Erneuerbare Energie

"Aus Sicht der Biogas-Branche ist die EEG-Novelle ein Glücksfall" - ECOreporter.de-Interview mit Jochen Sautter, STEP Capital AG




ECOreporter.de: Herr Sautter, Sie haben sich intensiv mit dem Thema Biogas auseinandergesetzt. Nach viel versprechendem Start hat die Branche in den letzten beiden Jahren manche Erwartung enttäuscht. Wo lagen die Schwachpunkte?

Jochen Sautter: Neben unternehmensspezifischen Schwachpunkten waren es hier vor allem die Rahmenbedingungen, die in den Jahren 2007 und 2008 einen großen Strich durch manche Rechnung gemacht haben. Das EEG in seiner bis Juni 08 gültigen Fassung hat insbesondere Nawaro Anlagen auf Basis angebauter Rohstoffe gefördert, das Leitbild war der Strom vom Acker, „vom Landwirt zum Energiewirt“. In den vergangen Jahren haben Nawaro Anlagen den Markt weitgehend dominiert.
Seit dem Frühjahr 2007 sind die Preise für die maßgeblichen Rohstoffe, insbesondere Mais regelrecht explodiert, was viele Anlagen in wirtschaftliche Bedrängnis gebracht hat. Infolgedessen ist der Neubau von Anlagen ab Mitte 07 weitgehend zu erliegen gekommen. Dies traf eine noch sehr junge Branche, die ausgehend vom stürmischen Wachstum der vorangegangenen Jahre stark expandierte, und nun auf einmal auf bedrohlichen Überkapazitäten und einer nicht immer komfortablen Kapitaldecke saß.

ECOreporter.de: Wie beurteilen Sie die Novelle des EEG, die zum 1. Januar 2009 in Kraft tritt? Wird sie die Entwicklung bei Biogas fördern?

Jochen Sautter: Zunächst finde ich die EEG Novelle aus ökologischer und volkswirtschaftlicher Sicht einen großen Fortschritt, weil sie sanft einen Paradigmenwechsel einläutet: weg von der primären Fixierung auf landwirtschaftliche Stromproduktion hin zur Verwertung organischer Abfallstoffe – incentiviert durch auskömmliche Vergütungssätze für die hierbei erzeugte Energie. Dies spiegelt sich in der stark angehobenen Vergütung für die Verwertung landwirtschaftlicher Abfallstoffe („Güllebonus“), sowie dem weiter verbesserten Anreiz zur Nutzung der anfallenden Wärme („KWK Bonus“).
Aus Sicht der Biogas-Branche ist die Novelle ein Glücksfall, da die Vergütung für Nawaro Anlagen ja ebenfalls angehoben wurde, und zwar auf ein Niveau, dass sich an einem historisch hohen Maispreis orientierte. Nachdem dieser seit Jahresmitte wieder um ca. 50% zurückgekommen ist muss man bzgl. Nawaro-Anlagen momentan fast von einer Überförderung sprechen. In Anbetracht der Volatilität der Rohstoffpreise wäre es vielleicht besser gewesen, die EEG Vergütung diesbezüglich zu indizieren, um die Ertragssituation zu verstetigen.
Insgesamt waren die Rahmenbedingungen für Biogas in Deutschland wahrscheinlich nie besser als heute. Schwer absehbar bleibt jedoch, welchen Einfluss die Bankenkrise für die Branche haben wird.

ECOreporter.de: Aus der Umweltbewegung wird kritisiert, Biogasanlagen würden in Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung stehen, zum Beispiel weil sie massenhaft Mais für die Substratversorgung einsetzen. Hat sich die Branche dieser Kritik gestellt und Konzepte zur Nutzung anderer Arten von Biomasse entwickelt?

Jochen Sautter: Auch vom Wald oder jedem Naturschutzgebiet könnte man sagen, dass sie in Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen. Aus verantwortungsethischer Sicht finde ich dieses Argument überstrapaziert, solange wir in Deutschland und Mitteleuropa eher eine Überproduktion von Nahrungsmitteln als einen Mangel haben. Dies ist z.B. in Südamerika offenbar anders, was uns definitiv nachdenklich machen sollte, wenn wir von dort z.B. Bioethanol importieren.
Stichhaltiger finde ich den Kritikpunkt, dass die Ökobilanz der Verstromung von Mais via Biogas nicht unbedingt optimal ist, insbesondere wenn dieser in intensiver Landwirtschaft unter hohem Einsatz von Kunstdünger erzeugt wird. Hier scheint die Biogas Branche in einem Lernprozess begriffen zu sein, mit Blick auf die Erweiterung des Spektrums an einsetzbaren Pflanzen und entsprechenden optimierten Fruchtfolgen.

ECOreporter.de: Kritisiert wurde in der Vergangenheit, dass die Anlagenbauer teilweise Technologie geliefert hätten, die den Belastungen im Alltagsbetrieb nicht gewachsen war. Wie ist die Qualität heute?


Jochen Sautter: Eine gute Benchmark für die Qualität der Anlagen ist sicherlich die durchschnittliche Verfügbarkeit. Diese liegt verschiedenen Studien zufolge heute im Durchschnitt bei über 90%, bei manchen Herstellern auch über 95%, was einen erheblichen Fortschritt gegenüber früheren Werten darstellt.
Zu beachten ist hier, dass bei Biogas Stabilität und Effizienz des Anlagenbetriebs nicht nur von der Anlagenqualität abhängt sondern in erheblichem Maße auch von der Betriebsführung. Auch hier wurde eine Lernkurve durchlaufen.

ECOreporter.de: Die Einspeisung von Biogas in die Erdgasnetze wird als Zukunftstechnik gefeiert. Kritiker bemängeln, dass die Aufbereitung des Gases viel Energie verbrauche. Wie ist die Energiebilanz dieser Technologie?

Jochen Sautter: Die Aufbereitung auf Erdgas-Qualität verbraucht rund 10% des Primärenergiegehaltes des Biogases. Auf der anderen Seite können bei der Verstromung des Biogases vor Ort nur knapp 35-40% der Primärenergie in Strom umgewandelt werden. Der Rest ist größtenteils Abwärme, die in den meisten Fällen mangels lokaler Abnehmer nur zu einem Bruchteil genutzt werden kann.
Wenn die Einspeisung dazu führt, dass das Gas effizienter eingesetzt werden kann, kann sie energetisch sinnvoll sein. Alternativen sind ein gutes Nahwärmekonzept oder auch ein Mikrogasnetz, womit nicht aufbereitetes Biogas an nahe gelegene Verbraucher mit hoher Wärmenutzung geleitet werden können. Hier kommt es auf den Einzelfall an.
Generell denke ich, dass die Bedeutung der Einspeisung ins Erdgasnetz begrenzt bleiben wird, weil sie ökonomisch nur bei größeren Anlagen ab 1 Megawatt Sinn macht – die derzeitigen Trends weisen zumindest in Deutschland aber eher zu kleineren dezentralen Anlagen.

ECOreporter.de: Deutschland gilt als „Weltmeister“ in der Windkrafttechnik, weil deutsche Zulieferer zahlreiche Komponenten für Windturbinenbauer weltweit herstellen. Hat die Biogasindustrie hierzulande das Zeug, eine ähnliche Erfolgsgeschichte zu schreiben?

Jochen Sautter: Zunächst ist die Dominanz der deutschen Industrie im Biogas-Sektor mit einem Weltmarktanteil von ungefähr 65% höher, als sie es bei der Windenergie je war - insofern ein klares Ja. Allerdings ist die technologische Eintrittsbarriere bei Biogasanlagen sicher niedriger als bei Windkraftanlagen der Multi - Megawatt-Klasse, insofern würde ich erwarten, dass die Branche es in aufstrebenden Zielmärkten mittelfristig auch mit lokalen Wettbewerbern zu tun bekommt.
Bemerkenswert finde ich, dass in fast allen Auslandsmärkten der Einsatz von Nawaros eine untergeordnete Rolle spielt und stattdessen Anlagen zur Abfallverwertung, oft in größeren Projekten, im Vordergrund stehen. Das stellt die Anlagenbauer oft auch vor neue technologische Herausforderungen und bietet einen Vorteil für die Unternehmen, die hierin bereits einschlägige Erfahrungen vorweisen können.

ECOreporter.de: Wie gut sind deutsche Unternehmen im Ausland vertreten?

Jochen Sautter: Hinsichtlich der Rahmenbedingungen sind derzeit Polen, Tschechien, Rumänien, Italien attraktiv, und soweit ich sehe, sind die größeren Player dort alle auch mehr oder minder stark aktiv, dazu kommen Frankreich, England und exotischere Märkte wie z.B. Indien, wo sich z.B. Envitec engagiert. Allerdings entwickeln sich all diese Märkte erst relativ langsam, freihändig würde ich schätzen, dass die Exportquote bislang bei unter 10% liegt. Insofern bleibt ein funktionierender Heimatmarkt noch einige Jahre lebenswichtig für die Branche.
Bei vielen Playern sehe ich bzgl. der Auslandsexpansion auch die Gefahr einer Überdehnung, so finde ich es z.B. bei einem Unternehmen wie der Biogas Nord mit lediglich 25 mio. EUR Umsatz sehr sportlich, in rund 10 Ländern aktiv zu sein. Zumal es im Bereich Biogas nicht darum geht, ein fabriziertes Gut zu verpacken und irgendwo hin zu verschicken. Vielmehr erfordern gerade Biogasanlagen, die auf recht komplexe  Weise in ihre operative Umgebung eingebettet sind, ein relativ hohes Engagement und viel Kommunikation vor Ort.

ECOreporter.de: Wie stark schätzen Sie das Innovationspotential in der Biogastechnologie ein?

Jochen Sautter: Der zentrale Treiber bei der Effizienzsteigerung von Windkraftanlagen war das technologisch äußerst anspruchsvolle Upscaling der Anlagen. Bei PV ist es die Kostensenkung durch technologische Innovationen. Bei Biogas macht Upscaling kaum Sinn, weil damit lange und unwirtschaftlich Transportwege für die Rohstoffe einhergingen – und das Potential für Kostensenkungen durch Innovationen ist begrenzt. Im Vergleich zu Wind oder PV sind Biogasanlagen ein Low-Tech Produkt – das allerdings auf deutlich komplexere und vielfältigere Weise in seine jeweilige Umgebung upstream und downstream eingebettet ist als diese beiden. Innovationspotential sehe ich neben der Standardisierung von Komponenten am ehesten bei der Optimierung der Prozessbiologie, bei der mechanischen und biologischen Verarbeitung verschiedenster organischer Abfälle sowie bei der Entwicklung komplexerer Stoffstrom-Systeme (Stichwort Bioraffinerie).

ECOreporter.de: Die Rohstoffpreise in der Landwirtschaft hatten in der Vergangenheit wesentlichen Einfluss auf den Erfolg von Biogasprojekten. Welche Entwicklung erwarten Sie in diesem Bereich?

Jochen Sautter: Im Rückblick erscheint der extreme temporäre Anstieg der Preise für Mais und Getreide wie eine Blase, die in den letzten Monaten geplatzt ist, wie so manche andere Rohstoffblase. Da Agrarprodukte anders als Rohöl oder Rohstahl nachwachsen, würde ich hier erwarten, dass längerfristig die Preise nicht dramatisch von den Erzeugungskosten plus einer angemessenen Marge abweichen. Dass es von dieser Annahme zumindest temporär auch scharfe Abweichungen geben kann, haben wir gerade wieder gesehen.

ECOreporter.de: Welche Bedeutung kommt der Biogastechnik aus Ihrer Sicht im Rahmen einer regenerativen Energieversorgung zu? Wo sehen Sie Branche in zehn Jahren?

Jochen Sautter: Ein paar Zahlen: auf einem Hektar mit Maisanbau in Deutschland lassen sich pro Jahr ungefähr 20.000 kWh Strom erzeugen, und ungefähr noch einmal soviel Wärme. Auf einem Hektar Wüste lässt sich mittels Parabolrinnenkraftwerken etwa die 40-fache (!) Strommenge erzeugen, zu eher günstigeren Stromgestehungskosten. Eine moderne 2,5MW Windkraftanlage produziert jährlich etwa 5mio kWh, also soviel wie 250ha Mais, zu noch günstigeren Kosten. Wenn die Ultima Ratio der Biogastechnologie also wäre, fruchtbaren Äckern elektrischen Strom abzutrotzen, dann würde ich zumindest mittelfristig bezweifeln, ob die Welt diese Technologie braucht.
Die Zukunft von Biogas sehe ich weniger in einer Energieerzeugungstechnologie sondern als wichtiges Element bei Strategien zur Verwertung organischer Stoffströme. Es gibt weltweit ein großes Aufkommen an organischen Abfallstoffen, wie Gülle und Mist, organischer Hausmüll, verschiedenste Abfälle der Lebensmittelproduktion, Schlachtabfälle bis hin zu Klärschlamm. Bei der natürlichen Zersetzung dieser Stoffe fallen große Mengen Methan an, ein um den Faktor 21 wirksameres Treibhausgas als C02. Es gilt also, all diese Stoffe optimal, das heißt unter Vermeidung von Methanemissionen und anderer Umweltschäden, unter bestmöglicher Nutzung der enthaltenen Nährstoffe sowie energetisch optimal zu nutzen. Hier ist in sehr vielen Fällen die anaerobe Vergärung die überlegene Lösung, weil sie die Kohlenwasserstoffe energetisch nutzbar macht, das Methan dadurch neutralisiert, während anorganische Mineralstoffe als Gärrest in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können. Dass große Teile dieser globalen Stoffströme mittelfristig erschlossen werden halte ich für ausgemacht – und hier sehe ich vor allem die längerfristige Zukunft der Biogastechnologie.
In 10 Jahren werden wir irgendwo auf halbem Weg stehen zwischen der heutigen Biogasnutzung mit Nawaro und Gülle unter den Laborbedingungen des deutschen EEG – und der Erschließung der großen globalen organischen Abfallströme.
Interessant finde ich, dass als einzige Mobilitätsform die Luftfahrt wahrscheinlich auch langfristig nicht elektrifiziert werden kann, und damit auf organische Treibstoffe angewiesen  bleibt. Diese könnten in einer Nach-Fossilen Ära höchst elegant durch Biogas bereitgestellt werden, wir könnten so die organische Fraktion unseres Mülls umweltfreundlich verfliegen.

ECOreporter.de: Herr Sautter, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Bildhinweis: Jochen Sautter, STEP Capital; Biogas-Projekte der WPD AG und der UDI GmbH
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