen führen zur Fehlallokation von Kapital

Nullzins-Politik und Anleihekaufprogramme der Notenbanken haben marktwirtschaftliche Faktoren vielfach außer Kraft gesetzt. Die Preisbildung folgt nicht mehr Angebot und Nachfrage, Risiken werden nicht mehr angemessen bepreist. Im Ergebnis steht eine Fehlallokation von Kapital.

Negativzinsen schaffen neue Kapitalmarktblasen

Gelddrucken und Negativzinsen lösen keine Probleme, sie schaffen lediglich neue und größere Kapitalmarktblasen und erhöhen die Kosten, die mit einer schlussendlich doch irgendwann nötigen Normalisierung bzw. Rückführung der Notstandsmaßnahmen einhergehen.

Durch Niedrigzinsen begünstigte Zombie-Unternehmen drücken Wettbewerb und Wachstumspotenzial

Vor allem in Europa – so hat jüngst eine Studie der OECD dokumentiert – ist eine problematische Nebenwirkung der Niedrigzinsen, dass sogenannte Zombie-Unternehmen künstlich am Leben erhalten werden. Dabei handelt es sich um Firmen, denen es dauerhaft nicht gelingt, ihre Zinszahlungsverpflichtungen aus dem operativen Ergebnis zu erwirtschaften. Deren bloße Existenz drückt Produktivität, Wettbewerb und Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft.

EZB läuft Gefahr, weiter an Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit zu verlieren

Die Nominierung von Christine Lagarde als Nachfolgerin von Mario Draghi an der Spitze der EZB ist unverkennbar politisch motiviert. Die künftige Ausrichtung der EZB-Politik wird die geldpolitischen Partikularinteressen einiger Mitgliedstaaten vermutlich noch willfähriger als bislang zu bedienen wissen. Als fiskalpolitischer Erfüllungsgehilfe läuft die EZB Gefahr, weiter an Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wenn Vertrauen erodiert, verlieren Eurozone und EU als Institutionen zwangsläufig an Attraktivität.

Anleihen und Währungen außerhalb der Eurozone als Investitionsalternative

Geografisch und inhaltlich empfiehlt es sich, einen Teil des Portfolios so weit wie möglich weg von Herrn Draghi und demnächst Frau Lagarde zu investieren. Anleihe- und Währungsinvestments außerhalb der Eurozone können dabei ein Baustein sein. Optimistisch sind wir für alle Währungsräume, in denen Zins und Währung nicht in der Weise durch Notenbanken manipuliert werden, wie es in Europa oder Japan geschieht. Paradoxerweise finden wir heute in vielen Schwellenländern vielfach „freiere“ Märkte, weil eben jene Markteingriffe in diesen Ländern nicht erfolgen. Die Preisbildung erfolgt dort auf Basis von Angebot und Nachfrage.

EZB muss neue Maßnahmen liefern, um Ansprüche der Märkte nicht zu enttäuschen

Die Markterwartungen sind so weit vorausgelaufen, dass der EZB gar nichts anderes übrig bleibt, als weitgehende neue Maßnahmen zu liefern, um die Anspruchshaltung der Märkte nicht zu enttäuschen. Dass nahezu alle großen Notenbanken grundsätzlich nicht mehr bereit sind, die Markterwartungen zu enttäuschen, ist inzwischen hinreichend dokumentiert.

Geldpolitik der EZB ist Immobilienpreistreiber in deutschen Großstädten

Die unübersehbaren Nebenwirkungen von Negativzinsen und finanzieller Repression sind nicht nur ein Problem der Kapitalmärkte, sondern tragen weiter: In den teils unsachlichen und hysterischen Debatten um Preissteigerungen bei Mieten und Kaufpreisen an den Immobilienmärkten in Berlin und anderen deutschen Großstädten drehen sich die Argumente und Lösungsvorschläge meist um das Symptom, selten um die Ursache. Es liegt doch auf der Hand, dass der hauptursächliche Preistreiber der letzten Jahre die Geldpolitik der EZB gewesen ist und somit direkte Kosten verursacht.“

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